Dagmar: „Ein Kind zu kriegen hat uns 30.000 Euro gekostet.”

Dagmar ist seit November 2022 Mama – und ihr Baby ist für sie unbezahlbar, dennoch hat ein riesiger Haufen Rechnungen mit ihrer Schwangerschaft zu tun. Ihren Weg zum Wunschkind beschreibt sie euch am besten selbst:

„Kinderkriegen ist teuer. Wie oft habe ich diesen Spruch früher gehört. Was er einmal für mich bedeuten sollte, wusste ich damals noch nicht. Aber fangen wir am Anfang an.

Es ist Juni 2014, kurz nach unserer Hochzeit. Unsere Eltern und die Omas haben sich brav zurückgehalten und nicht gefragt, dennoch wussten wir, dass sie sehnsüchtig auf ein Enkelkind warten. Also haben wir die Flucht nach vorne angetreten und verkündet: das mit dem Baby muss noch warten, wir wollten zuerst eine USA-Rundreise machen.

Wenn ich daran zurückdenke, schüttle ich müde lächelnd den Kopf.

Wie einfach ich mir das damals vorstellte. Pille absetzen und zack – schwanger. Deshalb kam es ja auch überhaupt nicht infrage, vor der USA-Reise die Verhütung abzusetzen. Wenn ich nur damals gewusst hätte, was ich heute weiß …

Im Mai 2016 war es schließlich soweit und wir stiegen in den Flieger, um unsere Traumreise anzutreten. Zeitgleich ließen wir auch das mit der Verhütung sein. Wäre ja schon echt cool gewesen, unser Baby in Übersee zu zeugen. Das hat freilich nicht geklappt und zu dem Zeitpunkt habe ich mir darüber auch gar keine Gedanken gemacht. Man hört ja immer, dass es durchaus normal ist, wenn es erst nach einem Jahr klappt.

Doch das Jahr ging vorüber und nichts passierte.

Also suchte ich meinen Arzt auf, der mit erstmal gesagt hat, ich solle 20 kg abnehmen, davor bräuchte ich es überhaupt nicht erst probieren, schwanger zu werden. So ein A****. Also habe ich mir einen neuen Frauenarzt gesucht. Ich hatte auch ziemlich schnell einen gefunden und siehe da: er fand heraus, dass ich eine Östrogendominanz hatte und diagnostizierte eine Schilddrüsenkrankheit (Hashimoto). Endlich wussten wir woran es lag.

Um das herauszufinden, zahlten mein Mann und ich natürlich auch gerne, denn da dieser Arzt eigentlich nur Privatpatienten behandelte, ging das alles aus unserer eigenen Tasche. Wer jetzt denkt, die Geschichte sei schnell zu Ende, täuscht sich allerdings. Denn die Hormoncremes und Schilddrüsentabletten halfen nichts und mich beschlich das Gefühl, dass ich auch mit diesem Arzt nicht weiterkomme.

Ich suchte Hilfe bei einer Akupunkteuse, wie ich sie heute liebevoll nenne, und bei einem Heilpraktiker.

Wie ihr euch vorstellen könnt, waren auch das keine Kassenleistungen, doch ich bin davon überzeugt, das beides gut war. Immerhin war nach der Behandlung mein Zyklus das erste Mal in meinem Leben im Gleichgewicht (mein Frauenarzt hielt es scheinbar nicht für nötig, mir zu verraten, dass regelmäßige Schmierblutungen während des Zyklus nicht normal sind …). Zum Baby konnten mir die beiden aber leider auch nicht verhelfen. Also ging die Ursachenforschung weiter.

Anfang 2019 – inzwischen hatte unser kompletter Freundeskreis mit der Familienplanung angefangen und abgeschlossen – habe ich endlich einen Frauenarzt gefunden, der ausgesprochen hat, was mein Unterbewusstsein schon längst wusste: wir müssen ins Kinderwunschzentrum. Warum ich mich damals so gesträubt habe, diesen Schritt zu gehen, kann ich nicht mehr nachvollziehen. Wahrscheinlich, weil viele Betroffene nicht darüber reden können oder wollen.

Unfruchtbarkeit ist ein Tabuthema.

Das ist Fakt und das ist ein Unding. Daher habe ich von Anfang an offen über meine beziehungsweise unsere Situation gesprochen. Allein schon, um lästige Fragen á la ‚na, wird langsam Zeit für ein Baby, meint ihr nicht‘ zu umgehen. Und wisst ihr was? Wenn man sich öffnet, öffnen sich auch die anderen. Gelernt habe ich dabei, dass nur zwei Frauen in meinem Bekanntenkreis problemlos schwanger geworden sind.

Wie weit Unfruchtbarkeit tatsächlich verbreitet ist, habe ich dann letztendlich im Kinderwunschzentrum miterlebt. Als ich im Frühjahr 2019 ins Kinderwunsch Centrum München-Pasing (KCM) einmarschierte, erschlug es mich regelrecht. Das Wartezimmer war gesteckt voll. Und zwar jedes Mal. Erschreckend. Doch gleichzeitig hat es mich getröstet.

Endlich habe ich gesehen: wir sind mit unserer Situation nicht allein.

Und die ganzen Bilder der neugeborenen Babys an der Wand haben mir gezeigt, dass die Leute hier ihren Job verstehen. Sicher würden sie auch uns zum Baby verhelfen. Und wiedereinmal habe ich mir das mit dem Kinderkriegen damals viel einfacher vorgestellt, als es letztendlich war.

Als wir mit der Behandlung im KCM angefangen haben, ging es für mich erstmal zur Bauchspiegelung. Wir wollten checken, ob meine Eileiter überhaupt durchlässig sind. Waren sie. Dafür hatte ich Endometriose. Zwar nur sehr wenig, doch zum Unfruchtbarsein hat’s scheinbar gereicht. Scheinbar. Denn die IVF im Anschluss hat gezeigt: an der Endometriose lag es wohl doch nicht.

Die künstliche Befruchtung führte nicht zum Erfolg.

Die Gespräche mit den anderen Frauen im Aufwachraum bei der Eizellentnahme und dem Embryotransfer haben in mir das Bauchgefühl aufkeimen lassen, dass bei mir mehr im Argen liegt. Bevor ich diesem Bauchgefühl jedoch nachgehen konnte, kam Corona.

Während Corona ging natürlich erstmal nichts. So gar nichts. Kinderwunschbehandlungen sind natürlich keine lebenswichtigen Eingriffe, also wurde das KCM erstmal dicht gemacht. Trotzdem haben wir das beste aus der Situation gemacht und haben uns einen Termin beim Oberguru des Kinderwunschzentrums geben lassen – die Wartezeit auf einen Termin war gefühlt endlos, aber an einen Eingriff war zu dem Zeitpunkt ja sowieso nicht zu denken.

Also warteten wir.

Und das – Vorsicht Spoileralarm – hat sich sowas von gelohnt! Als wir Ende 2020 zwischen den Lockdowns bei Herr Prof. im Büro saßen und ich ihm mein Leid klagte, schaute er mich nur an und sagte: ‚Es ist gut, dass Sie da sind. Wir stellen Sie jetzt komplett auf den Kopf.‘ Blutgerinnungsfaktoren, Killerzellen, Gebärmuttermikrobiom, genetische Untersuchung von meinem Mann und mir – das volle Programm.

Die Ergebnisse waren verheerend: Mein Blut ist zu dick, meine Killerzellen zu aggressiv und in meiner Gebärmutter waren alle Bakterien drin, die man sich nur vorstellen kann – außer die, die da reingehören.

Und on top kommt, dass mein Mann und ich in einem winzigen Merkmal genetisch identisch sind.

Dieses Merkmal ist allerdings dafür zuständig, dass das mütterliche Immunsystem dem Embryo das Einnisten gewährt. Weil wir jedoch in diesem Merkmal identisch sind, hört mein Immunsystem den Embryo quasi nicht und somit kann es auch nicht zur Einnistung kommen. Ihr seht also, wir hatten einiges in meinem Körper aufzuräumen, bevor wir die nächste künstliche Befruchtung angehen konnten.

Diese fand Mitte 2021 statt. Die Hoffnung war groß, schließlich hatten wir meinen Körper nun bestmöglich auf eine Schwangerschaft vorbereitet. Doch zur Befruchtung kam es nicht. Von meinen acht entnommenen Eizellen ließ sich keine einzige befruchten. Mein wunderbarer Prof. war fast genauso geschockt wie wir. Er meinte, es könne schonmal vorkommen, das sei jedoch ziemlich selten.

Also musste ein neuer Plan her – schon wieder.

Zum Glück war dieser jedoch schnell gefunden. Versuch Nr 1 und Nr 2 waren In-vitro-Fertilisationen (IVF), bei denen Eizelle und Spermien quasi vermischt werden und das Spermium den Weg in die Eizelle selbst finden muss. Beim dritten Versuch stiegen wir also um auf Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), bei der das Spermium direkt in die Eizelle injiziert wird.

Und endlich, im November 2021, dachte ich, wir haben es geschafft. Ich hatte keine Blutung nach dem Embryotransfer. Meine Periode war überfällig. Und beim Bluttest im KCM kam heraus: wir haben einen HCG-Wert (das ist der Wert, der eine Schwangerschaft anzeigt). Aber – ja, es gibt auch hier wieder ein aber – er war zu niedrig. Ich setzte die Medikamente ab und die Blutung setzte ein.

Das waren wirkliche scheiß Weihnachten, das kann ich euch sagen.

Wir mussten entscheiden, wie wir weitermachen. Denn die Krankenkassen bezuschussen nur drei künstliche Befruchtungen pro Kind. Zu diesem Zeitpunkt war unser Geldbeutel schon sehr dünn. Wer jetzt denkt, ‚da gibt es doch Versicherungen und Förderungen‘, hat recht. Die haben wir auch alle in Anspruch genommen. Doch zur Zusatzversicherung für Heilpraktiker und Akupunktur gibt es Zuzahlungen.

Den Psychocoach, der mir geholfen hat (ja, auch das war ein Thema), mussten wir privat zahlen. Auch die Kosten für freiverkäufliche Produkte zum Zyklusmonitoring läppern sich (wir haben hier wirklich alles ausprobiert). Und der größte Anteil machten natürlich die künstlichen Befruchtungen selbst aus.

Die Krankenkassen bezuschussen 50 Prozent, jedoch nur von der IVF/ICSI selbst.

Meine Untersuchungen und die speziellen Medikamente, die bei mir nötig waren, mussten wir komplett aus eigener Tasche bezahlen. Da wir in Bayern wohnen, haben wir immerhin noch einen kleinen Zuschuss zur dritten künstlichen Befruchtung bekommen. In Anbetracht der Gesamtsumme war es nicht viel, trotzdem bin ich dankbar.

Jedenfalls standen wir da nun. Kein Kind und keine Aussicht auf finanzielle Förderungen. Aufgeben war für uns trotzdem keine Option. Irgendwie werden wir das schon stemmen, haben wir uns gesagt, und vereinbarten einen Termin für die nächste Runde im Kinderwunschzentrum.

Im Januar 2022 wurden mir also zum vierten Mal Eizellen entnommen.

Dieses Mal mit einer höheren Dosis Hormone im Vorfeld, damit mehr Eizellen reifen und somit mehr entnommen werden können. Ein Tipp unseres Arztes zum Kostensparen, falls Versuch vier wieder nicht klappt. Statt wie bisher 9-12 haben wir 23 Eizellen entnommen. Unser Sparplan ging also auf, stellte uns jedoch vor ein neues Problem: es bestand die Gefahr einer Überstimulation.

Hätten wir zu diesem Zeitpunkt eine befruchtete Eizelle in meine Gebärmutter gesetzt, wären meine Fortpflanzungsorgane vermutlich überfordert gewesen. Also wurde erstmal alles auf Eis gelegt. Und unseren Platz im Eizellen-Eisschrank mussten wir natürlich auch bezahlen. Ich habe dafür wirklich Verständnis, doch damals stellte ich mir bei jedem Gang zum Briefkasten nicht die Frage, OB eine Rechnung vom KCM drinliegt, sondern wie viele.

Das sollte jedoch bald darauf aufhören.

Im Februar 2022 fand mein vorerst letzter Embryotransfer statt. Ich weiß, es klingt kitschig, aber ich wusste sofort, dass ich schwanger bin. Doch um schwanger zu bleiben und meinen Fötus optimal zu versorgen, brauchte ich spezielle Medikamente. Die Rechnungen des Kinderwunschzentrums wurden von Rechnungen der Apotheke abgelöst.

Ich habe sie alle aufgehoben, ebenso wie die anderen Rechnungen, die sich im Laufe unserer Kinderwunschreise aufgetürmt haben. Und schließlich, als ich mir am Ende des Wochenbetts die letzte Spritze gesetzt habe, habe ich sie alle zusammengerechnet. 30.000 stand da auf dem Taschenrechner.

30.000 Euro hat uns der Weg zu unserer Tochter gekostet.

Also ja, Kinderkriegen ist teuer. Wie wir das Geld aufgetrieben haben, ist mir im Nachhinein ein Rätsel, doch ich bin froh, dass wir es geschafft haben. Denn die Momente, die ich erleben darf, seit ich im November 2022 Mama wurde, sind unbezahlbar.

Foto: Privat

Mehr wert als alles Geld der Welt. Foto: Privat


Liebe Dagmar, vielen Dank, dass wir deine Geschichte veröffentlichen durften. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

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Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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Mandy
Mandy
1 Monat zuvor

Man kann die Kosten bei der Steuererklärung geltend machen. 😉