Mir war schon als Jugendlicher klar, dass ich ein anderer Vater sein möchte, als mein Vater es für mich war. Er hat viel gearbeitet und auch in seiner freien Zeit war er kaum für mich und meine Geschwister da. Ich wollte es anders machen, für meine Kinder da sein und Zeit mit ihnen verbringen. Dabei hatte ich keine Ahnung, wie das geht, denn als Junge hatte ich immer den Eindruck, Karriere machen zu müssen. Heute bin ich verheiratet und Vater von zwei Kindern. Ich habe meine Vergangenheit so gut es ging aufgearbeitet und keinen Kontakt mehr zu meinem Vater. Das war gut und wichtig für das neue Abenteuer Familie.
Das Vatersein hätte ich mir nicht so schön und gleichzeitig so anstrengend vorgestellt.
Nächtliches Windelwechseln und in den Schlaf wiegen, Wutanfälle begleiten und ständiges an alles Denken müssen. Die emotionale Begleitung meiner Kinder durch den Alltag macht mich teilweise hilflos und die partnerschaftliche Aufteilung erfordert viele Absprachen. Meine Frau und ich arbeiten in Teilzeit und die Familienarbeit versuchen wir fair aufzuteilen. Klar gibt es auch mal Streit, vor allem dann, wenn Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Schlafen oder Duschen zum Beispiel, als die Kinder noch kleiner waren. Der Alltag ist aber soweit sehr gut strukturiert und funktioniert. Auch die Partnerschaft verläuft liebevoll, einfühlsam und ja, wir haben auch Sex.
Aber immer wieder stoße ich an meine Grenzen, weil ich zum Beispiel nicht gelernt habe, immer auf mein Gefühl zu hören und meine Bedürfnisse rechtzeitig zu äußern.
Dann vergesse ich wichtige Termine, halte Vereinbarungen nicht ein und rutsche wieder in bekannte Bewältigungsstrategien. Früher bin ich verstummt, habe mich zurückgezogen, die Verantwortung abgegeben und die Gründe bei anderen gesucht. Heute frage ich mich, was meine Anteile sind und ich wie ich in Kontakt zu mir und meinem inneren Kind gehen kann. Ja, ich habe gelernt, den Mental Load zu übernehmen und entwickle einen Blick für die kleinen und großen Zusammenhänge. Das macht mich aber noch lange nicht zu einem Super-Daddy – der ich auch gar nicht sein will.
Vaterschaft ist ein Recht und kein Privileg.
Ein aktiver Vater zu sein ist für mich gar nicht so einfach, weil alte Glaubenssätze tradierter Männlichkeitsanforderungen auf mich einwirken. Eine aktuelle Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt, dass 30 Prozent der Väter sagen, es sei abfällig auf ihren Wunsch nach Elternzeit reagiert worden. 19 Prozent fühlten sich unter Druck gesetzt, keine Elternzeit zu nehmen oder die Dauer zu reduzieren. Diese Erfahrung habe ich auch gemacht, als mir die Elternzeit beim ersten Kind nicht genehmigt wurde. Dafür durfte ich mir Sprüche anhören, dass meine Frau nur schwanger und nicht krank sei. Ob ich ihr zu Hause beim Stillen die Brust halten müsse und warum ich in Teilzeit arbeiten wolle, schließlich hätte ich doch eine Frau, die auf das Kind aufpasst.
Zum ersten Mal in meinem Leben wurde ich diskriminiert. Diese Erfahrung hat mich wütend gemacht und politisiert.
Übrigens helfe ich meiner Frau nicht im Haushalt und ich passe auch nicht auf die Kinder auf. Die Erzieher*innen im Kindergarten dürfen mich auf der Arbeit stören und nein, ich bin kein Witwer, nur weil ich meine Kinder seit der Geburt alleine zum Kinderarzt begleite. Auf dem Spielplatz bin ich weder Superheld und stelle auch niemandem nach.
Ich will keinen Applaus und auch keine bessere Mutter sein.
Versteht mich nicht falsch, Vatersein bedeutet in erster Linie Verantwortung für mich und meine Aufgaben in der Familie zu übernehmen. Mit meiner Frau habe ich eine Komplizin an meiner Seite, die es mir ermöglicht, Fehler zu machen und die mir den Rücken für meine Selbstentfaltung freihält. Das gelingt uns ganz gut, denn wir reden viel und intensiv über unsere Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse und überprüfen regelmäßig unsere Familienvision. Es braucht aber auch Komplizen in Unternehmen, Organisationen und Institutionen, die es Familien ermöglichen, eine partnerschaftliche Aufgabenteilung von Familie und Beruf zu leben.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Väter Verantwortung in der Familie übernehmen wollen. Dafür braucht es strukturelle Veränderungen und Individuelle Begleitung.
Mit Vaterwelten habe ich eine Plattform gegründet, die (werdende) Väter auf ihrem Weg zu einer aktiven Vaterschaft unterstützt und Unternehmen neue Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufzeigt.
Echte Gleichberechtigung kann nur gelingen, wenn wir Männer und Väter für diese Themen gewinnen.
Heiner Fischer (38) ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und lebt mit seiner Familie in Krefeld am Niederrhein. Nach insgesamt 36 Monaten Elternzeit hat er sich als Väter- und Männerberater selbständig gemacht und betreibt seitdem die Plattform vaterwelten.de. Im „Online Väter Kreis“ moderiert er Gesprächsgruppen und leitet Kurse zu aktiver Vaterschaft und neuer Vereinbarkeit. Politisch engagiert sich Heiner in der LAG Väterarbeit NRW und im Bundesforum Männer. Vor zwei Jahren hat er zum Vatertag die Kampagne #VaterschaftIstMehr ins Leben gerufen. Statt Bier, Bollerwagen und Bratwurst erzählen Väter, was Vaterschaft für sie bedeutet. Auf Instagram sind schon über 1.600 Beiträge sichtbar.