Endlich eine Familie: Für Kevin und René Silvergieter Hoogstad waren Kinder eigentlich schon immer ein Thema. Vor ein paar Jahren entschied sich das schwule Paar schließlich ein Kind in Langzeitpflege aufzunehmen. Heute haben sie einen Sohn und eine Tochter und zeigen ihr buntes und glückliches Familienleben auf ihrem Instagram-Account „Papapi„. Dort haben sie bereits mehr als 90.000 Abonnenten. Seit Kurzem schmücken die beiden Role-Models auch die Titelseite des Väter-Magazins „Men’s Health DAD„. Im Interview erzählen die beiden, wie das Leben mit zwei Pflegekindern so läuft – und wie bei ihnen zu Hause die Rollenverteilung ist.
Papapi ist ein zusammengesetztes Kunstwort aus Papa und Papi. Wer von euch beiden ist Papa, und wer ist Papi?
Kevin: Ich bin Papi und René, mein Mann, ist Papa! Das haben wir unseren Sohn angeboten und er hat selbst entschieden das René Papa sein soll und ich Papi bin. Er saß dann irgendwann auf der Toilette während René duschte und fragte: und wo ist „Papi“? Von diesem Tag an durfte es nie wieder verwechselt werden und wehe jemand – sei es in der Kita oder sonst wo – nannte mich Papa! Dann wurde erstmal geschimpft, weil es für ihn so klar war, dass ich Papi bin. Es war dann auch gar nicht mehr ein Spitzname oder ein Kosename, sondern es war die Bezeichnung für mich! Und so ist es bis heute.
Schwul mit Familienwunsch – das ging ja lange Zeit gar nicht zusammen. Wie war das für euch?
Kevin: Ich war 21 als wir uns kennengelernt haben und Kinder waren tatsächlich eigentlich schon immer ein Thema. Bei mir war es natürlich etwas anderes, weil ich so jung war aber per se war ich mit Familie sehr eng aufgewachsen und auch René war immer sehr eng verbunden mit seiner Schwester und ihren Kindern und daher gesehen waren von Anfang an für uns Kinder ein sehr wichtiges Thema, das einen sehr hohen Stellenwert hatte.
René: Dazu muss man auch sagen, dass ich das damals aufgrund meines Alters – ich war 38 als wir uns kennenlernten – eigentlich schon abgehakt hatte. Kevin war derjenige, der mit seiner unbedarften Art und mit seinem Glauben daran, dass alles gut wird, es so vorangetrieben hat und diesen Gedanken bei mir zum Erwecken gebracht hat. Dann hat alles erstmal eine Weile gedauert. Wir waren erstmal eine Weile zusammen und haben unser Leben sortiert.
Kevin: Wie gesagt, ich war ja 21.
René: Dann fing Kevin erstmal mit seiner Ausbildung zum Schauspieler an. Danach haben wir das ganze Haus renoviert, ungefähr ein Jahr hat das gedauert, das war super anstrengend. Und im Anschluss haben wir geheiratet.
Kevin: Aber es fing schon vor der Hochzeit an, dass wir uns Gedanken über Kinder gemacht haben.
René, wie war das bei dir mit dem Kinderwunsch?
René: Na ja, ich war ja Scheidungskind, wie Kevin auch, das verbindet uns. Für mich lag es immer eher am Partner, denn ich hatte diese ideale Vorstellung das Kinder bei ihren Eltern aufwachsen.
Kevin: Ur-altmodisch!
René: Ja, ich weiß, ist total spießig. Für mich war aber Voraussetzung, dass ich einen Partner habe, bei dem ich auch wirklich sicher bin, dass es funktionieren wird. Und das hatte ich halt davor gar nicht. Bei Kevin habe ich dann gemerkt „Boah das ist jetzt der Partner, auf dem ich mich verlassen kann“. Kevin hat auch mit glühendem Eifer für die Idee gebrannt mit mir Kindern zu haben und dann habe ich gedacht „Aye, komm, so alt bist du noch nicht“. Außerdem hatte ich mit Kevin einen Partner, bei dem ich dachte,: Ach komm, dass schaffen wir zusammen.“
Normalerweise dauert ja so eine Schwangerschaft neun Monate. Wie war das bei euch?
Kevin: Tatsächlich haben wir das nachgerechnet und absurderweise dauerte es bei uns fast neun Monate. Im April 2014 hatte ich beim Jungendamt angerufen nachdem wir alle möglichen Optionen für uns überlegt hatten und ein Informationsgespräch ausgemacht. Im November 2014 fing es dann quasi mit unserer Schwangerschaft an. Da hatten wir das sogenannte Vorbereitungsseminar beim Jugendamt und nachdem wir das durchlaufen hatten, sind wir dann in den Bewerbungspool gekommen, mussten uns dann noch mit ganz vielen Papierkram und Gesprächen auseinandersetzten, das war auch ganz schön aufwendig. Es war dann tatsächlich ungefähr neun Monate später, im Sommer 2015, da meldete sich das Jugendamt und sagte, dass es da ein Kind für uns gäbe. Aber da standen wir kurz vor unserer Hochzeit und dachten, es wäre noch nicht der richtige Zeitpunkt. Als wir dann aus den Flitterwochen zurück waren, rief das Jugendamt wieder an und sagte: „So, übrigens, der kleine Mann wäre immer noch da.“ Am 3 September 2015 ist er dann bei uns eingezogen.
Wie alt war euer Sohn als er zu euch gekommen ist?
René: Dreieinhalb Jahre.
Also eigentlich eine normale Schwangerschaft, die neun Monate gedauert hat, mit der Ausnahme, dass ihr keinen Säugling bekommen habt, sondern …
René: … ein Kleinkind mit ganz viel Gepäck!
Ist das denn der normale Zeitrahmen? Dauert es immer so lange, wenn man sich bewirbt?
René: Bei einigen Pflegeeltern geht’s auch schneller, wenn zum Beispiel der Bedarf sehr hoch ist. Es sind halt viele Pflegekinder, die untergebracht werden müssen. Aus unserer Erfahrung suchen Jugendämter händeringend nach Pflegeeltern. Es gibt dann Pflichtseminare die man erfüllen soll, aber in Einzelfällen sagt man dann eben, okay, das Kindeswohl ist im Moment wichtiger und ob wir nun dieses Rechtsseminar gemacht haben oder nicht ist jetzt mal zweitranging. Deswegen kann es sein, dass sich diese Phasen manchmal ein wenig verkürzen. Dann wird oftmals ein Kind vermittelt obwohl eine Formalie noch nicht erfüllt ist.
Kevin: Das hängt natürlich auch vom Bewerberpaar ab. Es gibt auch heterosexuelle Paare, die schon leibliche Kinder haben und sich entscheiden noch ein Pflegekind aufzunehmen. Die haben natürlich viel mehr Erfahrung was Erziehung angeht, als beispielsweise wir zwei.
René: Generell sind aber alle Überprüfungen gleich und sehr intensiv. Wir mussten zum Beispiel unsere Finanzen offenlegen und zum Gesundheitsamt und uns auf Herz und Nieren prüfen lassen.
Ihr habt euch ja für Pflegekindern entschieden. Gab es für euch noch andere Option? Es gibt ja auch noch Leihmutterschaft oder Co-Parenting!
Kevin: Wir wollten tatsächlich nie Pflegekinder aufnehmen, weil ich das aus meiner Familie kannte, also von meinem Vater. Der hat sich, nachdem meine Eltern sich getrennt hatten, mit seiner neuen Frau ein Pflegekind aufgenommen und das war einer der schwierigeren Fälle. René wusste von einem Kollegen, wie lange es denn dauern kann, bis so ein Pflegekind dauerhaft bei der Pflegefamilie bleibt und daher kannten wir nur die negativen Seiten und hatten dieses fiese Klischeebild. Deshalb dachten wir zuerst an Adoption. Leimutterschaf kam für uns gar nicht in Frage, aus moralischen und finanziellen Gründen.
René: Aber bei Adoption hat man oftmals das Problem, dass Männerpaare nicht anerkannt werden. Und Co-Parenting kam für mich nicht infrage, weil ich mit Kevin zusammen das Kind groß ziehen wollte ohne, dass uns da jemand reinredet.
Wie sieht bei euch eigentlich die Rollenverteilung aus?
René: Wir haben uns damals erst gar keine Gedanken darüber gemacht und dann hat sich das wie bei anderen Familien einfach so ergeben.
Kevin: Naja, ganz so ergeben hat es sich nicht. Klar war, ich bleibe zu Hause, weil Rene besser verdient. Aber Rene hat ganz klar gesagt, dass er sich beteiligen möchte, und es ist jetzt nicht so, dass ich den ganzen Haushalt mache und er nicht.
René: Kevin ist zu Hause geblieben aus finanziellen Grunde, und hat somit die klassische Mutterrolle aufgenommen, weil er auch viel mehr Zeit mit unserem Kind, mittlerweile Kindern, hat – das stimmt schon.
Das hört sich nach einer ganz normalen Familie an. Gibt es denn auch Unterschiede zu anderen Familien?
Kevin: Ja und Nein. Wir sind was Besonderes im Dorf, klar. Uns kennt jeder hier und es schätzen uns auch alle. Was natürlich immer mal wieder passiert ist, wenn ich mit einem Kind irgendwo unterwegs bin und uns jemand Fremdes begegnet, der sagt „Oh, wo ist denn die Mama?“ So was passiert, weil natürlich das klassische Bild gesucht. Dann sag ich halt, „Mama haben wir net, aber einen Papi, der kommt gleich hier um die Ecke.“ Dann gibt es zwar ganz kurz betretende Gesichter, aber die meisten sind dann ganz positiv und entschuldigen sich auch!
Ihr habt euch ja nach drei Jahren für ein zweites Pflegekind entschieden. Wie hat sich seitdem der Familienalltag verändert?
Kevin: Wir haben natürlich auch unsere Tage wo wir denken: Um Himmels Wilen!
René: Als die Tochter dazu kam, hat das nochmal alles auf den Kopf gestellt, war ganz komisch!
Kevin: Unser Sohn war ja schon dreieinhalb als er zu uns kam. Diese ganze Baby-Kleinkind Phase zwischen 8 Monaten – so alt war unsere Tochter als sie zu uns kam – bis zu zweieinhalb Jahren kannten wir so gar nicht. Wir haben also tatsächlich wieder von vorne angefangen.
René: Schlaflosigkeit, boah! An der Stelle ist es übrigens noch einmal schön zu beobachten, dass es sich genauso verhält wie bei allen Eltern. Es ist genau der Stress, den alle haben. Es war auch eine Umstellung, die ein gesundes Jahr gedauert hat. Da muss man sich auch als Elternpaar wiederfinden und justieren. Da hat es auch echt manchmal gerumpelt zwischen uns beiden. Es war also echt eine Herausforderung, aber seit einem Jahr hat es sich schon wieder ganz gut eingespielt. Und dann denken wir, jetzt haben wir wieder alles im Griff, und dann kommt die nächste Phase! Wie heißt es denn so schön: es ist immer alles eine Phase, und dann geht es wieder von vorne los, aber dann ist zusehends alles wieder ein bisschen smoother.
René und Kevin haben natürlich noch viel mehr zu erzählen.
Das ausführliche Interview mit den beiden kannst du deshalb auch nachhören – und zwar im Podcast der „Echten Papas“: https://echtepapas.podigee.io/21-schwul-mit-kinderwunsch .
Und wer es lieber in gedruckter Form mag: Gerade ist auch das erste Buch der beiden erschienen: Papa, Papi, Kind: Warum Familie auch anders geht. Es ist im mvg Verlag erscheinen und kostet 14,99 Euro!
Interview: Florian Schleinig und Marco Krahl