Hilfe, ist mein Kind schon ein Narzisst?

Claudia Schwarzlmüller
Claudia Schwarzlmüller
-Expertin

Claudia Schwarzlmüller begleitet seit 20 Jahren als Diplom-Psychologin für Kinder und Jugendliche Familien und Pädagogen in ihrem Leben und ihrer Arbeit mit Kindern.

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Dein Kind will immer im Mittelpunkt stehen, reagiert frustriert, wenn es nicht gewinnt, oder ist felsenfest davon überzeugt, alles besser zu wissen? Vielleicht hast du dich dann schon gefragt: Liegt der Fehler in meiner Erziehung oder zeigt mein Kind narzisstische Züge?

Immer wieder schreiben uns Mütter, die sich aus Beziehungen mit narzisstischen Partnern befreien mussten. Gerade wenn wir viel über Narzissmus in Beziehungen lesen oder selbst schon mit schwierigen Persönlichkeiten zu tun hatten, kann schnell die Sorge aufkommen: Was, wenn mein eigenes Kind sich in eine solche Richtung entwickelt? Die gute Nachricht vorweg: Narzissmus im eigentlichen Sinne gibt es bei Kindern nicht.

Warum Kinder manchmal „egoistisch“ wirken, warum das völlig normal ist und wie du stattdessen ihr gesundes Selbstwertgefühl fördern kannst, erfährst du hier.

Narzissmus bei Kindern? Das sagt die Psychologin dazu!

„Narzissmus ist, so ein bisschen wie das Wort Trauma, ein ‚Modewort‘ geworden“, erklärt Psychologin Claudia Schwarzlmüller. Viele Menschen seien schnell dabei, diesen Begriff für Menschen in ihrem Umfeld zu benutzen.

Tatsächlich sei Narzissmus aber eine Persönlichkeitsstörung, die erst im Erwachsenenalter diagnostiziert werden kann, da sich die Persönlichkeit vorher noch entwickelt. „Persönlichkeitsstörungen werden generell nicht bei Kindern diagnostiziert.

Warum verhalten sich Kinder manchmal so „egoistisch“?

Bestimmte Verhaltensweisen, die Eltern Sorgen bereiten, sind oft einfach Teil der normalen kindlichen Entwicklung. Schwarzlmüller beschreibt es so: „Es gibt, z. B. bei Dreijährigen und dann wieder im Vorschulalter, mehrere Phasen, bei denen Kinder einfach aufgrund ihrer Gehirnentwicklung unter grandioser Selbstüberschätzung leiden.“ Sie seien dann überzeugt, alles zu wissen und zu können. Das liege daran, dass sie noch keine realistische Vorstellung von ihren Fähigkeiten hätten.

Diese „magische Phase“, in der Kinder glauben, alles sei möglich, ist völlig normal. Erst mit der Zeit entwickeln sie logisches Denken und lernen, ihre Fähigkeiten realistischer einzuschätzen. „Angeben und Übertreiben und sich toll finden ist für Kinder vor der Schule völlig normal“, betont Schwarzlmüller.

Kann sich später eine narzisstische Persönlichkeitsstörung entwickeln?

Obwohl oft darüber spekuliert wird, warum manche Menschen im Erwachsenenalter eine narzisstische Persönlichkeitsstörung entwickeln, gibt es dazu keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse. „Leider gibt es hier keine eindeutige wissenschaftliche Forschung. Wir kennen die Ursachen noch nicht, dazu ist noch mehr Forschung nötig“, erklärt Schwarzlmüller.

Generell sei es aber sinnvoll, Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, ihnen realistische Rückmeldungen zu geben, sie Frust aushalten zu lassen und ihnen Selbstständigkeit zu ermöglichen. Dadurch lernen sie, ihre Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Mehr dazu kannst du auch in unserem Artikel „Lass es zu, dass dein Kind auch mal scheitert” lesen.

Wie unterscheidet sich ein gesundes Selbstwertgefühl von narzisstischem Verhalten?

Ein starkes Selbstwertgefühl entwickelt sich über Jahre. Schwarzlmüller erklärt: „So ungefähr ab 7–8 Jahren kann das Kind von der Gehirnentwicklung her Faktoren wie ‚Zufall‘ oder ‚Glück‘ in seine Beurteilung von Situationen mit einbeziehen.“ Jüngere Kinder beziehen hingegen alles auf sich – sie glauben zum Beispiel, dass jemand nur deshalb immer gewinnt, weil er besonders schlau oder talentiert ist.

Ein gesundes Selbstwertgefühl entsteht, wenn Kinder sowohl Bestätigung als auch ehrliches Feedback bekommen. Sie lernen dann, realistisch einzuschätzen, was sie gut können – und was noch Übung braucht.

Warum hält sich der Mythos vom „narzisstischen Kind“ so hartnäckig?

„Es gibt Kinder, die keine Grenzen erfahren und ein anspruchsvolles Verhalten entwickeln – aber hier von Narzissmus zu sprechen, tut diesen Kindern nicht gut“, sagt Schwarzlmüller. Der Begriff „Narzisst“ werde heute oft leichtfertig benutzt, besonders in problematischen Beziehungen. Möglicherweise habe sich diese Entwicklung nun auch auf Kinder ausgeweitet.

Dabei sei eine echte narzisstische Persönlichkeitsstörung auch im Erwachsenenalter sehr selten – und könne nur von Fachleuten diagnostiziert werden.

Keine Angst, dein Kind wird mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Narzisst!

Wenn dein Kind mal angibt, sich selbst überschätzt oder nicht immer rücksichtsvoll ist, dann ist das völlig normal. Kinder sind dabei, ihre Persönlichkeit zu entwickeln – und das geht nur durch Erfahrungen. Statt sich Sorgen über Narzissmus zu machen, hilft es, ihnen sanfte Grenzen zu setzen, ehrliches Feedback zu geben und sie in ihrer Selbstständigkeit zu unterstützen.

Oder, wie es Claudia Schwarzlmüller auf den Punkt bringt: „Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist eine Störung im Erwachsenenalter und kommt nur sehr selten vor. Vorher entwickelt dein Kind gefühlte dreitausend andere Probleme. Es ist keine realistische Gefahr, mit der du dich belasten solltest.

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Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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