Ich: „Hast du dir deine Hände gewaschen?“ Meine Tochter, mit den Händen hinterm Rücken verschränkt: „Klaaaar!“
Ich: „Huch? Hast du dir gerade meinen letzten Keks geschnappt?“ Meine Tochter, mit verdächtigen Krümeln am Mundwinkel: „Nöööööö!“
Irgendwann passiert es: Unsere Kinder schwindeln uns an.
Und egal, um welche Lappalie sich die kleine Flunkerei auch drehen mag – es fühlt sich einfach nicht gut an. Oder? Ich hab zumindest ein ganz komisches Bauchgefühl bekommen und war soooooo kurz davor, an den Händen meiner Tochter zu riechen, nur, um dann sagen zu können: „Ha! Die duften ja aber gar nicht nach Seife!“
Doch zum Glück erinnerte ich mich dann noch rechtzeitig daran, dass das ein typischer „Move“ einer Erzieherin aus der Kita war, die ich nicht besonders gut leiden konnte. Und ließ es sein.
Trotzdem beschäftigte mich die kleine Lüge meiner Tochter – war es nicht ein erstes Warnsignal?
Herrschte nicht an sich ein absolutes Vertrauensverhältnis zwischen uns? Würde sie mir schon bald Größeres verheimlichen und mir „rotzfrech“ wegen allem eiskalt ins Gesicht lügen? Schule? Jungs? Partys? Alkohol? Drogen????
Nun, mal ganz davon abgesehen, dass ich ganz offensichtlich zum Drama neige…. Wird das natürlich nicht der Fall sein. (Also, hoffentlich.) Denn zuerst einmal ist es einfach ganz normal, dass Kinder flunkern. Laut einer Studie von Dr. Kang Lee, einem Psychologieprofessor an der University of Toronto, beginnen unsere lieben Kleinen schon sehr früh ihre Karriere als Lügenbarone und -baronessen. Ganze 30 Prozent der 2-Jährigen versuchen es einmal. Im Alter von 3 Jahren versucht es etwa schon die Hälfte, und zwar ganz regelmäßig. Im Alter von 4 Jahren steigt diese Zahl auf 80 Prozent.
Und wenn sie 5 bis 7 Jahre alt sind, lügen die kleinen Racker fast alle.
Dr. Lee treibt es sogar noch doller: Er sagt, dass jüngere Kinder, die schon ein wenig öfter an der Wahrheit drehen, einen kognitiven Vorteil gegenüber ihren Altersgenossen haben. Sprich: Sie zeigen eine überdurchschnittliche soziale Kompetenz, super Kommunikationsfähigkeiten und ein großes Einfühlungsvermögen. Denn: „Zum Lügen braucht man zwei Zutaten. Kinder müssen verstehen, was im Kopf eines anderen vorgeht – also wissen, was die anderen wissen und was nicht,“ wird Dr. Lee z.B. von Parents zitiert. Wer das besser kann, kann auch besser lügen. Außerdem müssen kleine Lügenbolde die Fähigkeit haben, vorausschauend zu planen und so unerwünschte Handlungen einzudämmen.
Diese beiden Fähigkeiten sind nicht „verschlagen“ oder „bedenklich“, sondern etwas richtig Gutes!
Denn wie die Studie gezeigt hat, sind Kinder, bei denen diese Fähigkeiten ausgeprägt sind später häufig besser in der Schule und haben es auch im Umgang mit anderen Kindern einfacher.
Dr. Lee sagte gegenüber dem Wall Street Journal: „Das erste Mal, dass Ihr Kind eine Lüge erzählt, ist kein Anlass zur Beunruhigung, sondern ein Anlass zum Feiern!“
Ob ich das nun genauso unterschreiben würde, weiß ich nicht. Aber beruhigend ist es doch schon ein wenig, dass (fast) alle Kinder mal schwindeln und das rein gar nichts damit zu tun hat, wie sie es künftig mit der Wahrheit halten werden, oder?
Ach, bleibt natürlich noch die Frage, wie man mit den kleinen Lügnern umgeht, wenn man sie ertappt.
Experten raten, sich das schimpfen und drohen tunlichst zu verkneifen. Besser ist es, mit seinem Kind zu sprechen: Warum hat es denn gelogen? Hat es Angst vor einer Strafe, weil es beispielsweise beim Spielen etwas kaputt gemacht hat? Wollte es vor seiner kleinen Freundin „cooler“ dastehen? Oder war in diesem Moment das neue Buch einfach so verlockend, dass die Handwäsche sich wie vertane Zeit angefühlt hätte?
Wir müssen dann erklären, warum Ehrlichkeit wichtig und meistens der bessere Weg ist. So wird unser Kind nach und nach unsere Moralvorstellungen erkennen und verstehen.
Und mit großer Wahrscheinlichkeit eine richtig ehrliche Haut werden.
Wenn ich früher gelogen habe gab es ordentlich den Hintern voll!