Die Nachricht, dass wir schwanger sind, löst bei den meisten von uns ungeahnte Glücksgefühle aus. Wir hoffen und bangen uns durch die ersten kritischen Wochen und sind unglaublich erleichtert, wenn sie überstanden sind. Endlich können wir anfangen, die Schwangerschaft richtig zu genießen. Leider ist das nicht bei allen werdenden Mamas so. Einige müssen bis zum Ende um das Leben ihres Babys bangen.
Eine falsche Diagnose kostete Sandras Baby fast das Leben
So wie Sandra aus unserer Community. Sie hatte in der 15. SSW einen Blasensprung, den die Ärzte nicht erkannten. Nach einer falschen Diagnose wurde ihr geraten, ihr Baby still zur Welt zu bringen. Sandra entschied sich dagegen und setzet all ihre Hoffnungen in eine neuartige Operation. Ihre dramatische Geschichte erzählt sie hier:
„Am 20.11.2017 sagten mein Mann und ich meinen Eltern, dass sie Großeltern werden. Eine Woche später bestätigte die Frauenärztin, dass ich in der 6. SSW war. Also hieß es noch 6 Wochen bangen, ob es zu einer Fehlgeburt kommt oder nicht. An Weihnachten haben wir auch den Urgroßeltern von ihrem kleinen Urenkel erzählt. Als die ersten 12 schweren Wochen überstanden waren, konnte endlich die schöne Zeit beginnen.
Das dachte ich zumindest
In der 14. SSW hatte ich einen Kontrolltermin bei der Frauenärztin. Alles schien gut zu sein. Das Herzchen schlug, und ich konnte mein kleines Würmchen auch sehen. Leider kam dann der Satz: „Die Nackenfalte ist zu dick, was auf eine Trisomie 13, 18 oder 21 hindeuten kann. Es kann aber auch gar nichts bedeuten. Wir sollten weitere Untersuchungen machen lassen.“
Für mich brach eine Welt zusammen. Ich war nur noch am Weinen und rief meine Mutter an. Sie meinte auch, ich solle abwarten. Meinem Mann sagte ich auch gleich Bescheid und fuhr dann heulend zur Arbeit, wo meine Chefin mir für den Rest des Tages frei gab. Mein Papa holte mich ab, und ich war immer nur am Weinen.
Was ist, wenn das Kind eine Behinderung hat? Was habe ich falsch gemacht? Ich hatte das Glück, dass ich am selben Nachmittag noch zu einem Arzt konnte, der ein paar Tage später eine Chorionzottenbiopsie durchführte.
Es war der absolute Horror!
Gefühlt war der ganze Raum voller Studenten, die es mal sehen wollten. Was soll ich sagen? Ich lag auf dem Gynäkologenstuhl, und mit einer großen Nadel wurde eine halbe Stunde vaginal regelrecht in mir herumgestochert, um dann doch mit einer riesigen Nadel über die Bauchdecke zu gehen.
Nachdem es endlich geschafft war, sollten wir am nächsten Tag ein Ergebnis des Schnelltests bekommen. Ich wartete den ganzen Tag auf den Anruf. Um 21:15 Uhr kam er, und es hieß: „Leider hatten wir nicht genug Material, aber wir probieren noch den Langzeittest.“ Also hieß es, eine weitere Woche zu warten.
Das war wirklich eine grausame Zeit
Als der Anruf endlich kam, hieß es: „Leider hat das Material nicht gereicht. Wir sollten eine Fruchtwasserpunktion vornehmen.“ Ich habe mir erstmal einen neuen Arzt gesucht und sehr schnell einen Termin bekommen. Mein Mann und ich haben uns dort vorgestellt und unsere Geschichte erzählt. Der Arzt machte einen Ultraschall, und ich konnte sehen, dass es meinem Würmchen gut ging.
Aber was war mit der Nackenfalte? Sie war immer noch auffällig. Wir ließen eine Fruchtwasserpunktion machen, und ein paar Tage später stand das Ergebnis fest: Wir kriegen einen gesunden Jungen! Alle freuten sich riesig. Aber nur einen Tag später kam der nächste Schock:
Ich hatte zu wenig bzw. kein Fruchtwasser
Was sollte das bedeuten? Wo war das Fruchtwasser hin? Ich sollte erstmal eine Fruchtwasserauffüllung bei einem anderen Arzt machen lassen. Gesagt, getan. Ein paar Tage später war es so weit. Wieder eine lange Nadel, die in den Bauch gestochen wurde. 250 ml, gefärbt mit blauer Farbe, liefen in mich hinein. Nach einer halben Stunde wurde noch einmal kontrolliert. Es war alles in Ordnung, und es lief auch kein Fruchtwasser heraus. Also fuhren wir wieder nach Hause.
Kurze Zeit später ging ich auf Toilette und hatte grünen Urin. Ich rief wieder bei dem Arzt, der meinte, dass das normal sei. In der Nacht wachte ich auf, da mein Bett unter mir ganz nass war. Mein erster Gedanke war, ob ich jetzt etwa inkontinent bin? Am nächsten Tag fuhr ich zu meiner Frauenärztin und erzählte ihr davon.
Sie schickte mich direkt wieder in die Klinik, in der das Fruchtwasser aufgefüllt wurde
Ich rief meinen Mann an, der von der Arbeit kam, um mit mir wieder in die Klinik zu fahren. Es wurde ein Ultraschall gemacht und festgestellt, dass kaum noch Fruchtwasser da war. Ein PH-Test war negativ. Also gingen die Ärzte davon aus, dass kein Blasensprung vorlag, und die Flüssigkeit nachts wohl doch Urin war. Allerdings fanden sie es trotzdem komisch, dass das ganze Fruchtwasser über Nacht verschwunden war. Das wäre selbst dann nicht der Fall, wenn mein Kind überhaupt keine Nieren hätte. Fruchtwasser wird ja vom Kind getrunken, in den Nieren verarbeitet und dann wieder ausgeschieden. Ich sollte eine Woche später zur Kontrolle kommen. Bei dem Termin wurde wieder ein Ultraschall gemacht. Es war immer noch kein Fruchtwasser zu sehen.
Die Diagnose der Ärzte stand fest: schwerwiegender Nierenschaden mit 5 % Überlebenswahrscheinlichkeit
Dagegen sprach allerdings, dass man auf dem Ultraschall beide Nieren und eine gefüllte Harnblase sehen konnte.
Wieder brach eine Welt für mich zusammen. Was sollte das heißen? Sollte unser Sohn sterben? Es hieß, wir könnten jetzt gleich die Geburt einleiten oder noch 4 Wochen warten. Ich sollte jetzt mein Kind auf die Welt bringen? Nein, das konnte ich nicht. Wir vereinbarten einen Termin in 4 Wochen.
Ich wusste nicht, worauf ich mich vorbereiten sollte. Hoffen, dass alles gut geht, oder darauf, dass unser Sohn sterben wird? Mein Mann verarbeitet das Ganze für sich und redete nicht wirklich viel darüber. Meine Mama war die treibende Kraft, die mich dazu drängte, zu überlegen, ob wir gerne Fotos von unserem Sohn hätten, oder ob wir ihn nach der stillen Geburt sehen wollen oder nicht.
Ich versuchte, mich im Internet schlau zu machen, was man tun kann und was nicht. Ich fand heraus, dass man sein Kind ab 500 g in einem eigenen Grab beerdigen kann.
Musste ich jetzt wirklich statt einer Geburt eine Beerdigung planen?
Bei meiner Recherche stieß ich auf den Verein „Sternenkinder Rhein-Main“. Was hatte ich zu verlieren? Ich schrieb eine E-Mail, in der ich mich vorstellte und unsere Geschichte erzählte. Ich fragte, ob ich mal mit meinen Eltern zu einem Treffen kommen könnte.
Wenig später machten wir uns auf den Weg nach Offenbach. Wir wurden wirklich herzlich empfangen, und ich erfuhr, dass ich keine stille Geburt machen müsste, da es immer noch meine Entscheidung sei. Man könne sonst auch eine palliative Geburt machen. Ich unterhielt mich noch mit einer Mama, deren Kind ohne Nieren auf die Welt gekommen war.
Sie gab mir die Handynummer eines Spezialisten aus Gießen
Wir bekamen einen Termin für den 4. April. Professor Kohl nahm sich sehr viel Zeit, untersuchte mein Kind und hörte sich unsere Geschichte an. Ich wurde stationär aufgenommen, und am nächsten Tag sollte eine Fruchtwasserauffüllung gemacht werden. Eine Frauenärztin machte einen Abstrich und schickte ihn ans Labor, um herauszufinden, ob eventuell ein Blasensprung vorlag. Am nächsten Tag während der Fruchtwasserauffüllung bekam Dr. Kohl einen Anruf, dass ich tatsächlich einen Blasensprung hatte.
In der 22. SSW erkannte man den Blasensprung, der wahrscheinlich schon in der 15. SSW bei der Untersuchung passiert war
Und die beste Nachricht: Mein Sohn hatte vermutlich nichts mit den Nieren! Dr. Kohl klärte meinen Mann und mich dann auf, dass sich ohne das Fruchtwasser die Lungen nicht entwickeln würden, aber man auch nicht ständig das Fruchtwasser auffüllen könne: Es würde so oder so wieder rauslaufen, und die Gefahr, sei zu groß, dass der Kleine während der Auffüllung zur Welt kommen könnte.
Für uns war das der nächste Schock: Wie sollte unser Kind ohne entwickelte Lungen atmen?
Professor Kohl erzählte uns, dass es einen Weg der experimentellen Medizin gäbe, den man versuchen könnte. Dabei wird dem Kind im Mutterleib ein Trachealballon in die Luftröhre eingesetzt. Er würde es auf dem minimal invasiven Weg in der 27. SSW machen. Ich müsste allerdings stationär dableiben und vorsorglich dreimal am Tag Antibiotikainfusionen bekommen. Für meinen Mann und mich war sofort klar, dass wir diesen Weg gehen würden.
Was hatten wir zu verlieren? Gehen wir den Weg nicht, wird unser Kind sterben, da es nicht atmen kann. Versuchen wir es, und es geht schief, stirbt er auch.
Aber vielleicht geht ja alles gut, und er kommt gesund auf die Welt
In den nächsten Wochen hieß es viel liegen, ich bekam Antibiotikainfusionen und kämpfte mit manchen Ärzten, die nicht einverstanden waren mit dem Weg der experimentellen Medizin. Mein Mann kam uns jeden Tag besuchen, und auch meine Eltern und meine Schwester waren immer für mich da. Leider musste mein Papa dann auch ins Krankenhaus, da er Prostatakrebs bekommen hat und operiert werden musste. Wir schrieben viel über WhatsApp und telefonierten. Ich war auch etwas traurig, dass ich meinen Papa nicht besuchen und für ihn da sein konnte.
Am 26. April war endlich der große Tag gekommen, und ich sollte operiert werden. Bei dieser OP bekam unser Sohn über ein kleines Löchlein in meinem Bauch einen kleinen Luftballon in die Luftröhre eingesetzt. Er sollte sie verschließen, damit sich die Lungen mit der vorhandenen Flüssigkeit ausbilden können. Als ich aufgewacht bin, kam kurz darauf Dr. Kohl wieder und erzählte mir, dass alles gut gegangen sei.
Ich war so erleichtert!
Am nächsten Tag wurde ich mit dem Krankenwagen nach Mannheim verlegt. Ich bekam erstmal ein Zimmer für mich alleine, durfte nur eine Stunde am Tag mit dem Rollstuhl nach draußen und sonst nur zum Duschen aufstehen und um zur Toilette zu gehen. Am stressigsten waren für mich immer die CTGs. Oft war der Herzschlag des Kleinen zu hoch, oder irgendetwas hat ihnen nicht gefallen, und ich musste wieder mal länger am CTG bleiben.
Am 9.5.2018 war der nächste große Tag gekommen. Der Ballon sollte wieder entfernt werden. Ich war sowas von aufgeregt. Was mir sehr geholfen hat, war, dass Dr. Kohl in den Vorbereitungsraum kam und meine Hand hielt, bis ich in Narkose lag. Ich weiß nicht, wie lange die OP dauerte.
Als ich aufwachte, wollte ich nur wissen, ob mein kleiner Mann noch im Bauch ist, und das war er zum Glück!
Mittags lag ich auf dem Zimmer und war noch etwas k.o. von der Narkose, als die Ärztin ins Zimmer kam und meinte, dass sie meinen Sohn am Montag holen würden, und schwupp, war sie wieder verschwunden. Ich fragte meinen Mann, ob sie gerade wirklich gesagt hatte, dass am Montag unser Kind geholt wird. Daraufhin rief ich direkt Dr. Kohl an, und er versicherte mir, dass wir alles mögliche im Bauch für das Kind getan haben, und ihm jetzt außerhalb besser geholfen werden kann, da es ohne Fruchtwasser sonst auch zu Fehlbildungen kommen kann, wenn das Kind größer wird. Also hieß es noch 5 Tage warten, bis ich dich endlich sehen konnte.
Dann war der große Tag gekommen. Ich war sowas von aufgeregt
Gegen 8:30 Uhr kam ich in den Kreißsaal, und es wurde erstmal ein CTG geschrieben. Alles war in Ordnung. Ich wurde fertiggemacht für den Kaiserschnitt, und mein Mann durfte sich auch umziehen gehen. Am schlimmsten war die Zeit allein im OP, bis mein Mann endlich reinkommen durfte. Ich hatte so Angst, wie es meinem Kind gehen würde, dass ich auf dem OP-Tisch saß und erst einmal heulte. Den Anästhesisten habe ich gebeten, mir jegliche Beruhigungsmittel zu geben, wenn das Baby draußen wäre.
Mein Mann kam rein, als ich gerade aufgeschnitten wurde. Er hielt die ganze Zeit meine Hand. Um 10:20 Uhr wurde unser Sohn auf die Welt geholt, er wurde kurz übers Tuch geholt und schrie zum 1. Mal.
Er war sehr klein, aber er lebte. Ich war so glücklich!
Der Anästhesist fragte mich, ob ich Beruhigungsmittel benötige, was ich nun verneinen konnte. Unser Sohn wurde ins Nebenzimmer gebracht, wo sich die Ärzte erst einmal um ihn kümmerten. Nach kurzer Zeit durfte mein Mann zu unserem Sohn, während ich noch zugenäht wurde.
Als ich fertig war, schob man mich wieder in den Kreißsaal und meinen Sohn im Inkubator an mein Bett. So konnte ich ihn noch einmal kurz sehen und seine Hand nehmen, bevor er auf die Intensivstation kam. Ich war so glücklich, denn es schien ihm gut zu gehen!
Ja, er wurde beatmet und war an etlichen Schläuchen angeschlossen, aber er lebte
Zurück in Kreißsaal wurde ich an die Blutdrucküberwachung angeschlossen, und mein Mann zeigte mir seine ersten Bilder von unserem Finn. Am Nachmittag haben wir unseren Sohn zum ersten Mal auf der Intensivstation besucht. Wir waren so glücklich, dass er lebte. Die ersten Tage bestanden aus Besuchen auf der Intensivstation und Milch abpumpen im Zimmer.
Am 20.5. wurde Finn extubiert und bekam eine CPAP-Maske zur Atemunterstützung. Am Anfang hat er es sehr gut gemacht. Leider kam es dann häufiger zu Atemstillständen, und er musste zwei Tage später wieder intubiert werden.
Drei Tage später verschlechterte sich Finns Zustand so sehr, dass eine Notbronchoskopie durchgeführt wurde. Hierbei wurde der Ballon entdeckt und entfernt. Nun sollte es nach Meinung aller Ärzte aufwärts gehen.
Leider stellte sich ein paar Tage später heraus, dass man die Muttermilch, die ihm sondiert wurde, aus der Lunge wieder abziehen konnte
Beim Sondieren gingen die Sauerstoffsättigung und die Herzfrequenz immer wieder nach unten, und Finn musste wieder zum Atmen animiert werden. Das war so schlimm mit anzusehen.
Zwei Tage später machten die Ärzte noch eine Bronchoskopie und entdeckten dabei ein 1 cm großes Loch zwischen Luft-und Speiseröhre. Eine große Herausforderung für die Ärzte, denn leider konnten sie es nicht einfach zunähen.
Wieder hieß es für uns hoffen und bangen
Finn bekam eine dicke Magensonde durch die Speiseröhre und einen dicken Beatmungsschlauch durch die Luftröhre. Damit sollte das Loch erst einmal geschient werden. Nach 1,5 Wochen setzten die Ärzte in einer OP den extra für Finn angefertigten Stent ein. Einige Wochen später wurde er wieder entfernt – und das Loch war zugewachsen.
Wir hatten die Hoffnung, dass es jetzt nur noch bergauf gehen konnte, und so war es auch! Am 24.6. wurde Finn extubiert und sollte sofort ganz allein und ohne Unterstützung atmen. Oh Gott, ich hatte solche Angst, ob er es schafft! Aber mein kleiner Kämpfer machte seine Sache super, und am nächsten Tag durften wir von der Intensivstation auf die Neonatologie wechseln. Jetzt musste nur noch trinken lernen, seine Wärme halten und zunehmen, dann dürften wir nach Hause! Und dann war der große Tag endlich da!
Am 13.7. durfte Finn das Krankenhaus verlassen, und unsere Zeit als richtige Familie begann
Ich war insgesamt 6,5 Wochen stationär im Krankenhaus. Finn lag 6 Wochen auf der Kinderintensivstation und 2,5 Wochen auf der Neonatologie. Ja, es war ein verdammt schwerer Weg, aber ich würde es genauso wieder machen. Was hat man zu verlieren? Tatsache ist, dass unser Finn ohne den Ballon nicht überlebt hätte. Denn seine Lungen waren nicht entwickelt. Ja, es kam zu Komplikationen. Aber wenn man Finn heute sieht, haben sich all die Kämpfe und Strapazen mehr als gelohnt!“
Liebe Sandra, vielen Dank, dass Du deine bewegende Geschichte mit uns geteilt hast.
Heute engagiert sich Sandra beim Bundesverband zur Begleitung von Familien vorgeburtlich erkrankter Kinder e.V. und unterstützt andere Eltern als Patin bei vorzeitigem Blasensprung.
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