Mehr Vereinbarkeit für Job und Familienleben? Für viele Eltern ist das ein Traum, der leider oft auch einer bleibt. Denn starre Betreuungsmodelle und unflexible Arbeitszeiten machen vielen einen Strich durch die Rechnung. Das soll sich jetzt ändern – zumindest, was die Arbeitszeiten angeht. Denn die neue Regierung plant, die Begrenzung der täglichen Höchstarbeitszeit aufzuheben, und stattdessen eine wöchentliche Arbeitszeit einzuführen. Heißt: Theoretisch wäre es dann möglich, nur drei oder vier Tage zu arbeiten, und entsprechend an den anderen Tagen frei zu nehmen. Klingt super, oder? Jedenfalls auf den ersten Blick…
Drei Tage Wochenende? Herrlich!
„Mama, 3 Tage Wochenende wären so schön“, hat meine Tochter neulich zu mir gesagt, als ihr Sonntagabend klar wurde, dass sie morgen wieder zur Schule muss. Und ich musste daran denken, dass ich in meinem vorherigen Job genau das hatte. Denn ich habe meine Stunden auf vier Tage verteilt und hatte dann von Freitag bis Sonntag frei. Und ich habe es geliebt! Das Wochenende hat sich einfach so viel länger angefühlt, herrlich!
Allerdings hatte ich damals schon einen Teilzeitjob – und noch keine Kinder.
Flexible Einteilung der Stunden soll normal werden.
Wenn es nach Union und SPD geht, könnte das verlängerte Wochenende bald für viele Arbeitnehmer*innen in greifbare Nähe rücken. Denn nach den neusten Plänen soll die tägliche erlaubte Höchstarbeitszeit von acht Stunden abgeschafft werden. Stattdessen soll es eine wöchentlich festgelegte Grenze geben, Arbeitnehmer*innen könnten sich dann ihre Zeit frei einteilen.
Ein Beispiel: Wenn du 40 Stunden pro Woche arbeitest, könntest du jeweils 10 Stunden auf Montag bis Donnerstag verteilen und hättest dafür freitags frei. Wenn wir davon ausgehen, dass viele Mütter so wie ich in Teilzeit arbeiten, wären ebenfalls 3 Tage á 10 Stunden möglich – bei 2 zusätzlichen freien Tagen – oder eben 4 Tage á 7,5 Stunden und dafür ein Tag mehr frei.
Mit der flexibleren Regelung möchte die Regierung unter anderem eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Job fördern.
Klingt erst einmal gut – aber wie realistisch ist das?
Gehen wir mal von meinem Teilzeit-Modell mit 30 Stunden aus. Würde ich mich dafür entscheiden, an drei Tagen die Woche jeweils 10 Stunden zu arbeiten, wäre das beispielsweise von 8 bis 18 Uhr. Bei dieser langen Zeit braucht man zwischendurch auf jeden Fall eine Pause, also hätte ich eher gegen 18:30 Uhr oder 19 Uhr Feierabend.
Puh. Ganz schön lang der Tag. In dem Fall nicht nur für mich, sondern auch für meine Kinder. Denn die müssten in der Zeit natürlich anderweitig betreut werden. Und bekommen im Gegensatz zur mir dafür keine Ausgleichstage, weil sie in der Grundschule sind.
Aber auch bei Kita-Kindern könnte es an den Betreuungszeiten scheitern.
Denn längst nicht in jeder Kita können die Zeiten flexibel auf die Tage verteilt werden, Abgesehen davon, dass auch längst nicht jede Kita überhaupt eine so lange Betreuung anbietet.
Ob ich meine Kinder so lange abgeben wollen würde, ist noch mal eine andere Frage. Abgesehen davon, dass für die Kinder noch weniger Zeit bleibt, um Hobbys nachzugehen, Freunde zu treffen, Hausaufgaben zu erledigen usw.
Genau hier kommt das Thema Equal Care ins Spiel.
Denn eine andere Möglichkeit wäre es natürlich, sich mit dem Partner bzw. der Partnerin abzuwechseln. Wenn Papa „normal“ seine 8 Stunden arbeitet, kann er das Kind dementsprechend später zur Kita bringen – oder eben früher abholen.
Im besten Fall teilt Papa sich seine Stunden auch anders auf, sodass die benötigten Betreuungszeiten (und damit auch die Kosten) sinken. In diesem Fall hätten beide Elternteile mehr Zeit mit dem und für das Kind, und die Familienkasse würde sich auch freuen.
In dieser Variante würde das neue Modell also tatsächlich für eine bessere Vereinbarkeit sorgen – und zwar für beide Partner*innen.
Die Arbeitszeit flexibel an Kita oder Schule anpassen? Schon verlockend!
Grundsätzlich klingt es für mich schon sehr verlockend, meine Arbeitszeit flexibel an Kita- oder Schulzeiten anzupassen. Ich denke da zum Beispiel an die vielen Ferien- und Schließungstage in diesem Jahr oder an die zahlreichen „Events“, die um 15 Uhr oder früher starten, und mich regelmäßig ins Schwitzen bringen.
Sommerfest, Elternabende (hier findet ihr übrigens unseren Elternabend-Survival-Guide), Ballettaufführung, um nur einige zu nennen. Nicht zu vergessen Arzttermine, die man dann vor- oder Kinderkrankentage, die man nacharbeiten könnte.
Und natürlich könnte man seine Stunden theoretisch auch anders aufteilen, als in meinem Beispiel. Statt 10 Stunden pro Tag nur etwas länger arbeiten und dafür an anderen Tagen etwas früher Feierabend machen.
Doch jetzt kommt (leider) das ABER.
Denn abgesehen davon, dass die Betreuungsfrage nach wie vor ein Problem ist, sind flexible Arbeitszeiten längst nicht in allen Berufen möglich. Eine Krankenschwester hat kaum die Möglichkeit, ein oder zwei Tage nicht zu arbeiten – das gleiche gilt für die meisten Jobs in der Pflege, Erzieher*inne, Lehrer*innen, Ärzt*innen und viele andere mehr.
Dazu kommt, dass Arbeitstage von 10 Stunden oder mehr auf Dauer unglaublich anstrengend sind. Und dass gerade für uns Eltern alle anderen Aufgaben natürlich trotzdem noch zusätzlich anstehen. Mama-Burnout, ich höre dich schon leise rufen.,
Und auch längst nicht jede*r andere Arbeitgeber*in wird begeistert sein, wenn die Mitarbeiter*innen zwar an 3 Tagen länger da sind, das Büro an den anderen zwei Tagen aber leer bleibt.
Wenn es denn so laufen würde. Denn Gewerkschaften befürchten schon jetzt, dass Mitarbeiter*innen durch die neue Regelung zu längeren Arbeitstagen „verpflichtet“ oder 10- bis 12-Stunden-Schichten normal werden könnten.
Für Alleinerziehende könnte es (noch) schwieriger werden.
Die freien Tage wären zwar eine Erleichterung, was die benötigten Betreuungszeiten angeht. Aber ohne Partner*in muss man die Tage mit den langen Schichten komplett allein wuppen – plus Carearbeit, Hausarbeit und Co. Aus meiner Sicht ist das ohne Unterstützung kaum bis gar nicht möglich.
Ihr seht, ich bin also eher skeptisch oder zumindest zwiegespalten, ob die Pläne wirklich zu mehr Vereinbarkeit führen. Zumindest müssten auch die Betreuungszeiten in vielen Fällen um einiges flexibler werden. Aber ich finde es gut, dass die neue Regierung das Thema zumindest auf dem Zettel hat!
Wie seht ihr das denn? Würde euch ein flexibleres Arbeitszeitmodell helfen? Schreibt es mir in die Kommentare.
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