„Herzlichen Glückwunsch, Sie erwarten Zwillinge!“ Diese Nachricht sorgt bei vielen Schwangeren für doppelte Freude, stellt sie aber auch vor eine zweifache Herausforderung. Schließlich wachsen gleich zwei Babys in ihrem Bauch heran, und auch die Sorge, ob das Baby gesund ist, erleben die Schwangeren mal zwei. Wenn sie dann die Nachricht bekommen, dass eines der Kinder nicht gesund ist, ist das natürlich erst einmal ein Schock.
So wie bei Lisa aus unserer Community. In der 14. Schwangerschaftswoche sagten die Ärzte ihr, dass eines ihrer Babys eine Fehlbildung der Bauchwand hatte. Bei der sogenannten Gastroschisis schließt sich die Bauchdecke nicht, und die Darmschlingen fallen heraus. Was das für die Geburt bedeutete und wie es danach für die Familie weiterging, hat Lisa uns erzählt:
„Im Oktober 2019 sind wir Eltern von Zwillingen geworden.
Wir sind die glücklichsten Eltern der Welt. So wie wahrscheinlich alle anderen Eltern auch. Trotzdem ist unsere Welt leider nicht ganz so bunt, wie wir sie uns in unseren Träumen vorgestellt haben. Denn unsere kleiner Lian liegt seit der Geburt im Krankenhaus.
Wir haben in der 14. SSW erfahren, dass unser Lian eine so genannte Gastroschisis hat. Die Ärztin hat zufällig entdeckt, dass mit der Bauchwand unseres Babys etwas nicht stimmt. ‚Sein Bauch hat sich nicht geschlossen und der Darm hängt raus‘, so hat sie es mir erklärt. Zu diesem Zeitpunkt war es allerdings nur ein Verdacht, und sie schickte uns zum Spezialisten, um es abzuklären. Nach mehreren Untersuchungen hat sich die Diagnose dann bestätigt. Gleichzeitig haben wir erfahren, dass das andere Baby gesund war.
Am Anfang war die Diagnose ein riesiger Schock für uns.
Wir haben uns gefragt, warum das gerade uns und unserem Baby passiert. Aber die Ärzte haben schnell versucht, uns zu beruhigen. Sie haben uns sehr gut beraten, und auch die Gespräche mit den Kinderchirurgen haben uns die Angst etwas genommen.
Ab der 25. SSW lag ich wegen eines zu kurzen Gebärmutterhalses im Krankenhaus. Die Zeit zog sich wie Kaugummi. Ich durfte nicht viel laufen und sollte eigentlich nur liegen. So hatte ich mir die Schwangerschaft natürlich nicht vorgestellt, aber ich kämpfte für meine Babys. Als ich in der 32. Woche plötzlich Wehen bekam, ging alles ganz schnell.
Es durfte nicht zu Presswehen kommen, denn dann hätte Lian die Geburt nicht überlebt.
Deshalb kam ich sofort in den OP. Leider haben die Ärzte eine Stunde lang erfolglos versucht, mir eine PDA zu legen. Ich hatte Zwillinge im Bauch und dementsprechend eine Riesenkugel. Da soll mal jemand versuchen, einen Katzenbuckel zu machen. Deshalb mussten meine Babys unter Vollnarkose geholt werden. Ich erlebte die Geburt nicht mit, und niemand durfte dabei sein.
Um 8:15 Uhr kam Lian auf die Welt, um 8:16 Uhr sein Bruder Leon. Ich schlief zu der Zeit wegen der Narkose tief und fest. Als ich wieder aufwachte, lag Leon schon auf der Frühchen-Intensivstation. Lian durfte ich für einen kurzen Moment sehen und brach sofort in Tränen aus. Die Ärzte hatten ihn bereits für die OP vorbereitet. Ein schöner, aber gleichzeitig auch schrecklicher Moment. Der Gedanke, dass mein Baby so kurz nach der Geburt schon unter Vollnarkose operiert werden muss, brach mir fast das Herz.
3 Stunden nach der Geburt kam Lian schon in den OP
Zum Glück durfte sein Papa vorher noch bei ihm sein. Ich lag noch wie gelähmt im Bett und musste versuchen, schnell wieder fit zu werden. Dann die erlösende Nachricht: Lian hat die OP sehr gut überstanden! Mein Kleiner hat damals schon gekämpft und tut es heute noch.
Am Abend war ich wieder einigermaßen fit und wurde mit dem Rollstuhl zu Leon gebracht. Endlich konnte ich auch mein zweites Baby sehen! Ein unglaubliches Gefühl. Natürlich habe ich auch da wieder jede Menge Tränen vergossen. Ich dachte mir, wie wunderschön meine Kinder sind und war unglaublich glücklich.
Nach fünf Wochen im Krankenhaus durften wir Leon mit nach Hause nehmen. Nach sieben Wochen dann auch endlich seinen Bruder Lian.
Leider hielt unser Glück als Familie nicht lange an
Nach einer Woche ging es Lian so schlecht, dass wir sofort mit ihm ins Krankenhaus mussten. Verdacht auf Darmverschluss. Der Horror ging von vorne los, und nach zahlreichen OPs liegt Lian heute immer noch mit einem künstlichen Darm-Ein- und Ausgang im Krankenhaus auf der Intensivstation.
Am Anfang sind die Ärzte davon ausgegangen, dass die eine OP direkt nach der Geburt ausreicht. Die Aussicht war ja auch super, weil er dann nach Hause durfte. Aber im Moment sieht es leider so aus, dass unser Kleiner vorerst mit einem Port für Parenterale Ernährung nach Hause kommt.
Das bedeutet, dass er zusätzlich künstlich ernährt werden muss
Aber die Ärzte sagen, dass ihn das soweit nicht beeinträchtigen und vermutlich auch nur in den ersten zwei bis drei Lebensjahren nötig sein wird. Denn sein Darm braucht durch die frühe Geburt wohl einfach „nur“ viel mehr Zeit. Vielleicht kann er in zwei Monaten nach der hoffentlich letzten OP endlich wieder nach Hause.
Wir hoffen, dass die beiden sich nach sechs Monaten endlich wiedersehen. Leon möchte doch seinen Bruder kennenlernen und mit ihm spielen.
Doch egal, wie schwer die Zeit auch ist, wir kämpfen und halten immer zusammen. Und trotz der Umstände ist unser Lian ein liebes, fröhliches und unkompliziertes Kind.“
Liebe Lisa, vielen Dank, dass du eure bewegende Geschichte mit uns geteilt hast!