„Du bist die Beste, Mama“ – Endlich glaube ich das meinem Kind (manchmal)

Während meiner Schwangerschaft hatte ich wunderschöne Bilder in meinem Kopf: Ich sah meinem Mann und mich mit einem blondgelockten Engelswesen händchenhaltend über Blumenwiesen schlendern. Völlig zenmäßig bereite ich Pfannkuchen zu, presse frischen O-Saft und knuddele meine zauberhafte Tochter dauerverliebt ab… Und dann kam unser Kind tatsächlich auf die Welt.

Fantasie vs. Realität = ein hartes Erwachen

Es war ein Junge. Und er war dunkelhaarig — Schock! Nein, Scherz am Rande, das war natürlich nicht das Problem. Sobald ich ihn in den Armen hielt, habe ich alle Vorstellungen von meinem Kind vergessen. Es hätte kein anderes als genau dieses sein dürfen.

Was mich wirklich hart traf, war, dass ich selbst so gar nicht die Mutter wurde, die ich mir ausgemalt hatte. In der Anfangszeit war ich so oft ein launisches, übermüdetes Wrack, dass ich bloß erschöpft mit den Augen gerollt habe, wenn jemand meinte: „Genieß die Phase, sie ist so kurz.“ Leider fehlten mir in dieser Zeit der Abstand und die mentalen Ressourcen, um zu erkennen, wie recht derjenige hatte.

Auch als unser Sohn größer wurde, habe ich immer wieder gegen meine guten Vorsätze verstoßen. Wenn ich richtig kaputt war, habe ich (zu) laut mit ihm geschimpft, wenn er nicht hörte. Ich habe ihn erpresst („Wenn du dich nicht sofort ganz schnell anziehst, schaffen wir es heute nicht mehr auf den Spielplatz“), ihn aus Bequemlichkeit angelogen („Der Eisladen ist schon zu“) und auch mal drei Folgen einer Serie schauen lassen, um in der Zeit auf meinem Handy zu surfen. Danach habe ich mich jedes Mal richtig mies gefühlt.

Wie ein entscheidender Satz meines Sohnes mir geholfen hat

Ausgerechnet, als ich mal wieder so richtig unzufrieden mit mir war, kam mein Sohn zu mir und kuschelte sich fest an mich. „Ich hab‘ dich so lieb. Du bist die Beste. Danke.“ „Wieso das denn?“, habe ich gerührt und etwas beschämt in sein Haar gemurmelt. „Du hast Skipper wiedergefunden.“ „Ja“, antwortete ich grinsend, „der hatte sich tief unterm Sofa versteckt.“ Eine halbe Ewigkeit hatte ich nach dem heiß vermissten Plüschtier gesucht. Nachdem ich es gefunden hatte, habe ich es auf das Bett unseres Sohnes gesetzt, damit er es gleich sieht.

Das reicht, um „die Beste“ zu sein? Plötzlich sah ich mich mit anderen Augen: Es stimmte, ich war die beste Mama, die er jemals bekommen würde. Doch diesmal setzte mich dieses Wissen nicht unter Druck, weil mein Blickwinkel sich verändert hatte. Jetzt fiel mir ein, wie ich todmüde auch noch ein drittes Kapitel vorlese, wenn es doch gerade so spannend ist. Wie oft ich, als eigentlich ungeduldiger Typ, die Geduld bewahre – selbst, wenn er schon so lange das Gegenteil von dem tut, worum ich ihn gebeten habe. Ich tröste ihn, wenn er traurig ist und lache mit ihm, wenn er sich freut. Ich weiß, was ihm Angst macht, und wovon er träumt. Ich höre ihm meistens aufmerksam zu und nehme verdammt ernst, was er zu sagen hat.

Und an manchen Tagen, wenn ich ihn aus der KiTa abhole, wummert mein Herz regelrecht vor Vorfreude auf den kleinen Mann, als sei ich frisch verliebt. Manchmal bin ich davon so überwältig, dass ich spontan etwas „Verrücktes“ mit ihm mache. Dann bereiten wir etwa einen schnellen Nudelsalat zu und essen den zum Beispiel als Forscher im Wurfzelt auf der Wiese.  Auch wenn ich weiß, wieviel Liegengebliebenes dann am Abend auf mich wartet.

Ich versuche, mein Bestes zu geben – und das ist gut genug

Ich versuche, weniger Zeit mit Selbstvorwürfen zu verschwenden. Wenn ich mich nicht gut fühle, nehme ich mir stattdessen lieber ganz bewusst eine Auszeit für mich, statt etwas erzwingen zu wollen. Danach habe ich viel mehr positive Energie für meine Familie. Ich lerne, meine Erwartungen an mich selbst als Mutter und überhaupt herunterzuschrauben. Wenn es mir gelingt, dass ich die Dinge einfach mal geschehen lasse, entstehen oft die schönsten Momente.

Manchmal schaue ich dann wie von außen auf die „unzulängliche“ Frau, die da gerade mit ihrer Familie über das umgefallene Milchglas scherzt und lacht, statt fluchend aufzuspringen. Auf die Frau, für die es eine ernsthafte Mission ist, ein verlorenes Kuscheltier zu retten. Auf diejenige, die sich jeden Tag bemüht, ihrem Kind Halt zu geben, ohne ihm die Flügel zu stutzen. Und immer häufiger gelingt es dieser Frau, die „perfekte“ Mutter aus meinen früheren Vorstellungen wegzuschubsen, ihr die Zunge rauszustrecken und zu rufen. „Hey, eigentlich bin ich viel cooler als du.“

An all die tollen Mütter da draußen, die sich viel zu oft mit ähnlichen Ängsten und Sorgen plagen: Es stimmt, du bist die beste Mama, die dein Kind jemals haben wird. Es ist an der Zeit, dass du sie ähnlich schätzt, wie es dein Kind schon tut.

Jana Stieler

Ich lebe mit Mann und Sohn im Süden Hamburgs – am Rande der Harburger "Berge" (Süddeutsche mal kurz weghören: Der höchste Punkt misst immerhin sagenhafte 155 Meter ü. M.). Wenn ich nicht gerade einen Text verfasse, liebe ich Outdoor-Abenteuer mit meiner Familie, lange Buch-Badewannen-Sessions mit mir allein und abendliches Serien-Binge-Watching.

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