„Ein Kind in der Kita belästigte unsere Tochter – das raten wir anderen Eltern!”

Sinas* Tochter wurde in der Kita massiv von einem anderen Kind geärgert und belästigt. Die Eltern legten sich daraufhin mit der Kitaleitung an. Ihre Tipps und Erfahrungen möchten sie nun mit anderen Eltern teilen, die in einer ähnlichen Situation stecken.

„Meine Tochter, gerade fünf Jahre alt geworden, wurde schon seit Längerem von einem sechsjährigen Jungen im Kindergarten geärgert. Es ging um ständiges Hauen, Schubsen, Zwicken ohne Grund, z.B. beim Vorbeigehen, wenn sie mit Freunden spielt. Er hat sie aber auch schon des Öfteren am Po angefasst, was sie nicht wollte.

Ein erstes Gespräch fand vor etwa 1,5 Jahren statt wegen des Anfassens, ein zweites Gespräch im vergangenen Herbst wegen dem ständigen Hauens. Sie sagt auch ganz klar, dass sie nicht mehr in den Kindergarten will, weil er sie eben immer haut und ihr wehtut.

Nun ist es eskaliert.

Er hat sie mit dem Fuß in den Bauch getreten und sie umgeschubst. Als sie dann am Boden lag, hat er ihr die Füße auseinandergerissen, und gemeint, er würde ihre ‚Mumu‘ sehen wollen. Sie hat daraufhin super reagiert, ihre Beine schnell zusammengemacht und mit der Hand den Intimbereich abgedeckt, dabei auch laut und klar gesagt, dass er ihr weh tut und weggehen soll. Sie waren dabei unbeobachtet, da sie gerade aus dem Garten kamen.

Wir, mein Mann und ich, haben am nächsten Morgen das Gespräch mit der Gruppenleitung gesucht.  Ein Gespräch mit der Einrichtungsleitung war erst in der darauffolgenden Woche möglich. Ich war fertig mit den Nerven. Meine Tochter sagte danach ganz klar, dass sie nicht mehr in den Kindergarten möchte, weil es ihr dort nicht gefällt.

Wir haben seitdem auch einige Probleme in den letzten Wochen beobachtet.

Sie schläft wieder bei uns im Bett, braucht nachts wieder eine Windel, kotet und nässt ein, sie hat Alpträume. Sie ist seitdem zuhause.

Es dauert noch sieben Monate, bis der Junge in die Schule kommt. Wie weit geht er bis dahin noch? Ich fühlte mich so hilflos, ohnmächtig und alleine mit dem Schmerz und der Angst um meine Tochter.

Das Gespräch verlief leider wie erwartet.

Es wurde alles relativiert, bis es am Schluss hieß, dass das Hämatom am Bauch von was anderem kommen könnte und man wolle ja nicht behaupten, dass unsere Tochter lügen würde, aber sie wären sicher, dass das nicht passiert wäre. Das Schutzkonzept wurde gänzlich ignoriert im Gespräch, auch der Träger wurde nicht informiert.

Uns Eltern wurde dann ans Herz gelegt, die Füße still zu halten, damit auf den Kindergarten und den armen Jungen kein schlechtes Licht fällt. Es habe niemand was gesehen, daher sei es auch nicht passiert. Und vielleicht läge es ja nur an mir, dass unsere Tochter Verhaltensauffälligkeiten zeigt.

Ich würde nur meine Anspannung und Ängste auf sie übertragen.

Am Tag darauf hatten wir dann nochmal ein Gespräch mit der Einrichtungsleitung und dem Gruppenpersonal unserer Tochter. Da wurde uns durch die Blume mit der Kündigung des Platzes gedroht, wenn wir weitere Schritte einleiten würden. Auch die Verhaltensauffälligkeiten zuhause wurden vom Kindergarten als unwahr bzw. unmöglich dargestellt. Sie wäre ja jetzt (nachdem sie sechs Tage zuhause war) ganz normal – sprich: in sich gekehrt, angepasst.

Am selben Tag fand dann ohne uns mittags ein Gespräch mit dem Elternbeirat statt. Da wurde dem Elternbeirat mitgeteilt, dass es eine Auseinandersetzung gegeben hätte, die sich aber als unwahr herausgestellt hätte und sie dies auch genauso weitersagen sollen, falls sie jemand darauf anspricht.

Dabei ist meine Tochter nicht das einzige Kind, das unter dem Jungen leidet.

Letztlich war die Message an uns: Mund halten, sonst gibt’s Konsequenzen für uns. Einmal die Woche gibt’s jetzt ein festes Gespräch mit uns und dem Gruppenleiter, ansonsten werden die zwei Kinder beobachtet. Die Verletzung am Bauch wurde unter Protest ins Verbandsbuch des Kindergartens aufgenommen.

Wir haben nun anonym Meldung ans Jugendamt gemacht, zudem werden wir anonym Meldung an die Kindergarten-Aufsicht machen! Da wir auf den Platz angewiesen sind, beide Vollzeit berufstätig sind, sind uns bei manchen Schritten leider die Hände gebunden. Aber wir möchten unserer Tochter nicht das Gefühl geben, sie würde bestraft werden für ihre Ehrlichkeit.

Ich bin einfach völlig durch mit den Nerven.

Wir versuchen, unsere Tochter positiv zu bestärken, sind seitdem alles ganz entspannt angegangen und haben versucht, ihr einen normalen Alltag zu ermöglichen, ohne auf dem Thema rumzureiten. Sie wirkte dann auch wieder deutlich entspannter im Vergleich zu den Tagen direkt nach dem letzten Vorfall. Beim Arzt waren wir wegen des Tritts, da war zum Glück alles unauffällig.

Unsere Empfehlung für andere Eltern:

Wenn es Probleme gibt, sprecht sie penetrant und immer und immer wieder an. Uns wurde nämlich vorgeworfen, dass wir bei den anderen, kleineren Vorfällen nicht immer das Gespräch gesucht hätten. Den Fehler würden wir kein zweites Mal machen, es nicht konsequenter angesprochen zu haben.

Lest Bücher mit den Kids über sexuelle Aufklärung im Sinne von ‚Mein Körper gehört mir‘. Da gibt es viele Bücher, in denen kindgerecht erklärt wird: Was sind gute/ schlechte Geheimnisse und wann sie wie ‚ Nein‘ sagen dürfen und sollten. Fangt schon im Babyalter an, die Grenzen der Kinder zu akzeptieren. Sie wollen den Opa nicht umarmen? Sie wollen gerade nicht mit jemandem spielen? Sie wollen nicht geküsst werden? Sie sagen beim Spielen/Rumtoben ‚Stopp‘?

Akzeptiert ihre Grenzen und kommuniziert das auch gegenüber Dritten.

Bestärkt eure Kinder, gerade die schüchternen, sich ans Personal zu wenden, aus der Situation zu gehen, Freunde zu holen. Nehmt sie ernst, ohne ihnen Angst zu machen. Lasst die Kinder Selbstverteidigung lernen.

Drängt sie nicht zum Gespräch, überfordert sie nicht. Wir haben mit unserer Tochter wieder das Gespräch aufgenommen, wenn sie die Tage darauf von sich aus was erzählt hat. Achtet auf das Verhalten eurer Kinder, ihr kennt sie am besten, auch wenn euch Außenstehende, was anderes einreden wollen.

Und vor allem: lasst auch dem übergriffigen Kind Hilfe zukommen.

Kein Kind tut sowas ohne Grund, auch wenn es sicher nicht den selben sexuellen Hintergrund hat wie bei Erwachsenen. Es ist ein Hilfeschrei. Und es muss nicht immer die ‚Schuld‘ der Eltern sein, aber es kann nun mal auch sein, dass es doch zuhause Probleme gibt. Seht nicht weg.

Zuletzt: Dokumentiert die Verletzungen, lasst sie von einem Arzt untersuchen und festhalten. Außerdem gibt es offizielle Anlaufstellungen: Das Jugendamt, der weiße Ring, Selbsthilfegruppen. Scheut euch nicht, Hilfe zu suchen. Uns hat es zum Beispiel sehr geholfen, im Vorfeld des Gesprächs mit dem Jugendamt zu sprechen und uns Tipps zu holen.”


Liebe Sina* (echter Name ist der Redaktion bekannt), vielen Dank, dass wir deine Geschichte erzählen durften. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

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Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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Hannah
Hannah
1 Monat zuvor

Liebe anonyme Mama,

wow, da habt ihr einiges durchgemacht in der letzten Zeit. Ich bin selbst Kinderschutzfachkraft (eine sogenannte InsoFa – das steht für insoweit erfahrene Fachkraft). Und arbeite in einem Kindergarten. Also der Kindergarten braucht ganz dringend ein Schutzkonzept. Sie haben dir Aufsichtspflicht. Wenn dieser Junge immer wieder auffällt, dann muss immer sicher gestellt werden, dass eine Fachkraft anwesend ist.
Darüber hinaus muss dir Leitung ein Eltetngespräch mit den Eltern des Jugen führen – ich sehr hier auch klare Anzeichen für sexualisierte Gewalt. Hier muss eine Kindeswohlgefährdung im Umfeld des Jungen ausgeschlossen werden,das ist Aufgabe des Jugendamts.
Der Kindergarten ist rechtlich dazu verpflichtet, den institionellen Kinderschutz sicherzustellen, d.sie müssen Kinder vor körperlicher,verbaler, psychischer und secualisierter Gewalt schützen- sowohl durch Erwachsene als auch durch Kinder.
Du kannst dich jederzeit kostenlos an deinen Landkreis wenden, in den Landratsämtern gibt es speziell geschulte Kinderschutzfachkräfte (InsoFa). Darüber hinaus gibt es viele Beratungsstellen z.B. Profamilia oder Wildwasser.
Danke, für deinen Kampf für deine Tochter. Lass dich nicht einschüchtern!! Du bist KEIN Einzelfall.
Es ist so wichtig, den Kinderschutz sicherzustellen ! Aber es ist auch für uns Fachkräfte schwer. Wir werden oft mundtot gemacht. Das habe ich leider auch erleben müssen.
Alles Liebe für dich und deine Familie!