Der verzweifelte Kampf einer Mutter um Taylor-Swift-Tickets

Was grad beim Kampf um Taylor-Swift-Tickets abgeht, ist einfach nur unglaublich: Hackerangriffe auf die Ticketbörsen, teil-legale Privatangebote zu horrenden Summen, und die begehrten Fansale-Tickets sind, egal wie teuer, immer nach Sekunden weg.

Noch unglaublicher: Ich mische in diesem Wahnsinn auch noch mit!

Hätte mir vor Monaten irgendwer gesagt, was ich alles anstellen würde, um zwei der begehrten Plätze für eins ihrer Hamburg-Konzerte zu ergattern, ich hätte demjenigen nen Vogel gezeigt. Aber hier sind wir nun, und mein Wecker hat heute Nacht um drei geklingelt, um mich dazu zu bringen, im Halbschlaf auf der offiziellen Fansale-Seite nach Angeboten zu scrollen. So weit ist es mit mir gekommen.

Aber von vorne: Was tut man nicht alles für das Töchterlein!

Ich finde, wenn es jemand verdient hat, auf den letzten Drücker noch auf eins der Konzerte gehen zu dürfen, dann ist das meine Tochter (15). Sie hat sich im zweiten Halbjahr ihrer 9. Klasse mit einer ernstzunehmenden Erkrankung inklusive Krankenhausaufenthalt und wochenlangem Fehlen in der Schule tapfer wieder ans Tageslicht gekämpft und am Ende trotz aller Hindernisse ein super Zeugnis abgeliefert, das mich sprachlos macht.

Meinetwegen hätte sie auch alle Fünfe gerade sein lassen, Hauptsache endlich wieder gesund! Aber nein, sie hat sich durchgebissen und kann unfassbar stolz auf sich sein. Und ich würde ihr deshalb so gerne einen Schuljahresabschluss bescheren, an den sie sich noch ein paar Jährchen erinnert.

Also habe ich mir in den Kopf gesetzt, mit ihr bei Taylor Swift ordentlich zu feiern.

Leider muss ich sagen, wir hatten mit den Tickets von Beginn an Pech: Schon Monate vor dem Vorverkaufsstart letztes Jahr hatte ich mich auf Verdacht für den Ticket-Alarm registriert und einen eigenen Vorverkaufs-Zugangscode erhalten. Aber als es dann soweit war, hing ich in der Warteschleife fest,  und dann stürzte das System ab. Als ich wieder etwas sehen konnte, war alles weg. Doch so schnell wollte ich nicht aufgeben.

Was ich in den letzten Monaten alles angestellt habe:

  • Seit Wochen bin ich in sämtlichen Facebook-Regionalgruppen unterwegs und halte die Augen offen nach Angeboten. Ich schreibe alle Leute an, die Tickets abgeben wollen, aber alle verlangen wirklich astronomische Summen dafür, was ja auch nicht legal ist.
  • Ich hatte fast einen Herzkasper, als vor ein paar Tagen die Mail vom offiziellen Ticketanbieter kam, es seien neue Kontingente freigegeben worden. Nachdem sie in meinem Maileingang eintrudelte, sah ich sie direkt und habe ungelogen höchstens drei Millisekunden gebraucht, um draufzuklicken – UND WAR TROTZDEM ZU SPÄT. Dann ist die gesamte Seite abgestürzt, und einen Tag später las ich was vom massiven Hacker-Angriff, der da wohl stattgefunden hatte.
  • Ich bin inzwischen bei allen erdenklichen Gewinnspielen registriert, bei denen man seine Daten an den Teufel verkaufen musste, um an Tickets zu kommen – und damit meine ich unter anderem das Gewinnspiel einer Boulevardzeitung, für die ich ein Abo abschließen musste, um VIP-Karten zu gewinnen. Kann gar nicht sagen, wie sehr mir das prinzipiell gegen den Strich gegangen ist.
  • Um ein Haar hätte ich die Tochter und mich für Jobs als Wurstpromoterinnen im Stadion registriert, kein Scherz.
  • Und ich hätte heute fast versehentlich meine Beziehung riskiert, aber dazu gleich mehr.

Inzwischen steht mein Handy schon nicht mehr still.

Es piepst entweder, weil ich im Minutentakt eine von tausenden neuen Newslettermails bekomme, die ich für die Gewinnspiele in Kauf genommen habe, die mich aber so null interessieren. Oder, weil mir irgendwer schreibt, wo es noch Tickets zu ergattern gibt, was dann aber natürlich immer schon zu spät ist.

Mein Daumen ist Dauergast auf der Seite des offiziellen Fansales – ich hab schon Hornhaut oben an der Fingerkuppe vom vielen Reloaden der Seite. Immer wieder sind Tickets frei, teils einzelne und zu absoluten Mondpreisen natürlich, aber selbst die sind nach einer einzigen Sekunde schon im Warenkorb von irgendwem anders gelandet und dann natürlich weg. Trotzdem bleibe ich natürlich am Ball.

Irgendjemand sagte schließlich zu mir:  „Du musst nachts gucken! Du glaubst ja nicht, wie viele Leute zu völlig bekloppten Zeiten auf die Idee kommen, ihre Tickets zu verscherbeln“.

Gesagt, getan, Wecker also heute Nacht auf 3 Uhr gestellt, Handy her, Browser an, Fansale-Seite gereloadet – und tatsächlich!!!

Im Halbschlaf sahen meine müden Augen gestern Nacht: 1 Ticket – für 349 Euro. Okay, auch nicht gerade ein Schnäpper, aber meine Schmerzgrenze ist eh schon längst bei allem überschritten.

Trotzdem bin ich aufgrund dieser astronomischen Höhe eine Zehntelmillisekunde zu lange in mich gegangen –  und wieder zu spät.

Da lag das vermutlich vergoldete Ticket schon längst wieder im Warenkorb einer anderen Irren, die nachts um drei Konzerttickets für ihre Tochter kauft.

Gestern war ich gerade mit dem Auto im Hamburger Süden unterwegs, da kommt eine Whatsapp-Nachricht von meiner Kollegin Wiebke, einer absoluten Profi-Konzertgängerin, die in Sachen Tickets-ergattern mit wahrlich allen Wassern gewaschen ist:

„Jetzt, Ilona, JETZT!“,

schrieb sie nur, und ich wusste direkt, was los war:

Ich mit quietschenden Reifen und Warnblinker rechts ran, Reload der Fansale-Seite, Klick aufs Angebot – und wieder zu spät.  Um ein Haar wäre also

„Mutter sorgt mitten auf der B73 am helllichten Tag wegen Taylor Swift für Massenkarambolage“

zur Headline dieses Artikels geworden, für nichts und wieder nichts. Ich bin einfach immer zu langsam.  Jetzt gerade eben hätte ich noch welche für Gelsenkirchen heute Abend ergattern können. Sogar zu einem akzeptablen Preis! Ich war drauf und dran, das einzutüten, mir das Kind zu schnappen und heute früher Feierabend zu machen, um rechtzeitig nach Schalke zu kommen.

Zum Glück fiel mir noch rechtzeitig wieder ein, dass mein Freund heute Geburtstag hat und wahrscheinlich nur so semi begeistert wäre, ohne meine Tochter und mich alleine mit meiner Mutter (!) essen zu gehen. By the way:

Happy Birthday, Hase, wenn du das liest – ich liebe dich sehr und habe natürlich nicht ernsthaft über diese Variante nachgedacht, ähäm. 

Aber wir haben noch einen Plan B.

Wenn wirklich gar nichts mehr geht, schnappen wir uns halt Dienstag oder Mittwoch eine Picknickdecke und setzen uns neben das Stadion in den Volkspark. Wenn Taylor Swift anderswo ganze Erdbeben ausgelöst hat, wird man wohl nebenan im Park wenigstens noch in einen guten Hörgenuss kommen.

So lautete jedenfalls mein Plan. Als ich ihn der Tochter unterbreitete, war sie nicht ganz so enthusiastisch wie ich. Vorsichtig erzählte sie mir, dezent mit dem Zaunpfahl winkend, sie hätte sich schon mit ihren Freundinnen dazu verabredet, und die nähmen ihre Mütter auch nicht mit.

Heißt: Ich wurde ausgebootet. Nach allen Anstrengungen, die ich hier unternommen habe.

Jetzt ist die Versuchung groß – im Falle eines sehr unwahrscheinlichen Falles, dass ich doch noch irgendwie an Tickets komme – zu antworten: Ich gehe mit Wiebke, und die nimmt ihre Tochter auch nicht mit. Aber das bekäme ich vermutlich nicht übers Herz. Doch warten wir’s ab.

Und während ich verzweifelt weiter versuche an Tickets zu kommen, hat sich meine Kollegin übrigens dieser Frage gewidmet: Mit Kindern zum Taylor Swift-Konzert – Gute oder schlechte Idee?

Ilona Utzig

Ich bin Rheinländerin, lebe aber seit vielen Jahren im Hamburger Exil. Mit meiner Tochter wage ich gerade spannende Expeditionen ins Teenager-Reich, immer mit ausreichend Humor im Gepäck. Wenn mein Geduldsfaden doch mal reißt, halte ich mich am liebsten in Küstennähe auf, je weiter nördlich, desto besser.

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