Hallo Tochter, ich bin es, deine Mama. Unglaublich, wie aufgeregt du warst, als du nun deinen ersten Tag als Vorschulkind hattest. Ihr habt im Kindergarten eure eigene Gruppe, nur ihr Großen. Und du gehörst dazu. Das ist auch für mich eine große Sache. Denn das heißt, dass es nur noch ein Jahr dauert, bis du Schulkind bist. Wow.
Und es heißt noch so viel mehr. Dass du immer selbständiger wirst, die Welt um dich herum immer besser verstehst und dir deine eigene Meinung bildest. Dass ich dich wieder ein Stückchen loslassen muss und dass du immer selbstbewusster wirst. Bevor du dich auf diesem Weg nur noch kurz umdrehst und mir zuwinkst, möchte ich dir noch ein paar Sätze mit auf den Weg geben.
1. Behandele andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest
Das klingt jetzt ziemlich groß, ich weiß. Und es ist auch nicht immer durchführbar. Aber es soll dich zum Nachdenken anregen. Wenn dich jemand nervt, du jemanden nicht ausstehen kannst oder ein Kind dich unfair behandelt: Gehe in Gedanken einen Schritt zurück und versuche, dich in diese andere Person hinein zuversetzen.
Könnte es sein, dass es ihr gerade nicht gut geht und sie deshalb ständig weint, was dich so nervt? Überlege, warum du jemanden nicht magst: Kann man den Grund aus der Welt schaffen? Wenn nicht, auch kein Drama. Man muss nicht mit jedem Kind gut befreundet sein. Wenn dich jemand ärgert oder unfair behandelt, ist das doof, keine Frage. Trotzdem: Es lohnt sich nicht, zurück zu ärgern. Frage doch einfach mal, warum das Kind das gerade getan hat. Vielleicht gab es nur ein Missverständnis und ihr lacht schnell darüber? Und sprich aus, was dich ärgert und du das nicht möchtest.
2. Freunde aus der Vorschule sind vielleicht Freunde fürs Leben
Mein Vorschulkind, noch teilt ihr nur die Buntstifte. Aber ihr merkt jetzt schon, dass ihr euch mögt. Ihr verbringt eure Nachmittage zusammen, streitet darum, wer den rosa Becher haben darf und vergesst die Zeit beim Pferd-Spielen. Ihr werdet bei der Einschulung nebeneinander stehen und in der Klasse nebeneinander sitzen, wenn ihr Glück habt.
Und so werden die Jahre vergehen. Auch, wenn ihr vielleicht nicht auf der gleichen Schule bleibt, das Band zwischen euch ist nun schon so fest, dass ihr es nicht einfach reißen lasst. Und plötzlich seid ihr erwachsen, gründet Familien und wenn ihr euch dann trefft, spielt die Vorschule keine Rolle mehr. Nur noch eure Freundschaft, die hier, zwischen euren Buntstiften begann.
3. Sei ein Freund
Es wird immer die Kinder geben, mit denen niemand spielen will. Auch du guckst an ihm vorbei und schnappst dir deine beste Freundin zum gemeinsamen Basteln. Stopp! Dreh dich noch einmal um. Und frage dich, ob dieses Kind nicht vielleicht auch basteln möchte? Ob es vielleicht doch ganz nett ist? Und ob Basteln zu dritt nicht noch lustiger sein kann?
Du hast es in der Hand, jemand anderen glücklich zu machen. Ist das nicht ein tolles Gefühl? Probier es aus. Wenn das Kind nicht möchte oder sich erst nicht traut, weiß es zumindest, dass es da jemanden gibt, der sich freuen würde -nämlich dich.
4. Gehe DEINEN Weg
Du hast deinen eigenen Kopf und entscheidest, mit welcher Farbe du deinen Namen auf dein Heft schreibst. Auch, wenn alle anderen eine andere Farbe wählen. Aber irgendwann wirst du merken, dass du deine Entscheidungen nicht mehr nur für dich triffst. Wenn alle deine Freundinnen ein rosa Shirt tragen, willst du nicht die einzige in Blau sein. Und wenn du 14 oder 16 Jahre alt bist, wirst du spüren, dass der Druck, dazu zugehören, manchmal stärker ist, als das eigene Gefühl.
Denke an die Farbe deines Namens auf deinem Heft, als du Vorschulkind warst. Sie war die Farbe, die für dich persönlich genau richtig war. Und das sollte für jede deiner Entscheidungen gelten: Geht es dir gut mit dem Weg, den du wählst? Oder gehst du ihn nur, weil andere ihn auch gehen? Vertrau deinem Bauchgefühl. Am Ende des Weges warten alle, die trotz anderer Entscheidungen deine Freunde bleiben wollen. Und ein paar neue Freunde kommen gerantiert noch dazu.
5. Folge deiner Kreativität
Ihr habt von eurer Lehrerin ein Ausmalbild bekommen. Dir sind die Flächen zu groß, du möchtest mehr Farben verwenden, als das Bild hergibt? Mach es. Zeichne dazu, was dir fehlt, male die Flächen gestreift und gepunktet aus. Folge dem, was in deinem Kopf ist, auch wenn du über die Ränder malst.
Manchmal führen die eigenen Ideen auch in Sackgassen. Aber in jeder Sackgasse hast du was gelernt. Du drehst um und probierst eine andere Idee. Spinn rum, probiere aus, suche deine eigenen Grenzen – nicht die, die andere dir vorleben. Denn so lernst du dich am besten kennen und weißt, was du wirklich kannst. Und was eben nicht.
Du merkst, meine Sätze beziehen sich nicht nur auf dein Jahr als Vorschulkind. Aber mir ist es wichtig, dass du sie jetzt hörst. Behalte sie im Kopf und erinnere dich dran, wenn die Situation es verlangt.
Ich glaub an dich, meine große Vorschülerin!