Hochsensible Kinder erkennen und verstehen

Ist dein Kind gegenüber Eindrücken aus der Umwelt feinfühliger als andere und schnell überfordert? Hat es besonders viel Mitgefühl und kann Streit und Konflikte nicht aushalten? Reagiert es besonders empfindlich auf bestimmte Gerüche, Stoffe oder Berührungen? Dann könnte es ein hochsensibles Kind sein. Woran du hochsensible Kinder erkennst, was du über Hochsensibilität wissen solltet und wie du mit ihr umgehst, erklären wir dir hier.

1. Was genau sind hochsensible Kinder?

Hochsensibilität ist eine besondere Veranlagung, die laut Schätzungen etwa 15 % aller Menschen betrifft. Diese besondere Veranlagung diente in frühen Jahren der Menschheit dazu, mögliche Gefahren schneller wahrzunehmen, und Andere zu warnen. Heute wird Hochsensibilität leider oft missverstanden – hochsensible Kinder werden als „zu schüchtern“, „weinerlich“, „jähzornig”, „überempfindlich” oder „schwierig” abgestempelt. In Wahrheit sind diese Eigenschaften oftmals die Folgen einer unerkannten Hochsensibilität.

2. Welche Eigenschaften haben hochsensible Kinder?

Wenn ein Kind hochsensibel ist, ist es meistens besonders empathisch und intuitiv, aber auch sehr empfindlich. In den meisten Fällen sind hochsensible Kinder besonders feinfühlig. Sie nehmen mehr subtile Informationen aus der Umwelt auf, erkennen komplexere Zusammenhänge und haben außerdem einen ausgeprägten Sinn für die Gefühle anderer.

Diese Eigenschaften sind in vielen Situationen hilfreich, doch die überempfindliche Wahrnehmung kann die Kinder auch schnell überfordern und belasten. Sie können mit den Eindrücken nicht immer richtig umgehen und sind deshalb schnell unkonzentriert oder gereizt. Hochsensible Kinder benötigen daher besondere Aufmerksamkeit und Akzeptanz, und auch die Erziehung sollte an ihre Bedürfnisse angepasst werden.

3. Hochsensibilität ist vererbbar

Hochsensibilität zeigt sich in allen Altersgruppen auf die gleiche Weise. Daher kommt es oft vor, dass Eltern, die sich über hochsensible Kinder informieren, plötzlich feststellen, dass sie selber hochsensibel sind. Experten gehen davon aus, dass diese Eigenschaft von den Eltern oder Großeltern vererbt werden kann.

4. An diesen Anzeichen erkennst du, dass dein Kind hochsensibel ist

Hochsensibilität bei kleinen Kindern festzustellen, ist selbst für Kinderpsychologen nicht einfach. Kleinkinder können ihre Empfindungen und Bedürfnisse nur begrenzt ausdrücken. Doch anhand bestimmter Merkmale kannst du trotzdem feststellen, ob es sich bei deinem Kind um ein hochsensibles handelt. Das ist der Fall, wenn die Mehrheit der folgenden Punkte erfüllt wird:

  • Hat ein großes Harmoniebedürfnis
  • Nimmt Konflikte in der Familie sehr persönlich
  • Vermeidet Streit, wann immer es geht
  • Hat eine sehr ausgeprägte Intuition und Feinfühligkeit
  • Nimmt alle Sinneseindrücke intensiver wahr
  • Ist empfindlich gegenüber Licht, Gerüchen, bestimmten Stoffen oder Farben
  • Hat eine höhere Empfindlichkeit gegenüber Berührungen
  • Liebt das Schöne, Ästhetische und die Kunst
  • Besitzt viel Fantasie und nutzt eine Traumwelt als Rückzugsort
  • Hat starkes Mitgefühl mit Menschen und Tieren
  • Verfügt über einen ausgeprägten Sinn für Ethik und Gerechtigkeit
  • Übt starke Selbstkritik, stellt hohe Ansprüche an sich selbst, wird von Selbstzweifeln geplagt
  • Kritisiert gern, aber nimmt Kritik schlecht an
  • Ist leicht überfordert, was sich durch Konzentrationsschwäche oder gar körperliche Schwäche wie Schwindel zeigt
  • Neigt zu Überreaktionen oder Wutausbrüchen
  • Nimmt plötzliche Umstellungen und Neues nur schwer an
  • Benötigt nach aufregenden Phasen viel Ruhe und Schlaf
  • Wirkt oft erwachsener als seine Altgenossen
  • Hoher Sprachschatz im jungen Alter und besseres Sprachverständnis
  • Hinterfragt Dinge und philosophiert
  • Erkennt Lügen schnell
  • Hat einen vernetzten Denkstil (eher breit gefasst statt Spezialgebiet oder Inselbegabung)
  • Ist ein zurückhaltender Einzelgänger
  • War oder ist als Baby ein Schreikind
  • Litt oder leidet an „plötzlichem Nachtschreck”

5. Hochsensible Kinder im Kindergarten

Da hochsensible Kinder oft Schwierigkeiten mit Veränderungen haben, fällt die Hochsensibilität häufig bei der Kita-Eingewöhnung auf. Diese große Umstellung fällt den Kindern schwer, da sie sich ihren Altersgenossen nicht zugehörig fühlen. Bestimmte soziale Grenzen haben sie noch nicht kennengelernt – oder sie nehmen sie zu persönlich. Auch aufregende Situationen wie Feiern oder Geburtstage sind für hochsensible Kinder stressig und können sie schnell überfordern.

6. Hochsensible Kinder in der Schule

Auch im Schulalter kann sich die Hochsensibilität bei Kindern zeigen. Vor allem dann, wenn sie mit Autoritätspersonen und Kritik konfrontiert werden. In der Schule sind sie oft Einzelgänger oder verstehen sich besser mit Älteren. Häufig werdenhochsensible Kinder als „verhaltensauffällig“ bezeichnet oder mit Diagnosen wie AD(H)S abgestempelt.

7. Hochsensible Kinder brauchen Auszeiten

Im Kopf eines hochsensiblen Kindes herrscht den ganzen Tag Hochbetrieb. Es wird von Reizen überflutet und ist schnell damit überfordert, alle Eindrücke zu verarbeiten. Deshalb ist es wichtig, dass die Kinder genug Auszeiten bekommen, um sich zu entspannen. Für uns Eltern heißt das: Keine durchgeplante Woche voller Termine und Aktivitäten. Nicht jeden Nachmittag zum Singen, Schwimmen, Sport und auch nicht täglich Verabredungen treffen. Es auch am Wochenende mal ruhig angehen lassen, damit unser Schatz zur Ruhe kommen kann.

8. Hochsensible Kinder: Diese Unterschiede gibt es

Etwa zwei Drittel der hochsensiblen Kinder sind introvertiert, ein Drittel ist extrovertiert. Somit sind hochsensible Menschen nicht immer leise, friedlich und ruhig – sie können auch gesellig und aktiv sein. Nicht selten sind plötzliche Wutausbrüche oder „Explosionen”, die scheinbar aus dem Nichts kommen. Auf der anderen Seite können sich hochsensible Kinder auch komplett zurückziehen und „implodieren“, wenn sie überfordert sind.

Unterschiede zeigen sich auch zwischen den Geschlechtern, was an den Rollenbildern liegt, die noch immer unsere Gesellschaft prägen. Hochsensibilität bei Mädchen bleibt öfter unentdeckt als bei Jungen. Eigenschaften wie empfindlich, ruhig, friedliebend oder zurückhaltend, die mit Hochsensibilität einhergehen, gelten bei Mädchen häufig als „normal“. Wenn Jungen über solche Eigenschaften verfügen, haben sie oft mehr Schwierigkeiten, ihre „Rolle“ in der Gesellschaft zu erfüllen. Nicht selten kommt es vor, dass solche Jungen sehr viel Druck ausgesetzt sind und sich letztendlich den „starken Typen“ anpassen, um akzeptiert zu werden.

9. Hohe Sensibilität kann auch körperliche Symptome auslösen

Hochsensibilität ist keine Krankheit. Allerdings kann sie sich auch durch körperliche Symptome zeigen, denn hochsensible Menschen sind besonders anfällig für psychosomatische Beschwerden. Wenn dein Kind gestresst ist, sich unverstanden fühlt oder keine Ruhe findet, sind körperliche Probleme wie Bauch- oder Kopfschmerzen, Verdauungsproblemen oder Infekte die Folge. Hochsensible Kinder haben sprichwörtlich eine „dünne Haut“ und sind öfter von Allergien und Hautbeschwerden betroffen.

10. Wie kann ich testen lassen, ob mein Kind hochsensibel ist?

Hochsensibilität kommt relativ häufig vor, daher ist nicht unwahrscheinlich, dass auch dein Kind hochsensibel ist. Besonders, wenn auch du dich in den beschriebenen Merkmalen wiederfindest.

Solltest du den Verdacht haben, dass dein Kind hochsensibel ist, ist eine Beratung bei einem Kinderpsychologen sinnvoll. Dieser kann dann feststellen, ob es sich um Hochsensibilität, Hochbegabung, AD(H)S oder Autismus handelt, da sich diese in vielen Merkmalen überschneiden. Er kann dir dann auch weitere Schritte empfehlen, wie du am besten auf die Bedürfnisse deines Kindes eingehst.

10. So kannst du hochsensible Kinder fördern und unterstützen

Für viele Eltern sind hochsensible Kinder eine Herausforderung. Sie brauchen besondere Aufmerksamkeit, spezielle Anpassungen und ein Feingefühl für ihre Bedürfnisse. Es ist wichtig, dass du dein Kind so annimmst, wie es ist, auch wenn es vielleicht deine Erwartungen nicht erfüllt. Hochsensible Kinder sind nicht schwach! Ganz im Gegenteil: Wenn Eltern und Kinder lernen, mit dieser Besonderheit umzugehen, liegt in der Sensibilität eine große Stärke.

Wichtig ist es, besonders das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl deines Kindes zu stärken. Deshalb solltest du keine generalisierten Drohungen aussprechen („Wenn du das jetzt machst, wirst du nie…“) Versuche außerdem, ein Vorbild für dein Kind zu sein. Und wenn dein Kind lieber für sich spielen möchte als mit anderen, akzeptiere das, und versuche nicht, es vom Gegenteil zu überzeugen.

Außerdem solltest du deinem Kind immer wieder deine Wertschätzung zeigen. Sage ihm zum Beispiel, dass du es toll findest, wie neugierig und eifrig bei der Sache ist. Und dass du verstehst, wenn es müde ist und seine Ruhe braucht. Und das Wichtigste: Vergleiche dein Kind nicht mit anderen.

11. Dein Kind ist hochsensibel? Was Eltern beachten sollten

Hochsensible Kinder brauchen die Akzeptanz ihrer Eltern und besondere Aufmerksamkeit. Sie sind einfach anders und haben spezielle Bedürfnisse. Dabei ist besonders wichtig, dass dein Kind sich angenommen fühlt und lernt, mit seiner Besonderheit umzugehen. Allgemein sollten Eltern sich um Folgendes bemühen:

  • Interesse für die Empfindungen des Kindes zeigen, es nicht verspotten oder auslachen
  • Erkennen, dass höhere Sensibilität keine Schwäche ist
  • Für Harmonie zu Hause sorgen, damit es zu einem sicheren Zufluchtsort wird
  • Den Alltag entschleunigen und für eine ruhige und reizarme Umgebung sorgen
  • Routine einführen und für möglichst wenig Veränderungen sorgen

Meist sind es schon kleine Veränderungen, die für hochsensible Kinder einen großen Unterschied machen. Wenn dein Kind zum Beispiel keine Jeanshosen mag, solltest du einfach Stoffhosen kaufen. Ist es empfindlich gegenüber Kritik, kannst du versuchen, die Situation auf Augenhöhe zu erklären, und nicht wie eine Autoritätsperson auftreten.

12. Hochsensible Kinder: Erziehung anpassen

Auf keinen Fall solltest du versuchen, hochsensible Kinder umzuerziehen oder ihnen ihre Besonderheiten abzugewöhnen. Damit kannst du ihnen leicht den Eindruck vermitteln, das mit ihnen etwas „nicht richtig“ ist. Wichtig ist, dass du immer daran denkst: Dein Kind möchte nicht mit Absicht „schwierig“ sein oder dich mit seinem Verhalten „belasten“. Ganz im Gegenteil: Da hochsensible Kinder so harmoniebedürftig sind, versuchen sie oft, es anderen Menschen recht zu machen, und sich ihnen anzupassen.

Auf der anderen Seite solltest du ein hochsensibles Kind auch nicht in Watte packen und von der Realität fernhalten. Genau dazu neigen nämlich Eltern, die selbst hochsensibel sind. Sie können sich besonders gut in ihr Kind hineinversetzen und möchten es vor der Außenwelt beschützen. Besser ist es, eine Balance zu finden und die eigenen Handlungen zu hinterfragen, um das Kind positiv zu beeinflussen.

12. Tipps für den Alltag mit hochsensiblen Kindern

Für hochsensible Kinder ist ein geregelter Alltag besonders wichtig. Du kannst deinem Kind helfen, wenn du folgende Tipps beachtest:

  • Sorge für möglichst wenig Reize
    Das bedeutet zum Beispiel, dass du den Fernseher oder auch das Radio auslässt, wenn du mit deinem Kind spielst. Trefft euch ruhig mit anderen Kindern, aber nicht ständig, und nur, wenn es dein Kind nicht überfordert. Und auch, wenn es verlockend ist: Biete deinem Kind am besten nicht zu viele Spielzeuge auf einmal an.
  • Sorge für ausreichend Auszeiten
    Wie schon gesagt sind Auszeiten für hochsensible Kinder besonders wichtig. Zwischen all den Eindrücken und Reizen braucht es genpgend Raum und Zeit, um zur Ruhe zu kommen.
  • Führe Rituale und feste Abläufe ein
    Ein strukturierter Alltag sorgt dafür, dass dein Kind sich sicher fühlt. Es weiß genau, was wann und in welche Reihenfolge passiert, und muss keine Angst vor ständigen Veränderungen haben.
  • Plane genug Zeit für Veränderungen ein
    Veränderungen bedeuten für hochsensible Kinder jede Menge Stress. Deshalb solltest du es möglichst langsam angehen lassen. Für die Kita-Eingewöhnung brauchen die Kinder zum Beispiel oft länger, auch ein Umzug kann sie leicht aus der Bahn werden.
  • Gib deinem Kind Liebe und Geborgenheit
    Hochsensible Kinder brauchen besonders viel davon. Sei für dein Kind da und nimm es und seine Bedürfnisse erst. Gib ihm das Gefühl, dass du es verstehst, und es immer zu dir kommen kann.
  • Setze trotzdem klare Grenzen
    Wenn dein Kind hochsensibel ist, heißt das nicht, dass du es in Watte packen musst. Klare Grenzen und Regeln helfen auch deinem Kind, besser mit dem Alltag klarzukommen.

13. Liebe Eltern, seid nicht zu hart mit euch selbst

Eltern von hochsensiblen Kindern neigen häufig dazu, sich Vorwürfe zu machen, wenn sie einmal anders reagieren, als es ihr Kind gebraucht hätte. Denkt deshalb bitte immer daran: Niemand ist perfekt – auch wir Eltern nicht. Es gibt mal einen stressigen Tag, wir sind überfordert, gereizt, schlecht gelaunt oder müde. Nicht immer können wir besonnen reagieren, und Fehler passieren nun mal. Deshalb: Seid nicht zu hart zu euch selbst. Schließlich ist Erziehung ein Lernprozess für alle Seiten. Und das gemeinsame Lernen kann auch die Eltern-Kind-Beziehung ganz besonders und einzigartig machen.

Du möchtest dich mit anderen Müttern hochsensibler Kinder austauschen? Dann komm in unsere geschlossene Facebook-Gruppe „Wir sind Echte Mamas„.

Mehr zu hochsensiblen Kindern – im Echte Mamas-Podcast

Wenn du noch mehr Infos zum Thema hochsensible Kinder haben möchtest, dann ist der Echte Mamas-Podcast bestimmt etwas für dich. Unsere Kollegin Isabelle hat dort mit Beate Viehmann, einem Coach für hochsensible Menschen, gesprochen:

Wiebke Tegtmeyer

Nordisch bei nature: Als echte Hamburger Deern ist und bleibt diese Stadt für mich die schönste der Welt. Hier lebe ich zusammen mit meinem Mann und unseren beiden Kindern. Nach meinem Bachelor in Medienkultur, einem Volontariat und einigen Jahren Erfahrung als (SEO-)Texterin bin ich passenderweise nach meiner zweiten Elternzeit bei Echte Mamas gelandet. Hier kann ich als SEO-Redakteurin meine Leidenschaft für Texte ausleben, und auch mein Herzensthema Social Media kommt nicht zu kurz. Dabei habe ich mich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Ernährung von der Schwangerschaft über die Stillzeit bis hin zum Babybrei beschäftigt. Und wenn ihr auf der Suche nach einem Vornamen für euer Baby seid, kann ich euch garantiert passende Vorschläge liefern. Außerdem nutze ich die Bastel-Erfahrungen mit meinen beiden Kindern für einfache DIY-Anleitungen. Wenn der ganz normale Alltags-Wahnsinn als 2-fach Mama mich gerade mal nicht im Griff hat, fotografiere ich gern, gehe meiner Leidenschaft für Konzerte nach oder bin im Volksparkstadion zu finden.

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derPapa
derPapa
3 Jahre zuvor

Danke…