Co-Parenting liegt im Trend. Gemeinsam ein Kind großziehen, ohne das klassische Familienmodell zu leben oder ein Paar zu sein? Emmy, eine Mama aus unserer Community, hat damit seit mittlerweile fünf Jahren Erfahrung. Sie ist zu dem Schluss gekommen:
„Es ist eine großartige Lösung, aber sicher nicht für jeden!“
„Anne und ich haben vor sechs Jahren geheiratet. Da waren wir noch ziemlich jung, gerade einmal 25 Jahre alt. Trotzdem wussten wir schnell: Wir wünschen uns ein Kind. Für ein lesbisches Paar gibt mehr Möglichkeiten als für homosexuelle Männer. Uns war aber schnell klar, dass wir keine anonyme Samenspende wollen. So kamen wir schließlich auf die Idee mit dem Co-Parenting, bei dem sich alle Elternteile einbringen, ohne dass eine klassische Paarbeziehung besteht. Wir haben vorher lange diskutiert, wie wir damit klarkommen, wenn noch jemand mitmischt. Doch dann kamen wir zu dem Schluss, dass wir das wuppen! Braucht es nicht angeblich sowieso ein Dorf, um Kinder großzuziehen?
Ich selbst war Einzelkind, meine Eltern waren schon älter, als sie mich bekommen haben. Sie sind außerdem ziemlich konservativ. Damals hätte ich viel dafür gegeben, Ausweichmöglichkeiten zu haben und andere Lebensmodelle kennenzulernen. Doch erstmal mussten wir jemanden finden, der das Gleiche wollte und zu uns passte. Über Umwege trafen wir ein schwules Paar, quasi die Freunde der Freunde von Freunden, aber es passte gar nicht. Abgesehen vom Kinderwunsch hatten wir null Gemeinsamkeiten.
Eine Internetplattform brachte uns schließlich ans Ziel.
Nach weiteren Fehlversuchen haben wir über www.familyship.de Tom getroffen. Er war Anne und mir auf Anhieb sympathisch. Wir hatten viel gemeinsam, mit mir teilte er die Liebe zu Skandinavien, mit Anne die Begeisterung für Animé-Filme. Wir quatschten mit ihm spontan die ganze Nacht durch und waren am Ende sicher: Das ist der Papa für unser Baby! Das Beste: Er wohnte keine 50 Kilometer von uns entfernt – nicht zu nahe dran, aber so nahe, dass echtes Co-Parenting möglich ist.
Klar gab es die Sorge, was passiert, sollte Tom einen neuen Partner finden. Würde der auch zu uns passen? Trotzdem wagten wir den nächsten Schritt. Tom wurde unser ,Samenspender`. Mittlerweile ist er viel mehr als das, der Papa unser Kindes, Sparring-Partner bei der Erziehung, oft genug auch Herausforderer. Schon Anne und ich sind uns in Erziehungsfragen nicht immer einig, doch es redet bei uns ja immer noch einer mehr mit. Deshalb ist das Modell ganz sicher nichts für Kontrollfreaks, Rechthaber*innen oder Menschen, die eher intolerant gegenüber anderen Ideen sind. Man muss sich gut absprechen und offen für Lösungen sein, die auch mal etwas von den eigenen Vorstellungen abweichen.
Manchmal nervt’s, aber am allernervigsten sind die Vorurteile.
Klar gibt es manchmal Zoff, aber in welcher Familie gibt es den nicht? Mittlerweile haben wir uns gut eingespielt. Amélie lebt überwiegend bei uns. Tom springt vor allem an den Wochenenden und in den Ferien ein. Manchmal wechseln wir uns aber auch mittendrin ab, je nachdem, was Amélie sich wünscht, oder welche Pläne wir selbst gerade haben. Wir hören einander zu und finden so gut wie immer eine Lösung, bei der alle mitgehen können, sonst stimmen wir ab.
Am anstrengendsten waren eigentlich die Vorurteile. Tom hat Glück. Er wohnt in einer Großstadt. Wenn er mit dem Kind auf den Spielplatz geht, ist er einfach ein zuckersüßer Daddy mit seiner Tochter. Aber Anne und ich leben deshalb auf dem Dorf, weil wir am liebsten im Grünen sind. Unsere Nachbarn hatten ganz schön an unserem Lebensmodell zu knapsen, nachdem sie dahinter gekommen sind. Meine Eltern akzeptieren unsere Entscheidung immer noch nicht richtig, lieben aber ihr Enkelkind. Auch in der KiTa gibt es manchmal seltsame Blicke, wenn wir zu dritt bei Veranstaltungen auftauchen. Aber ich wette, dass manch eine überforderte Mutti uns insgeheim beneidet, weil wir die Verantwortung durch drei teilen können.
In der Babyzeit war ich echt dankbar für unsere spezielle Familie.
Schon während der Rückbildung habe ich viele Mamas kennengelernt, die plötzlich mit dem Kind beinahe allein dastanden, weil die Männer sich doch nicht so stark einbrachten wie erhofft. Manchmal konnten die gar nicht viel dafür, sondern es steckten finanzielle Gründe dahinter. Auch Anne und ich konnten nicht gleichzeitig in Elternzeit gehen, weil wir ihr Einkommen als festangestellte Informatikerin brauchten. Ich bin freiberufliche Grafikerin, mein Elterngeld fiel alles andere als üppig aus.
Tom ist aber ebenfalls Freiberufler, und so war am Ende doch fast immer jemand da, um mir Amélie mal abzunehmen. Während der Zeit, in der sie jeden Abend drei Stunden schrie, kam er häufig vorbei, einfach nur um ,seine Kleine‘ in dieser Zeit rumzutragen. Das war natürlich toll und entlastete Anne und mich enorm. Deshalb stritten wir auch viel weniger als andere frischgebackene Eltern, die alleine klarkommen mussten.
Klar gibt es immer wieder neue Herausforderungen.
Seit einem Jahr gibt es in Toms Leben einen neuen Mann. Natürlich wurde dadurch vieles durcheinander gewirbelt, doch Andreas ist mittlerweile ein fester Bestandteil unseres Familiengefüges. Er kommt prima mit Amélie klar, träumt von einem weiteren Kind. Auch Anna und ich überlegen, ob wir es nicht zu viert noch einmal wagen wollen. Amélie wünscht sich schon lange ein Geschwisterchen.
Sie hat übrigens gar keine Probleme mit unserem Modell, sondern genießt es, dass so viele Menschen für sie da sind. Klar kommen mal Fragen, wenn sie bei anderen Kindern zu Hause war oder in der KiTa zulange in den schrecklichen ,Conny‘-Büchern geblättert hat. In Bilderbüchern sieht Familie halt meistens immer noch so aus: Papa, Mama, Kind.
Vielleicht schreiben wir ja irgendwann unser eigenes – ohne die klassische ,Bilderbuchfamilie´! Kinder können viel mehr akzeptieren und begreifen, als manche ihnen zutrauen. Vor allem, wenn sie schon früh ganz verschiedene Lebensmodelle kennenlernen dürfen.“
Danke, liebe Emmy, dass du deine Erfahrungen mit uns geteilt hast. Wir wünschen euch alles Gute für eure zauberhafte Familie.
Noch etwas zur erwähnten Internetplattform www.familyship.de: Sie wendet sich nicht nur an Regenbogenfamilien, sondern an jeden, der eine ganz individuelle, ,maßgeschneiderte‘ Familie gründen möchte – zum Beispiel auch an heterosexuelle Single-Mums und Paare, die nicht allein erziehen möchten, bzw. eine Mehrelternschaft gut finden würden.
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