„Nach Urlaubstagen findet sich irgendwie keiner mehr so richtig zu Recht. Das geht schon nachts los.
Meine Kinder Emil, 4, und Ida, 1, waren im Auto eingeschlafen, wir haben sie reingetragen und dann – das übliche Prozedere in meiner Hamburger Nachbarschaft – einen Parkplatz gesucht. Immerhin, beide haben weitergeschlafen. Zumindest bis nachts um halb zwölf. Da ist Ida wieder wach und mit „wach“ meine ich wirklich wach. Sie sagt „Oben! Hoch! Oben!“ und will zu Emil aufs Hochbett klettern. Kurzer Moment, in dem ich denke: „Vielleicht doch keine so gute Idee mit dem gemeinsamen Zimmer?“ Ich flüstere mehrmals „Nein“, meine nackten Füße werden kalt, Ida hängt sich bäuchlings über die Sofalehne und findet das extrem lustig. Ständig sucht sie Blickkontakt, ob ich das eventuell auch so extrem lustig finde wie sie. Aber die „Lustigkeit“ hält sich bei mir in Grenzen. Ida beschließt, dass es ihr eigentlich auch egal ist, ob ich die Dinge ebenso witzig finde wie sie.
Mitternacht. Ida liest ein Buch. Im Dunkeln. Und ungeachtet dessen, dass sie natürlich noch nicht lesen kann. Ich gähne. Und meine Füße sind kalt, meine nackten Beine sind kalt. Ich lege mich in Idas Bett. Interessiert sie nicht.
Ein Uhr. Ida kommt auch ins Bett geklettert. Na, bitte. Geht doch!
Um sechs Uhr steht Emil in der Schlafzimmertür. „Heute,“ konstatiert er, „habe ich aber wirklich mal sehr lange geschlafen!“ Das ist Ansichtssache, denke ich. Mein Mann Paul steht sowieso auf. Ich mache mir einen Kaffee und trinke den im Bett. Emil und Ida wühlen über mich rüber. Sie nennen das „kuscheln“. Aber ich fühle mich wie eine Löwen-Mama, deren Junge ständig über sie rüber purzeln. Dann wollen sie ein Wasser, ein Picknick, ein Buch – und das ist ein guter Moment, um auch aufzustehen. Und nicht wieder zu kommen. Als sie merken, dass sie alleine im Bett verweilen sollen, tapsen sie mir hinterher.
Oh, kein Frühstück. Wie auch. Waren ja im Urlaub. Kann ja keiner ahnen, dass man rechtzeitig noch ein paar Vorräte hätte einkaufen müssen. Paul radelt los, bevor er seinen Dienst im Krankenhaus antritt.
Ich suche Sachen zum Anziehen raus, die sowohl Emil als auch Ida nicht anziehen wollen. Die Lieblingsklamotten waren schließlich im Urlaub dabei und sind jetzt schmutzig. Ida malt auf ihr Bein, Emil baut irgendwas aus Lego. Ich gehe duschen. Ida heult. Ich komme aus der Dusche wieder raus. „Ich weiß jetzt aber wirklich ganz und gar nicht, wieso die Ida weint,“ sagt Emil und zieht die Schultern hoch. Na ja, mein Shampoo ist fast rausgewaschen. Trockne ich mich eben ab.
Die Katze hat auf die wenige saubere Wäsche gepinkelt. Dass sie aber auch immer gleich beleidigt sein muss, wenn wir für mehr als einen Tag das Haus verlassen. Ich befühle schnell noch die Waschmaschine, im Flur liegen die Reisetaschen. Jetzt mal los in den Kindergarten. Anziehen unter Geschrei.
In Idas Kindergarten sind immer noch Rotaviren, bei Emil hängt ein Zettel auf dem ständig aktualisiert wird, wie viele Streptokokken-Fälle es gerade gibt. Rota finde ich schlimmer und hatten wir auch schon. Also verlasse ich gut gelaunt das Gebäude.
Ein paar Tage nicht da, über hundert nicht gelesene Mails. Viel Blödsinn und einige Nachfragen nach versandten Bildern. Ich arbeite als Fotografin und hatte die Bilder eigentlich vor dem Urlaub in den Briefkasten geworfen. Poststreik. Kann ich nichts dafür, muss aber natürlich trotzdem allen antworten. Danach auf zur Arbeit! Fototermin an der Elbe. Sonne, weißer, weicher Sand. Danach Kaffee in Restaurant Strandperle. Für einen Moment ist es wieder fast wie Urlaub.
Ich hole die Kinder zu Fuß ab. Das Wetter ist schön und ich habe Zeit, noch einkaufen zu gehen. Ich treffe viele (zu viele) Leute auf dem Weg dorthin und komme fast zu spät. Jeder möchte wissen, wie es denn im Urlaub so war. „War“ ist das richtige Wort, denn die Realität hat mich wieder: Ida will wie immer nicht im Buggy sitzen, sondern selber laufen. Außerdem habe ich einen Brief bekommen, dass sich Emils Kindergartenbeitrag um mehr als 100 Prozent erhöht. Ich habe keine Ahnung, warum. Wieder etwas, worum man sich kümmern muss.
Wir haben es nicht eilig, ich lasse die Kinder spielen. Allerdings bleiben sie beim Nachhauseweg überall stehen. Beim Brunnen, in den Emil und Ida noch Steine werfen. An der Kreuzung, weil Emil mal muss. An der Schule, weil man da auf dem Geländer klettern kann. An jeder Ecke, wo Löwenzahn wächst, den man pflücken kann. Nach einer Stunde haben wir ungefähr einen Kilometer Strecke zurück gelegt. Ida will nicht in den Buggy, aber auch nicht in unsere Richtung laufen.
Die Kinder haben alle Zeit der Welt. Wie im Urlaub. Mit dem Unterschied, dass wir jetzt wieder zu Hause sind.
Irgendwann sind wir knapp zwei Stunden unterwegs. Ich weiß nicht, wie sich das auf das Tiefkühlgemüse auswirkt, das ich unten in den Buggy gelegt habe. An der Kirche spielen Kinder Fußball. Donnern immer wieder den Ball gegen das alte Kirchenportal. Emil staunt. Ida sammelt Steine und Blätter. Alles gibt sie mir in die Hand. Und sie kontrolliert genau, ob ich auch alles noch halte. Ich treffe eine Freundin und die Zeit vergeht.
Plötzlich ist es halb sieben. Kaum sind wir zu Hause, kommt Paul auch schon. Früher als erwartet. Die Kinder schreien „Papa! Papa!“ und freuen sich. „Und?“ fragt Paul. „Was habt ihr heute so gemacht?“ „Wir sind nach Hause gegangen,“ sage ich. Denn was anderes haben wir an diesem ersten Tag zu Hause nicht mehr geschafft.
Aber ist das nicht eigentlich auch völlig egal?
Miriam Boettner ist Fotografin, Bloggerin und Autorin. Sie hat zwei Kinder, Emil und Ida. Und einen Mann: Paul. Auf ihrem Blog „Emil und Ida“ schreibt sie über ihr Familienleben. Wenn sie nicht in ihrer Heimatstadt Hamburg ist, ist sie mit ihren Kindern auf Abenteuerreise durch Deutschland: „Kleine Landstreicher“.