Der Kleine Bruder war so heiß ersehnt. Und als er endlich da war, schien das Glück für meine damals 3,5-Jahre alte Tochter perfekt. Natürlich habe ich schon vor der Geburt ganz vorsichtig angedeutet, dass so ein Baby nicht nur süß und lieb ist. Trotzdem schlug die Geschwister-Realität mit voller Wucht in unserem Wohnzimmer ein: Dort, wo ich den ganzen Tag saß und stillte. Und scheinbar nie Zeit für das große Mädchen hatte. Sie lernte ein neues Gefühl kennen: Eifersucht.
Seit 18 Monaten bin ich nun Mama von zwei Kindern. Wir lieben uns alle sehr, in jede Richtung. Und es ist so unglaublich schön zu sehen, wie die beiden sich morgens im Bett in den Arm nehmen und kuscheln, die Große den Kleinen füttert oder er das gleiche bei ihr versucht, mit angesabberten Mandarinenstücken.
Aber es ist oft auch nicht so schön. Wenn einer denkt, dass die Liebe gerade ungleich verteilt wird, kommt die Eifersucht. Und mit ihr jedes Mal neue Herausforderungen für mich. Im Lauf der Zeit zeigten sich verschiedene Formen dieses so schmerzhaften Gefühls. Es geht nicht ohne, das weiß ich. Aber mit der Zeit lernte ich immer besser, mit den verschiedenen Eifersuchts-Formen umzugehen.
1. Zerstören, laut sein..
In den ersten zwei Monaten habe ich unglaublich viel gestillt. Das habe ich mit der Großen auch getan und genoss in dieser Zeit immer die Ruhe und das Glück mit Baby. Baby Nummer zwei stillte leider nicht mehr in der Stille. Denn die Große war lautstark sauer darüber, dass ich keine Zeit hatte, mit ihr zu toben. Sie nutzte es aus, dass ich mich kaum vom Platz bewegen konnte und zerstörte vor meinen Augen Dinge. Sie klaute sich die Fernseh-Fernbedienung und schaute fern, was nicht erlaubt war. Ich war verzweifelt und sauer. Denn das Baby fand das alles auch nicht sehr lustig und schrie meine Brust an.
Irgendwann ließ ich sie dann doch eine Kindersendung gucken. Und das Baby und ich lernten, dass man beim Stillen auch noch der großen Schwester vorlesen kann. Außerdem kauften wir zusammen ein Wutkissen: Eine Plüschwolke in die sie ihre Wut reinbrüllen und hauen durfte, so oft und doll, wie sie wollte. Das Zerstören gab sich von allein, als sie einmal ihre Lieblings-Tasse kaputt gemacht hatte. Das war dann wohl das heilende Ende dieser Phase.
2. Aggressivität
Ich fiel aus allen Wolken, als meine Große dem winzigen Baby eines Tages beim Stillen auf den Kopf schlug. Nicht sehr stark, aber schon so, dass der Zwerg sofort losbrüllte. Mit einem unsicheren Grinsen verdrückte sich die große Schwester. Und ich war völlig perplex. Was sollte das denn auf einmal? Sie kam gerade mit ihren Gefühlen ziemlich durcheinander, folgerte ich. Und war das nächste Mal vorbereitet. Als es fast wieder passierte, hielt ich ihre Hand sanft fest und verhinderte, dass sie zuschlug. Das machte sie natürlich noch wütender. Ich machte ihr klar, dass das nicht geht. Dass ich gut verstehe, dass sie wütend ist. Aber das Baby kann nichts dafür. Sobald ich konnte, musste Baby in die Wiege und die Große bekam eine ordentliche Anti-Aggressions-Kuscheleinheit. Noch heute hat sie ihre Kräfte nicht immer im Griff. Aber der Kleine wird robuster. Jetzt versuche ich zwei Kindern beizubringen, dass Hauen keine Lösung ist.
3. Zurück in alte Verhaltensmuster
Meine Tochter war schon lange tagsüber trocken, als ihr Bruder auf die Welt kam. Aber dann passierte es immer wieder, dass sie in die Hosen machte. Es dauerte länger als ein Jahr, bis sich das Problem wieder legte. Große Veränderungen haben eben manchmal sehr körperliche Auswirkungen. Meine Tochter litt nicht wirklich drunter, zog sich selbständig um und sagte immer, sie habe es nicht gemerkt. Wir machten kein großes Thema draus, sie war ja noch nicht mal Vorschulkind. Seit einigen Monaten trägt sie pro Tag nur noch eine Unterhose und nicht mehr drei. Die Sache hatte sich von allein erledigt.
Ebenfalls kein Thema ist für meinen Mann und mich, dass unsere Tochter nachts öfter zu uns ins Bett kommt. Sie schläft unglaublich tief und das schon seit dem sie sieben Monate alt ist. Nun braucht sie Nachts mehr Nähe und die bekommt sie. Allein mit einem von uns Großen. Der jeweils Andere teilt sich dann das Gästebett mit dem kleinen Bruder.
4. Plötzlich zwei Babys
Meine Tochter hatte ziemlich schnell gemerkt, dass das Baby für scheinbar belanglose Dinge viel mehr Aufmerksamkeit bekam, als sie. Also fing sie an, das Baby zu kopieren. Sie krabbelte (auch in der U-Bahn), sie spuckte ihr Essen aus (auch im Restaurant) und sie schrie mit, wenn er schrie (zum Glück nur zu Hause). Hier war der Wille nach Aufmerksamkeit mehr als offensichtlich. Je nach Situation musste ich anders damit umgehen.
In der U-Bahn krabbeln ist eklig, keine Frage. Aber man kann es mit Humor nehmen, sich das Riesen-Baby mit einem entsprechenden Kommentar schnappen und ihm, ganz babymäßig die Hände mit einem Feuchttuch sauber machen.
Wer sein Essen ausspuckt, ist offenbar satt. Der Teller kommt weg. Im Restaurant ans andere Ende des Tisches. Ach, doch noch Hunger? Dann musst du essen, wie Vierjährige. Problem meistens gelöst.
Schreierei nervt. Vor allem, weil das Baby meist mit Grund schreit und die Vierjährige nur deshalb, weil sie mitmachen will. Wenn sie nach Ermahnung nicht aufhörte, habe ich mit dem Baby den Raum verlassen, bis es ruhig war. Das war zwar erst einmal hart, musste aber sein, weil das Baby sich sonst nicht beruhigt hätte. Und es zeigte Wirkung. Ich bin sofort zurück und habe ihr erklärt, wie schlimm es für mich ist, wenn beide Kinder gleichzeitig schreien. Sie darf gerne auch mal schreien, aber lieber draußen. So toll fand sie die Idee wohl aber auch nicht. Jedenfalls hörte das Schrei-Duo ziemlich schnell wieder auf.
5. Was der andere hat…
Und das ist nun der Punkt, der beide Kinder betrifft. Ist das eine auf dem Arm (meist ja das kleinere von beiden), will das andere auch. Bei uns hat das teilweise skurrile Auswüchse angenommen: Am Ende des Zoo-Besuches wollte die Große einmal unbedingt im Kinderwagen sitzen. Sie war müde und wir ließen sie. Der Kleine durfte dafür auf Papas Schultern nach Hause gehen.
Umgekehrt geht es sehr oft um Spielsachen und oft ums essen. Ich dachte, Kinder mit einem Altersabstand von 3,5 Jahren haben durchaus unterschiedliche Fähigkeiten und Bedürfnisse. Meine nicht. Mehr.
Während Kind 1 vor dem zweiten Geburtstag so gut wie nie Süßigkeiten bekam, hat Kind 2 eigentlich schon alles mindestens einmal probiert, was Vierjährige zu Weihnachten/Ostern/zwischendrin so naschen. Dafür isst Kind 1 nun auch gerne mal ein Gläschen pürierten Apfel mit Banane und Getreideflocken. Natürlich mit dem entsprechendem Breilöffel.
Kind 2 ist fasziniert von Lego: Dem richtigen wohlgemerkt. Er kann minutenlang kleinste Kleinstteile aufeinander stecken oder es zumindest versuchen. Dafür entdeckt Kind 1 jetzt sein altes Duplo wieder und baut riesige Häuser draus. Die dann von Kind 2 leider wieder eingerissen werden und der Spaß dann meistens vorbei ist.
So lange sich keiner in Gefahr bringt (Papier mit der Schere schneiden darf Kind 2 zum Beispiel noch nicht), lasse ich beide die Welt des anderen erkunden. Wird schon schief gehen.