Equal Care Day: Für eine gerechtere Verteilung der Sorgearbeit

Der Equal Care Day am 29. Februar 2025 bzw. 1. März 2025 macht auf die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit in unserer Gesellschaft aufmerksam. Während Frauen durchschnittlich 79 Minuten mehr Care-Arbeit pro Tag (1) leisten als Männer, bleibt die Anerkennung dieser Leistung oft unsichtbar. Das zum Equal Care Day gehörende, bundesweite Festival unter dem Motto „Care Utopien“ bietet Workshops, Diskussionen und kulturelle Beiträge, um Wege zu einer gerechteren Verteilung von Fürsorgearbeit aufzuzeigen. Die Initiative setzt sich für strukturelle Veränderungen und mehr Wertschätzung von Care-Arbeit ein.

Was ist der Equal Care Day?

Der deutsche Equal Care Day wurde 2016 von den beiden Journalisten Almut Schnerring und Sascha Verlan ins Leben gerufen – ist ist aber ein internationaler Tag, der in vielen Ländern begangen wird.

Schnerrig und Verlan konzentrieren sich im Rahmen ihrer Tätigkeit schon viele Jahre auf Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Rollenstereotype und Alltagssexismus. Der Aktionstag macht auf den Gender Care Gap aufmerksam – die Kluft zwischen Männern und Frauen bei der Übernahme von Pflege- und Fürsorgetätigkeiten.

Dazu gehören die Erziehung von Kindern, das Pflegen von Kranken und Menschen mit Behinderungen sowie ehrenamtliche Fürsorgetätigkeiten. Der Equal Care Day macht aber nicht nur auf die ungleiche Verteilung und mangelnde Wertschätzung von Sorgearbeit in der Gesellschaft aufmerksam. Er weist auch darauf hin, dass diese ungleiche Verteilung zu struktureller Diskriminierung und eingeschränkten Chancen für Frauen führt. Zudem fordert der Aktionstag eine gerechtere Verteilung der Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern sowie bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung im professionellen Care-Sektor.

Der Equal Care Day 2025: Termine und Aktionen

Wann ist der Equal Care Day 2025?

Schnerrig und Verlan haben den Tag absichtlich auf den Schalttag am 29. Februar gelegt – das soll die oft übersehene Fürsorgearbeit in unserer Gesellschaft symbolisieren. Da 2025 kein Schaltjahr ist, wird der Tag in diesem Jahr am 1. März begangen.

In welchem Rahmen findet der Equal Care Day 2025 statt?

Das dazu gehörende Equal Care Day-Festival öffnet am 1. März 2025 um 10:00 Uhr seine digitale Plattform für alle Interessierten. Die bundesweite Veranstaltung bietet sechs virtuelle Bühnen mit mehr als 40 spannenden Einzelveranstaltungen. Besonders hervorzuheben sind die Care-Dialoge in München unter dem Motto „Care-gerechte Stadt“ sowie die regionalen Aktionen in Bremen und Heidelberg. Ein Marktplatz-Livestream präsentiert ab 12:00 Uhr alle Care-Initiativen deutschlandweit. Die Teilnahme am Festival ist kostenfrei. Interessierte können zwischen verschiedenen Workshop-Formaten wählen – von Gesprächsrunden über Vorträge bis hin zu interaktiven Panels. Anmeldungen sind über die Festival-Website möglich.

Gender Care Gap: Die aktuelle Situation 2025

Wie hoch ist der Gender Care Gap?

Die neuesten Erhebungen des Statistischen Bundesamts zeigen: Frauen leisten täglich 79 Minuten mehr unbezahlte Carearbeit als Männer (2). Diese Differenz entspricht einem Gender Care Gap von 44,3 Prozent. In Haushalten mit Kindern steigt dieser Unterschied sogar auf 59 Prozent. Während Männer durchschnittlich 21 Stunden pro Woche für Care-Tätigkeiten aufwenden, investieren Frauen nahezu 30 Stunden. Die Pflege von Angehörigen übernehmen zu 27 Prozent teilzeitbeschäftigte Frauen – bei Männern liegt dieser Wert bei nur 6 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen den nach wie vor geringen Stellenwert und die mangelnde Wertschätzung von Fürsorgearbeit in unserer Gesellschaft.

Wirtschaftliche Auswirkungen der ungleichen Verteilung

Die mangelnde Beteiligung an der Erwerbsarbeit führt bei Frauen zu erheblichen finanziellen Einbußen. Eine Teilzeitbeschäftigte verdient im Schnitt 17 Prozent weniger pro Stunde als ihre vollzeitarbeitenden Kolleginnen. Besonders gravierend wirkt sich diese Lücke auf die Altersvorsorge aus. Mit jedem Jahr in der Teilzeit sinken die Rentenansprüche. Eine Krankenschwester mit 20 Jahren Teilzeit muss beispielsweise mit monatlich 400 Euro weniger Rente rechnen. Der Gender Pay Gap spiegelt diese strukturelle Benachteiligung wider. Diese wirtschaftliche Schieflage verstärkt das Armutsrisiko und mindert die Chancen auf beruflichen Aufstieg.

Gesellschaftliche Folgen des Care Gaps

Die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit prägt nachhaltig unsere soziale Entwicklung. Berufstätige Mütter kämpfen häufig mit Erschöpfungszuständen und gesundheitlichen Problemen durch die Mehrfachbelastung. Ein besonders gravierendes Problem zeigt sich bei der Frage der Gleichstellung der Geschlechter: Die traditionelle Rollenverteilung verfestigt sich bereits im Kindesalter. Mädchen übernehmen schon früh mehr Verantwortung im Haushalt als ihre Brüder. Der Bundesverband Equal Care dokumentiert zudem die Auswirkungen auf das Gemeinwesen: Wo Frauen durch übermäßige Sorgearbeit zeitlich gebunden sind, fehlen wichtige Stimmen und Perspektiven in gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen.

Mental Load: Die unsichtbare Last der Sorgearbeit

Was bedeutet Mental Load im Alltag?

Mental Load zeigt sich in der ständigen gedanklichen Präsenz alltäglicher Aufgaben. Das Gehirn läuft quasi im Dauerbetrieb: Während des Frühstücks wird der Zahnarzttermin geplant, beim Arbeiten die Einkaufsliste erstellt und abends die Geburtstagsfeier organisiert.
Diese unsichtbare Gedankenarbeit manifestiert sich in zahllosen Details:

  • Wer denkt daran, dass die Winterstiefel zu klein geworden sind?
  • Wer behält den Impfkalender der Kinder im Blick? Wer koordiniert die Urlaubsplanung mit den Schulferien?

Die permanente Verantwortung für das Familienmanagement erschöpft nicht nur körperlich, sondern fordert auch mental seinen Tribut. Ein typisches Beispiel: Eine Person plant das Abendessen, während sie gleichzeitig die Hausaufgabenbetreuung koordiniert und nebenbei überlegt, wann die Waschmaschine repariert werden kann.

Der Mental Load Selbsttest: Wo stehe ich?

Der Equal Care Day bietet einen praktischen Selbsttest zur Bewertung der eigenen Mental Load Situation. Dafür müsst ihr einfache Fragen rund um euren Alltag beantworten:

  • Wer plant die Mahlzeiten?
  • Wer behält die Termine im Blick?
  • Wer kümmert sich um die Geschenke?

Ladet dazu den Test von equalcareday.de herunter und füllt ihn am besten gemeinsam mit eurem Partner oder eurer Partnerin aus. Eine ehrliche Bestandsaufnahme hilft beiden Seiten, die aktuelle Verteilung der Aufgaben zu erkennen. Der Test unterscheidet zwischen verschiedenen Lebenssituationen – ob mit oder ohne Kinder, mit pflegebedürftigen Angehörigen oder in kinderlosen Partnerschaften. Die Auswertung zeigt auf, in welchen Bereichen eine fairere Verteilung der Verantwortung sinnvoll wäre.

Faire Verteilung von Care-Arbeit im Alltag

Praktische Tipps für Familien

Ein wöchentlicher Aufgabenplan hilft Familien, Care-Arbeit systematisch und fair zu verteilen. Dabei übernimmt jedes Familienmitglied ab 6 Jahren altersgerechte Verantwortungen. Das schafft nicht nur Entlastung für alle, sondern fördert auch das Verantwortungsbewusstsein der Kinder. Die Einführung von Zuständigkeitsbereichen ermöglicht eine klare Struktur: Eine Person kümmert sich komplett um Wäsche, eine andere um Einkauf und Mahlzeiten. Der regelmäßige Tausch dieser Bereiche verhindert festgefahrene Rollenverteilungen. Besonders wirkungsvoll: Die „Drei-Minuten-Regel“. Alle Aufgaben, die weniger als drei Minuten dauern – wie Jacken aufhängen oder Spülmaschine ausräumen – werden sofort erledigt. Das verhindert das Ansammeln kleiner Pflichten bei einer Person.

Kommunikation und Aushandlung in Partnerschaften

Eine offene Gesprächskultur bildet das Fundament für ausgewogene Partnerschaften. Regelmäßige Dialogrunden, bei denen beide Partner ihre Bedürfnisse und Grenzen ausdrücken, schaffen Verständnis für die gegenseitige Situation. Bewährt haben sich monatliche Beziehungsgespräche, die bewusst außerhalb des hektischen Alltags stattfinden. Zum Beispiel könnt ihr solche „Care-Gespräche“ jeden ersten Sonntag im Monat beim gemeinsamen Spaziergang praktizieren. Die aktive Wertschätzung der Sorgearbeit des Partners spielt eine zentrale Rolle. Statt Vorwürfen hilft eine lösungsorientierte Sprache: „Lass uns gemeinsam überlegen, wie wir die Kinderbetreuung neu gestalten können“ öffnet den Weg für konstruktive Veränderungen.

Politische Forderungen und Handlungsbedarf 2025

Was müsste politisch passieren, um den Gender Care Gap zu verkleinern? Das ist eine gute Frage, finden wir – und gar nicht so leicht zu beantworten. Ein Zusammenhang liegt aber praktisch auf der Hand, und zwar jener zwischen der Teilhabe von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt und der Aufteilung der Care-Arbeit zu Hause. Denn nur, wenn Frauen gleichermaßen wie Männer am Arbeitsmarkt teilhaben können, sind die Grundbedingungen geschaffen, um auch die Sorgearbeit zu Hause anders / gerechter aufzuteilen. Wir sehen folgende Optimierungsmöglichkeiten im Bereich…

Arbeitsmarktpolitik…

  • Einführung einer „Neuen Vollzeit“ von 30-35 Stunden für Frauen und Männer1
  • Förderung flexibler Arbeitszeitmodelle und mobilen Arbeitens
  • Aufwertung und bessere Bezahlung von Care-Berufen (SAHGE-Berufe)

Familienpolitik…

  • Ausbau flächendeckender, qualitativ hochwertiger und flexibler Kinderbetreuungsangebote
  • Erweiterung der Ganztagsbetreuung für Schulkinder bis zum 14. Lebensjahr
  • Schrittweise Erhöhung der Partnermonate beim Elterngeld bis zu einer hälftigen Aufteilung
  • Einführung eines zweiwöchigen Elternurlaubs bei Vaterschaft

Steuerpolitik…

  • Reform des Ehegattensplittings, z.B. Übergang zu einem Realsplitting
  • Streichung der Lohnsteuerklasse V
  • Einführung eines Gleichstellungschecks für künftige Gesetze und Maßnahmen

Sozialversicherung…

  • Zeitliche Begrenzung der beitragsfreien Mitversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung1
  • Einführung einer Sozialversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte

Pflegepolitik…

  • Verbesserung der Pflegeinfrastruktur mit einem Mix aus stationären, teilstationären und ambulanten Angeboten
  • Unterstützung durch bezahlbare haushaltsnahe Dienstleistungen

Was ist das Equal Care Manifest?

Das Equal Care Manifest ist ein Dokument, das 2020 im Rahmen des Equal Care Day entwickelt wurde und die wünschenswerten Rahmenbedingungen und Ziele für mehr Anerkennung und gerechtere Verteilung von Sorgearbeit definiert. Es enthält 18 Forderungen, die darauf abzielen, die Wertschätzung und faire Verteilung von Fürsorgearbeit in der Gesellschaft zu verbessern.

Zentrale Punkte des Manifests sind:

  • Anerkennung der Sorgearbeit als gesellschaftliches Grundfundament
  • Bessere Bezahlung in Care-Berufen
  • Faire Verteilung unbezahlter Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern
  • Abbildung der Wertschöpfung durch unbezahlte Sorgearbeit in volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen
  • Übernahme von Care-Verantwortung durch privatwirtschaftliche Unternehmen
  • Einführung eines Sorgegeldes zur Vergütung unbezahlter Sorge- und Pflegearbeit in Familien
  • Gleichzeitige und gleichberechtigte Elternzeit für Mütter und Väter
  • Geschlechter-, care- und diversitätssensible Pädagogik im Bildungssystem

Das Manifest wurde von Experten, Berufsverbänden, Wissenschaftlern und Hilfsorganisationen erarbeitet und steht seit Mai 2020 zur Unterzeichnung bereit. Es zielt darauf ab, die gesellschaftliche und politische Diskussion über die Bedeutung und gerechte Verteilung von Sorgearbeit voranzutreiben und konkrete Verbesserungen in diesem Bereich zu erreichen.

Fazit: Es gibt noch viel zu tun in Sachen Equal Care Gap!

Der Gender Care Gap zeigt deutlich: Die faire Verteilung der Sorgearbeit bleibt eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe. Allerdings zeichnen sich auch positive Entwicklungen zeichnen sich ab – der Wert des Gender Care Gaps sank seit 2012 um 8,1 Prozentpunkte (2). Die am 29. Februar 2025 stattfindenden bundesweiten Aktionen setzen neue Impulse für den gesellschaftlichen Wandel. Besonders junge Familien entwickeln immer öfter innovative Modelle zur partnerschaftlichen Aufteilung der Care-Arbeit. Digitale Plattformen ermöglichen zudem einen besseren Austausch zwischen Betroffenen und schaffen neue Netzwerke der gegenseitigen Unterstützung. Der Weg zu einer gerechteren Verteilung der Sorgearbeit erfordert aber das Engagement aller gesellschaftlichen Akteure – von der Politik über Unternehmen bis zu jedem Einzelnen.

Quellen zu diesem Text:

(1) https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/care-arbeit-frauen-haushalt-familie-verteilung-100.html
(2) https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/gender-care-gap/indikator-fuer-die-gleichstellung/gender-care-gap-ein-indikator-fuer-die-gleichstellung-137294
fkommu

Ilona Utzig

Ich bin Rheinländerin, lebe aber seit vielen Jahren im Hamburger Exil. Mit meiner Tochter wage ich gerade spannende Expeditionen ins Teenager-Reich, immer mit ausreichend Humor im Gepäck. Wenn mein Geduldsfaden doch mal reißt, halte ich mich am liebsten in Küstennähe auf, je weiter nördlich, desto besser.

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