„Abgabe nur in haushaltsüblichen Mengen“: Diese Nachricht steht immer noch an den meisten deutschen Babynahrungs-Regalen. Egal ob bei Rossmann, dm oder Budnikowski, niemand darf mehr als drei Packungen Milchpulver kaufen. Vielerorts steht das Milchpulver nicht mal im Regal, sondern muss vom Personal auf Anfrage geholt werden.
Das ist manchmal ziemlich lästig, vor allem, wenn man ein Baby hat, das wie ein Weltmeister wächst und dementsprechend viel trinkt.
Aber warum ist das eigentlich so? Warum darf man nicht so viel Pre- oder Folge-Nahrung kaufen, wie man möchte, und warum bleiben so viele Regale und Einkaufswägen leer?
Die Antwort darauf ist: Das in Deutschland oder Europa hergestellte Milchpulver genießt einen exzellenten Ruf – und zwar nicht nur hierzulande, sondern auch weltweit – und wird deshalb massenweise verschickt. Und zwar von besorgten Eltern und Kriminellen, die die Situation in anderen Ländern ausnutzen.
Das Milchpulver geht vor allem nach China, wo das Vertrauen in die eigenen Babyprodukte in den letzten Jahren sehr gelitten hat.
Angefangen hatte alles 2008, als der erste Skandal China erschütterte: Einige Babys starben, weil das Milchpulver im bevölkerungsreichsten Land der Erde mit Melamin versetzt war – einer farblosen Substanz, aus der zum Beispiel Klebstoffe und Leime hergestellt werden.
2011 und 2012 dann der zweite Schock: Es wurde hochgiftiges Quecksilber in der Babynahrung gefunden, was schließlich den Milchpulver-Engpass in deutschen Geschäften zur Folge hatte. Denn die Chinesen lieben hiesige Marken und kauften in großen Mengen hierzulande ein, um ihre Babys sicher und gesund zu ernähren. Verständlich!
Aber es gibt eben ziemlich viele Chinesen, die in Deutschland leben bzw. Verwandte in der Heimat haben, die sie versorgen wollen.
So etwas hätten sie noch nie erlebt, sagten damals Hersteller wie Hipp und Danone. Leere Regale überall verbreiteten Panik unter deutschen Fläschchen-Eltern und Hamsterkäufe bescherten chinesischen Schmugglern, die das weiße Pulver dort zum doppelten oder dreifachen Preis verhökerten, goldene Nasen.
Obwohl die Einfuhr nach China auf zwei Packungen pro Kopf beschränkt war, boomte das Geschäft. Darum zog man in Deutschland die Konsequenzen und führte die Drei-Packungen-pro-Einkauf-Regel ein.
Das ist mittlerweile fünf Jahre her, aber immer noch gilt diese Regel. Grund dafür ist (fast) derselbe wie damals. Noch immer haben die Chinesen trotz groß angelegter Werbe-Kampagnen der eigenen Marken kein Vertrauen in die Hersteller des Heimatlandes.
Dazu kommt, dass die Mittel- und Oberschicht inzwischen vermehrten Fokus auf die Kinderernährung legt und dementsprechend bereit ist, viel Geld für Säuglingsnahrung auszugeben. Außerdem wurde 2015 das Ende der Ein-Kind-Politik beschlossen (Jede chinesische Familien durfte bis dahin nur ein Kind bekommen, um das Bevölkerungswachstum zu kontrollieren). Das bedeutet, dass heute noch mehr Babys satt werden wollen.
Deshalb kennen inzwischen auch Eltern in England und Australien das Schild am Regal mit Baby-Nahrung. Aktuell scheint die Situation in Australien zu eskalieren. Dort hat gerade eine Mutter folgendes Video im Supermarkt gedreht und veröffentlicht, auf dem eine Gruppe asiatischer Menschen durch das Geschäft rennt und alle Packungen mitnimmt.
Ganze Lagerhallen voller Babynahrung soll es in der Nähe von Brisbane und anderen Städten in Australien geben – alles für den Export nach China.
Warum die Milchpulver-Hersteller nicht einfach mehr produzieren, damit alle Babys satt werden? Das tun sie schon, doch sie kommen mit der Nachfrage kaum hinterher. Milupa & Co. versicherten schon 2014 gegenüber der „Wirtschaftswoche“, bereits die doppelte und dreifache Menge auf den Markt zu bringen.
Bleibt noch die Frage, warum man hierzulande die Verkäufer ins Lager scheuchen muss, bis man das süße weiße Pulver endlich in die Hände bekommt. Das liegt daran, dass Babynahrung auch sehr gerne gestohlen wird, wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ unter Berufung auf eine Studie des Handelsforschungsinstituts EHI berichtete.
Oft sind ganze Banden hinter der Milch her, gewerbsmäßiger Diebstahl ist das Stichwort. Denn immer noch ist es so, dass Aptamil, Milupa & Co. in China ziemlich viel Geld einbringen.
Auf Seiten wie dem chinesischen Ebay werden aktuell Packungen für rund 28 Euro angeboten – das Doppelte des deutschen Preises.