„Ich war 16 Wochen schwanger. Lange genug, um dieses kleine Mädchen, das da in meinem Bauch heranwuchs, über alles zu lieben. Seit einer Woche wussten wir, dass es ein Mädchen werden würde, unsere kleine Prinzessin.
Mein Mann und ich, wir hatten uns so lange auf dieses Kind gefreut. Es war keine leichte Zeit, es dauerte ewig, bis ich schwanger wurde. Aber wir wussten immer, ganz tief in unserem Inneren, dass es klappen würde und wir eines Tages Eltern werden würden.
Der Tod unseres Mädchen kam sehr überraschend.
Es zog mir den Boden unter den Füßen weg. Ich ließ mich in meinen Schmerz fallen und mein Mann war einfach wunderbar, er war mir die größte Stütze. Aber auch unsere Familien und meine Freundinnen waren toll, sie fanden die richtigen Worte oder schwiegen mit mir, wenn ich das brauchte.
Auch mein Mann war sehr traurig, ganz klar. Aber er schien so stark, unbewusst dachte ich wohl, dass ihn unser Verlust doch nicht so mitnahm wie mich. Ehrlich gesagt, habe ich ihn nie gefragt. So furchtbar das auch ist. Und auch alle anderen bewunderten ihn für seine Stärke, boten ihm aber deswegen auch keine Schulter zum Ausweinen an.
Ich trauerte lange und intensiv, aber irgendwann schaffte ich es wieder, meinen Alltag zu leben und ihn auch zu genießen.
Eines Nachts aber wurde ich wach, es war in der Adventszeit. Nach einigen Sekunden wurde mir bewusst, warum ich wach geworden war:
Mein Mann lag neben mir im Bett und weinte.
Ich erschrak und fragte ihn, was denn bloß los sei!
Nachdem er sich ein wenig gefasst hatte, sagte er: „Weißt du, alle haben uns gesagt, dass dieses Weihnachtsfest unser schönstes werden wird. Weil es erst mit Kind so richtig Freude macht. Und jetzt ist sie einfach nicht mehr da.“ Er dreht sich um und mir war klar, dass das Gespräch beendet war.
Mir brach das Herz, ein zweites Mal. Ich hätte niemals geahnt, dass mein Mann so viele Monate nach unserem Verlust immer noch trauerte. Mir war ja nicht mal klar gewesen, dass er überhaupt irgendwann so sehr getrauert hatte!
Wir sprachen nie wieder darüber, er wehrte jeden meiner Versuche ab. Aber vergessen habe ich es nie.
Schließlich bekamen wir ein gesundes Baby, einen Jungen, und er war der beste Vater, den man sich vorstellen kann. Mir wurde wieder bewusst, wie sehr er sich auf unser erstes Kind gefreut haben musste und schämte mich, dass ich nicht für ihn da war.
Zwei Jahre danach sollte unser Traum wahr werden und wir sollten doch noch ein Mädchen bekommen.
Aber, um es kurz zu machen: Ich verlor es sehr früh in der Schwangerschaft. Ich war wieder wie gelähmt, nur unser Sohn konnte mich aufmuntern. Und doch wusste ich, dass ich mich diesmal auch um einen Mann kümmern musste. Er wirkte wieder sehr gefasst und stark, wie beim ersten Mal.
Eines Abends fasste ich mir ein Herz und fragte ihn, wie es ihm denn ginge. Er sank in sich zusammen: „Ich bin so traurig. Ich hatte mich so gefreut, hatte schon einen Namen, zu dem ich dich überreden wollte und war gespannt, wie unser Sohn sich als großer Bruder schlagen würde. Ich wette, wunderbar.“
Da war es, er war am Boden zerstört. Vielleicht noch trauriger als beim ersten Mal, denn schon wieder hatten wir Abschied nehmen müssen, bevor wir Hallo sagen konnten… Und trotzdem war er wieder für mich da gewesen und hatte niemals seine Trauer in Worte gefasst.
Ich war so dankbar, dass ich es dieses Mal besser wusste.
Denn so konnte ich für ihn da sein. Wir sprachen die folgende Zeit viel miteinander und standen sie gemeinsam durch. Und das so viel besser als das erste Mal.
Wir dürfen die Väter nicht vergessen, wenn es um Fehlgeburten geht. Das passiert viel zu oft. Jeder kümmert sich um die Mama, die ihr Baby verliert. Aber irgendwie steckt wohl noch in unseren Köpfen, dass Männer erst zu Papas werden, wenn sie ihr Baby im Arm halten.
Aber so ist das in den meisten Fällen nicht: Auch Väter verlieren bei einer Fehlgeburt ihr Kind.“
Liebe Yasemin, vielen Dank, dass Du Deine Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen Dir und Deiner Familie alles Liebe!
WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
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