Viele Kinder in Deutschland leben in Armut, die meisten von ihnen in Familien von Hartz IV-Empfängern. Wie schlecht es ihnen oftmals geht, hat vor kurzem Arche-Sprecher Wolfgang Büscher beschrieben und mit seinen Aussagen eine Schock-Welle ausgelöst.
Das Leben von Hartz IV-Kindern muss aber nicht immer so fürchterlich sein, behauptet unsere „Echte Mama“ Jana*. Sie ist 36 Jahre alt, kommt aus der Nähe von Köln und war mit ihren Kindern lange Zeit vom Geld des Staates abhängig.
Schlimm war das für sie nicht, im Gegenteil, sagt sie. Sie war froh, diese Hilfe zu haben. Uns hat sie erzählt, wie ihr Leben mit wenig Geld aussah:
„Keine abgeschlossene Ausbildung, ein Baby und keinen KiTa-Platz: Ende 2011 rutschte ich mit diesen nicht sehr guten Voraussetzungen nach der Trennung von meinem Partner in Hartz IV. Da waren meine Kinder neun und ein Jahr alt.
Ich bin eigentlich immer dafür, arbeiten zu gehen, vor allem, weil man seinen Kindern ein gutes Vorbild sein muss. Doch in dieser Situation war es schwer machbar, meine kleine Tochter war doch noch so jung, hatte keinen KiTa-Platz und ich war seit der Geburt Hausfrau gewesen.
Darum änderte sich durch die Trennung und die neue finanzielle Situation wider Erwarten an unserem Alltag eigentlich kaum etwas, außer, dass ich begann, einen guten KiTa-Platz zu suchen. Ich kam mit dem Geld sehr gut zurecht.
Natürlich hatte ich anfangs große Angst davor, nun arm zu sein und meine Kinder darunter leiden zu sehen. Darum griff ich zu einem einfachen Trick.
Ich habe mir eine Geldkassette zugelegt und ein Haushaltsbuch. In das Buch habe ich die Posten in Spalten geschrieben, Einkauf, Tanken, Taschengeld, Kleidung, Tabak, etc. Das Geld, das ich monatlich zur Verfügung hatte, habe ich auf Briefumschläge verteilt, die ich mit den gleichen Posten beschriftet habe.
Somit hatte ich immer eine genaue Übersicht und kam nicht in Versuchung, mehr zu kaufen als nötig war. Mein Sohn und ich haben wöchentlich gemeinsam einen Essensplan erstellt mit den Gerichten, die wir kochen wollten. So habe ich auch eingekauft, und zwar nur das, was wir dazu brauchten.
Weil es so gut funktionierte, habe ich uns schnell einen kleinen Alltags-Luxus mit eingeplant: Fünf Euro pro Monat waren für Süßigkeiten reserviert.
Natürlich kommt es auch mit dieser Methode darauf an, wie man die Prioritäten im Leben setzt. Ich bin von Natur aus ein sparsamer Mensch. Meinen Kindern fehlte jedenfalls an nichts. Klar, unser Budget war überschaubar, aber obwohl ich Raucherin bin, habe ich meinen Kindern alles ermöglicht, was machbar war.
Mal ein verlängertes Wochenende nach Holland oder so, das gab es trotzdem weiterhin. Mein Sohn musste auch auf ,richtigen‘ Urlaub nicht verzichten – er durfte beispielsweise mit der Jugendgruppe der katholischen Kirche in die Ferienfreizeit fahren.
Auch eine schöne Wohnung hatten wir, beide Kinder hatten ein eigenes Zimmer, auch mein Auto konnte ich mir weiterhin leisten.
Am Ende des Monats hatte ich auch mal 50 Euro übrig. Das geht alles, wenn man keine teuren Dinge wie Fernseher, die neuesten Smartphones und Konsolen kauft….
Den Tipp mit den Umschlägen kann ich wirklich jedem empfehlen. Es mag anfangs etwas umständlich und lästig sein, aber man gewöhnt sich schnell dran und gibt das Geld viel bewusster aus.
Ein Jahr nach der Trennung bekam ich einen Krippenplatz für meine Tochter, mit der Arbeitssuche gestaltete es sich trotzdem nicht einfach. Als alleinerziehende Mutter zweier Kinder, die außerdem keine abgeschlossene Ausbildung hat, ist man nicht unbedingt erste Wahl.
Dass ich keine abgeschlossene Ausbildung habe, kommt daher, dass es in meinem Leben schon lange turbulent zuging. Nach meiner mittleren Reife wollte ich mein Fachabi machen, doch es kam anders. In diesem Jahr haben sich meine Eltern getrennt und ich musste mit meiner Mama und meiner Schwester umziehen. Dadurch und durch den Kummer, den Trennungskinder nunmal haben, musste ich eine Klasse wiederholen.
Schnell habe ich außerdem gemerkt, dass ich lieber in die Pflege gehen wollte, als im Büro zu sitzen. Also habe ich angefangen, in einem Altenwohnheim zu arbeiten, was eine tolle Erfahrung war und mein absoluter Traumjob! Drei Jahre habe ich so – ohne Ausbildung – gearbeitet, bis ich ungeplant schwanger wurde.
Nach einer 6 Jahre andauernden, sehr unglücklichen Beziehung bin ich mit meinem Sohn ausgezogen, weil ein weiteres Zusammenleben einfach nicht möglich war. Um uns über Wasser zu halten, hatte ich in der Endphase drei Minijobs und einen kranken Opa zu Hause zu pflegen. Der Kindsvater war nämlich extrem faul und half mir gar nicht, weder ging er arbeiten noch machte er etwas im Haushalt. Fünf Monate nach dem Tod des Opas sind wir also gegangen.
Ich arbeitete weiter, lernte einen neuen Mann kennen, wurde wieder schwanger. Wieder ging die Beziehung in die Brüche, dieses Mal ein Jahr nach der Geburt unserer Tochter. Mein Herz war gebrochen und zum Liebeskummer kam die Tatsache, nun eine Hartz IV-Familie zu sein.
2014 fand ich endlich einen Job, Teilzeit und fast ganz familienfreundlich. Wenn ich doch mal Spätdienst hatte, ist jemand aus meiner Familie eingesprungen und hat die Kinderbetreuung übernommen. Zum Leben ohne staatliche Hilfe hat das Geld aber leider trotzdem nicht gereicht, mein Gehalt musste aufgestockt werden.
Anfang vergangenen Jahres hat sich meine Situation noch einmal radikal geändert und ich bin mit meinem Mann zusammengekommen. Ihn kannte ich schon seit 25 Jahren, aber wir haben unsere Zeit gebraucht, um zu merken, dass wir füreinander das ,Happy End‘ sind. Nun haben wir zusammen ein Baby bekommen, seit März diesen Jahres bin ich dreifache Mama und in Elternzeit.
Geld ist vorerst kein Thema mehr, mit dem ich mich viel beschäftigen muss – mein Mann arbeitet in der IT-Branche und verdient ziemlich gut. Ob ich zwei oder drei Jahre in Elternzeit bleibe, weiß ich noch gar nicht, aber das Thema Amt ist für mich Geschichte. Wieder arbeiten gehen werde ich, wenn unsere Prinzessin einen Kindergartenplatz hat, damit ich meinen Kindern ein gutes Vorbild sein kann.
Ich kenne inzwischen also beide Seiten – die der Arbeitslosen und die der gehobenen Mittelschicht. Abhängig von meinem Mann bin ich einerseits zur Zeit vielleicht, andererseits weiß ich, dass ich auch ohne ihn zurechtkommen würde, zur Not auch wieder mit Hartz IV.“
*Echter Name der Redaktion bekannt