Als ich neulich die Dokumentation „Embrace“ zum ersten mal sah, war ich zu Tränen gerührt. Der Film von und über die sympathische Australierin Taryn Brumfitt will Bewusstsein dafür schaffen, wie sehr unser Bild vom eigenen Äußeren von den Medien geprägt und beeinflusst wird, ohne dass wir es merken. Das gilt oftmals natürlich besonders für unseren Körper nach der Geburt, wenn wir eh an unserem Äußeren zweifeln.
Fotografin und Dreifachmama Brumfitt hat selbst lange gekämpft, bis sie mit sich und ihrem Körper ins Reine kam. Nach dem dritten Kind nahm sie sogar die Strapazen eines Bodybuilder Trainings auf sich, nur um sich wieder schön zu fühlen. Doch als sie bei einem Wettbewerb durchtrainiert neben den anderen Teilnehmerinnen auf der Bühne stand, fühlte sie sich trotzdem nicht glücklich.
Das war der Wendepunkt für sie und sie beschloss aufzuhören, sich für ein Idealbild zu quälen, das gar nicht ihrer Persönlichkeit entsprach. Kurz danach postete sie ihr berühmtes Vorher-Nachher-Foto auf Facebook, das Frauen auf der ganzen Welt bewegte:
Sie bekam daraufhin so viele Zuschriften und beschloss, sich auf die Reise zu machen, und einige dieser Frauen persönlich zu treffen. Dabei entstand die wirklich sehenswerte Dokumentation „Embrace“, was auf Deutsch übrigens “Umarmung“ bedeutet. Ihre simple und doch so wichtige Botschaft: „Liebe deinen Körper wie er ist, Du hast nur den einen!“
Wohl nahezu jede Mutter setzt sich intensiv mit ihrem Körper nach der Geburt auseinander. Da sind plötzlich Dehnungsstreifen und überschüssige Haut am Bauch. Hier und da Extrakilos, die vorher nicht da waren. Dazu schlaffe Brüste, die zwar in der Stillzeit eine Meisterleistung vollbracht haben, jetzt aber irgendwie traurig aussehen. Und auch die schlaflosen Nächte hinterlassen Spuren. Der Alterungsprozess scheint für viele nach der Geburt plötzlich einen Sprung von zehn Jahren gemacht zu haben.
Nach der Geburt meiner Tochter mochte ich meinen Körper kaum noch.
Ich selbst habe die körperlichen Veränderungen nach der Geburt meiner Tochter als sehr belastend empfunden. Nie mehr würde ich so aussehen wie vorher. Diese Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper hatte sich sogar schon in den Jahren vor meiner Schwangerschaft heimlich in mein Leben geschlichen. Ich hatte damals, im Vergleich zu den Jahren als Single, ordentlich zugelegt, vermutlich weil mich die (sehr glückliche) Beziehung mit meinem Mann ein wenig träge hatte werden lassen.
Wir genossen damals romantische Abendessen und zogen Fernsehabende mit Snacks dem Besuch im Fitnessstudio vor. Wir ließen es uns also einfach gut gehen und genossen die gemütliche Zweisamkeit. Doch das berühmte Hüftgold setzte dadurch natürlich unweigerlich an.
Zugegeben, nicht gerade eine Überraschung. Dass eine Beziehung dick machen kann, wurde inzwischen sogar von einer australischen Studie belegt. Menschen in einer Beziehung wiegen demnach durchschnittlich knapp sechs Kilogramm mehr als Singles. Und die Gewichtszunahme ist dynamisch: Sie nehmen jährlich im Schnitt knapp zwei Kilogramm weiter zu.
Damals bekam ist das mit einer konsequenten Ernährungsumstellung und etwas mehr Disziplin beim Sport wieder ganz gut in den Griff – aber mein Körper nach der Geburt meiner Tochter ließ sich nicht so leicht „wieder herstellen“. Dafür waren die Veränderungen diesmal zu gravierend.
Ich musste mich entscheiden: Folge ich dem Ideal oder schaffe ich ein eigenes?
Ich stand vor einem Scheideweg: Sollte ich mich jetzt noch mehr disziplinieren, vielleicht sogar irgendwann einen kleinen chirurgischen Eingriff machen lassen? Oder sollte ich meinen Körper nach der Geburt bewusst annehmen wie er nun eben war, ihn „umarmen“, wie Brumfitt es im Film vorlebt? Ich entschied mich für letzteres und beschloss, mich nicht mit irgendwelchen Fitnessidealen verrückt zu machen.
Stattdessen konzentrierte ich mit auf das kleine Bündel Glück, das mein Körper geschaffen hatte. Und das tue ich heute, fast fünf Jahre später, immer noch. Denn meine Tochter ist mir wichtiger, als dem Körper meines 20-Jährigen Ichs nachzuweinen. In meinen Augen hat das nichts mit „sich gehen lassen“ oder „den bequemen Weg wählen“ zu tun. Nein, ich tue das ganz bewusst, denn ich möchte nicht, dass mein kleines, perfektes Mädchen eine Mutter zum Vorbild hat, die davon besessen ist, einem Körperideal hinterher zu hecheln.
Stattdessen möchte ich ihr vorleben, dass es so viel Wichtigeres gibt als Schönheit und Makellosigkeit. Klar, gesunde Ernährung und Bewegung sind wichtig und tun gut. Aber eben nicht mit der Motivation, einen schönen Körper zu haben. Vielmehr geht es doch darum, den Körper gesund zu halten, um im Leben tolle Dinge machen zu können. Dinge, die einen glücklich machen und im besten Fall auch anderen nützen.
Witzigerweise habe ich festgestellt, dass ich kaum noch Gewichtsschwankungen habe, seit ich nicht mehr so viel über mein Äußeres nachdenke und mich so angenommen habe, wie ich nun eben aussehe: Wie eine zufriedene Mama mit weichem Bauch, flachen Brüsten und ein paar Glückspfunden hier und da.
Übrigens ist auch das ist kein Zufall. Eine andere Studie konnte kürzlich nämlich nachweisen, dass Menschen, die mit ihrem Gewicht unzufrieden sind und sich dick fühlen, zwar eher dazu tendieren, eine Diät zu machen. Doch dieser Antrieb endet meist in gestörtem, unregelmäßigem Essverhalten und führt dadurch auf die lange Sicht zu noch mehr Übergewicht.
Es ist also für Körper und Geist viel gesünder, so wenig wie möglich über all diesen Körperwahnsinn nachzudenken. So kam es übrigens auch, dass ich ganz unbewusst Ernährungsgewohnheiten meiner Tochter angenommen habe, die einfach nach einem Glas Wasser fragt, wenn sie Durst hat, oder nach Apfelstückchen, einer Karotte oder einem Butterbrot, wenn sie Hunger hat. Wo ich früher Schokokekse gegessen hätte, teile ich heute mit meiner Tochter einen Apfel, ganz ohne dabei an eine Diät zu denken.
Ich wünsche allen Mamas, die mit ihrem Körper nach der Geburt unzufrieden sind und sich von all den perfekten, (chirurgisch gestrafften) Körpern in den Medien verunsichert fühlen, dass sie einfach loslassen können. Dass sie sich nicht trotz Kind, sondern wegen ihres Kindes in ihrem Körper wohlfühlen lernen. Und dass sie so Vorbild für eine neue Generation von Mädchen und Jungen werden, die dem unerreichbaren Idealbild in Werbung & Co. einfach abschwören können.
Weil sie von ihrer Mama gelernt haben, dass es einfach wichtigeres gibt auf der Welt.