Erziehung: Jeder gemeinsame Augenblick prägt unsere Kinder

„Wir Erwachsene glauben, Erziehung ist, wenn wir unsere Erziehungsuniform anziehen. So ist es aber nicht. 80-90 % der Erziehung passieren sozusagen zwischen den Zeilen. Wie gehen wir miteinander um als Erwachsene, mit den Kindern, als Paar, wie gehen wir mit anderen Erwachsenen um? Das erzieht.“

Dieses (mal wieder) soso kluge Zitat von Jesper Juul hat mich genau ins Herz getroffen. Denn ich glaube, es ist einfach wahr.

Was hatte ich mir in der Schwangerschaft alles vorgenommen, das ich meiner Tochter mit auf den Weg geben möchte.

Nicht etwa nur Schnödes wie Zähneputzen, Messer und Gabel benutzen, die Uhr lesen. Sondern auch jene Werte, die ich für besonders wichtig halte, eine innere Stärke und Unabhängigkeit, die Fähigkeit, sich ihr Leben glücklich zu gestalten…

Ob das geklappt hat? Naja, was soll ich sagen: Es kam eher selten vor, dass sie (inzwischen neun Jahre alt) zu meinen Füßen saß und bewundernd meinen Weisheiten übers Leben lauschte. (Ich muss schon ein bisschen lachen, wenn ich mir das vorstelle.)

Trotzdem überrascht sie mich immer wieder, wenn sie erzählt, wie sie ein Problem mit ihren Freundinnen gelöst hat, oder was sie zu diesem oder jenem Thema so denkt. Dass sie anzieht, was sie will (so ganz andere Dinge als ihre Freundinnen) und wie vorsichtig-zärtlich sie mit ihrer dementen Uroma umgeht. Dass sie mit einem Teil der selbst gebackenen Plätzchen bei unserem älteren Nachbars-Ehepaar klingelt und sie ihnen in die Hand drückt.

Ganz oft rührt sie mich so sehr und ich platze innerlich vor Stolz. Frage mich aber auch: Wie ist dieses kleine Mädchen zu dieser wundervollen Person geworden?

Und da setzt das Zitat von Jesper Juul an. Ich möchte nicht behaupten, dass mein Partner und ich engelsgleich durchs Leben gehen, niemanden auf den Schlips treten und immer die richtigen Worte finden. Um Himmels Willen, davon sind wir weit entfernt, keine Frage. Auch ist es bei uns nie komplett ordentlich oder aber lupenrein geputzt. Beim Abendbrot lassen wir auch mal hitzig Dampf über die Jobs ab und jahaaa, manchmal streiten wir uns auch.

Aber: Was unsere Tochter immer sieht, ist, dass wir uns entschuldigen können, auch bei ihr. Dass wir gerne jemandem helfen, der es gebrauchen kann. Dass wir nach dem Essen die Küche aufräumen und Dreck von den Schuhen einmal kurz wegsaugen. Dass wir jeden erst einmal freundlich und respektvoll behandeln. Dass wir gerne mit anderen teilen und abgeben.

Sie sieht, dass wir uns um uns kümmern, dass jeder von uns seine eigene Hobbys hat, wir einigermaßen gesund essen und Sport treiben. Sie sieht, dass ihre Eltern sich immer wieder vertragen, dass ein Streit immer fair bleibt, und dass wir uns oft umarmen und Küsse geben. Und auch sie wird geherzt und geknuddelt, so oft und so lange sie es will. Wir fragen sie nach ihrem Tag, ihren Gefühlen, ihren Interessen.

Ich glaube, das ist etwas, das wir als Eltern nicht vergessen sollten: „Kind hört mit!“

Und zwar viel besser, wenn man „Kind“ gerade gar nicht direkt anspricht… das kennen wohl alle Eltern. Wie wir mit uns selbst umgehen, mit dem Partner, mit dem Kind, mit anderen – all das gibt Kindern ganz unbewusst mit auf den Weg, wie Partnerschaften, Familie, das Zusammenleben und die Welt im Allgemeinen so funktionieren. Und auch, wie nicht! Wer kennt nicht diese Erinnerungen aus der Kindheit, an die man mit Schaudern zurückdenkt: „Das fand ich immer so schlimm, das möchte ich nie so machen.“

Natürlich gibt es in der Erziehung von Kindern unglaublich viele Dinge, die man ihnen zeigen und erklären muss. Es mag auch ohne Schimpfen und Meckern funktionieren, ich hab leider nur noch nicht herausgefunden, wie ich das umsetzen kann. Und es muss – meiner Meinung nach – vernünftige, nachvollziehbare Regeln geben.

Aber: Das ist der kleinste Teil, da gebe ich Jesper Juul recht. Der Rest liegt zwar auch bei uns, es ist aber ganz einfach unser Alltag. 

Laura Dieckmann

Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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