Eltern-Streit: „Bitte vor den Kindern!“ statt „Nicht vor den Kindern!“?

Es gibt wohl keine einzige Beziehung in dieser Welt, in der nicht zumindest manchmal gestritten wird. Mit den Kindern kommen oft noch einige Streit-Themen dazu, und es ist unvermeidbar, dass ab und zu die Emotionen hochkochen.

Doch wenn Mama mal richtig wütend auf Papa ist oder Papa von Mama genervt, ist das für Kinder kein Weltuntergang. Sie können es nicht nur aushalten, dass gestritten wird, es ist sogar wichtig für ihre Entwicklung. Der berühmte Satz „Nicht vor den Kindern!“, der bei Streit häufig genutzt wird, soll hingegen schädlich für deren Psyche sein.

Das behauptet eine Gruppe Wissenschaftler der Washington State University und der Universität in Kalifornien, die genau das im Rahmen einer Studie untersucht hat: „Wir wollten herausfinden, wie wir [negative] Emotionen unterdrücken und wie das die Interaktion zwischen Kindern und deren Eltern verändert. Kinder übernehmen diese Unterdrückung von Gefühlen – und viele Eltern denken, dass das eine gute Sache sei“, so Sara Waters, Professorin für menschliche Entwicklung. Dabei geht es hier wie so oft um Authentizität: Die ,dicke Luft` spürt das Kind sowieso. Das Kind die Austragung und Lösung des sich anbahnenden Konflikts nicht miterleben zu lassen, kann bedeuten, dass es weder den Streit richtig deutet, noch lernt, wie man mit so einem Konflikt umgeht. Im schlimmsten Fall glaubt das hinausgeschickte Kind, Grund für den Streit zu sein oder dass die Stabilität der Familie bedroht sei.

Zu diesem Thema wurde mit 109 Familien ein Experiment durchgeführt. Zunächst wurden die Eltern in psychischen Stress versetzt, anschließend sollten sie mit ihren Kindern gemeinsam eine Aufgabe lösen. Dabei wurden sie an Sensoren angeschlossen, die Puls und Stress-Level maß. Eine angefertige Videoaufzeichnung wurde auf Signale von Liebe, Wärme, Kooperation etc. untersucht.

Im Experiment gab es zwei Gruppen: Die eine Hälfte der Erwachsenen wurde angewiesen, ihren Stress und Frust nicht zu zeigen, während die anderen gebeten wurden, ihren natürlichen Gefühlen zu folgen.

Wer wütend und frustriert ist, darf das auch ruhig zeigen. Foto: Bigstock

Das Ergebnis war eindeutig, erklärt Sara Waters in Science Daily: „Der Vorgang, ihren Stress zu unterdrücken, machte Eltern zu weniger positiven Partnern während der folgenden Aufgabe. Sie boten ihrem Kind weniger Anleitungen. Aber nicht nur die Eltern reagierten, auch die Kinder kommunizierten weniger und waren weniger positiv ihren Eltern gegenüber. Es ist fast so, als hätten diese Eltern die Emotionen auf die Kinder übertragen.

Irgendwie haben wir das doch immer schon geahnt. Unsere Kinder sind sensibel und unser Spiegelbild – ein Grund mehr, ein besserer Mensch zu sein. Und: Wütende Kinder, die sich streiten, das wollen wir ja eigentlich nicht!

Tun wir eben doch, sagen die Forscher. Schließlich zeigt das Experiment, dass es kaum möglich ist, gut gelaunt zu sein, wenn man frustriert ist. Streit ist darum wichtig, aber eben auf die richtige Art und Weise. Kinder sollen lernen, wie richtiges Streiten geht. „Lasst sie den ganzen Ablauf sehen, bis hin zur Versöhnung. Das hilft Kindern, ihre eigenen Emotionen zu regulieren und Probleme zu lösen. Sie sehen so, dass Probleme gelöst werden können. Es ist das beste, die Kinder wissen zu lassen, dass man wütend ist, und mit ihnen darüber zu sprechen, was man macht, um die Situation zu verbessern.“

Tatsächlich können wir mit einer positiven Streitkultur dazu beitragen, zu lehren, dass ein Streit oder ein negatives Gefühl nicht das Ende der Welt – das Ende einer Beziehung – ist. Schlucken wir unsere Wut hinunter, ist es nicht nur für uns unangenehm: „Kinder sind sehr gut darin, die kleinsten Hinweise auf Emotionen zu deuten. Wenn sie fühlen, dass etwas Schlechtes passiert ist und die Eltern verhalten sich normal, anstatt es anzusprechen, ist das verwirrend für sie. Dann werden zwei widersprüchliche Nachrichten gesendet.

Für den Alltag heißt das, dass wir unserem Mann auch mal tagsüber sagen sollen, dass er uns nervt und wir nicht erst alles bis zum Abend in uns hineinfressen sollen. Allerdings gibt es, so die Forscher und der Hausverstand, natürlich Grenzen. Denn eine positive Streitkultur bedeutet, dass einige grundsätzliche Regeln befolgt werden, die sicherstellen, dass der Respekt vor der anderen Person immer gewahrt bleibt. Dazu gehört, dass man sich nur über die aktuelle Sache streitet, nicht unnötig laut wird, sich nicht gegenseitig beleidigt und vor allem: versucht, zu einer Lösung zu gelangen.

Rebecca

Schon seit rund einer Dekade jongliere ich, mal mehr, mal weniger erfolgreich, das Dasein als Schreiberling und Mama. Diese zwei Pole machen mich aus und haben eines gemeinsam: emotionale Geschichten!

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