Simone und ihr Exmann haben ein Familienmodell gewählt, das in ihrem Umfeld immer wieder auf Unverständnis stieß. Nach ihrer Trennung entschieden die Eltern, dass die gemeinsame Tochter beim Papa aufwächst und Simone Wochenend-Mama wird. Warum dieses Modell für die Familie genau das richtige war, erzählt sie euch am besten selbst:
„Wir haben uns getrennt, als unsere Tochter vier Jahre alt war. Mein Exmann ist immer von unserem Wohnort in eine andere Stadt gependelt, jeden Tag über eine Stunde und wieder zurück. Ich hatte einen 40-Stunden-Job, in der Stadt, in der wir auch gelebt haben und die Situation war damals auch so, dass wir finanziell auf meinen Job angewiesen waren.
Es lief bei meinem Exmann damals nicht gut und wir musste zusehen, dass wir irgendwie die Haushaltskasse vollkriegen. Mein Vollzeitjob damals hat mir super viel Spaß gemacht, aber die Stelle war alles andere als flexibel.
Also konnte ich nach der Trennung meine Stunden nicht reduzieren.
Ich musste mich entscheiden: Entweder bleibt unsere Tochter bei mir und ich bin fest in einem 40-Stunden-Job, ohne Option und große Möglichkeiten, mir was anderes zu suchen. Die Kitas in unseren Wohnort hatten immer nur bis 14:00 Uhr offen und ich hätte dann schon allein deshalb ein Problem gehabt.
Für meinen Exmann stand damals fest, dass er zurück nach Hamburg geht, um es leichter zu haben. Der war nur meinetwegen in die Stadt, in der wir als Familie gelebt haben und ist dann immer gependelt.
Also zog er zurück nach Hamburg.
Seine Familie hat in Hamburg gelebt und meine Tochter war schon immer ein Papa-Kind. Natürlich habe ich auch immer ein enges Verhältnis zu ihr gehabt, das ist völlig außer Frage. Aber sie war ein Papa-Kind und auch zu ihrer Oma hatte sie ein sehr enges Verhältnis – und die lebte ebenfalls mit Opa in Hamburg.
In Hamburg konnte mein Exmann ihr damit eine familiäre Struktur bieten, die mir das Gefühl gegeben hat, dass meine Tochter dort geborgen ist. Er hatte außerdem viel flexiblere Arbeitszeiten als ich. Bei mir wäre es from 9 to 5 gewesen, ich hätte sie den ganzen Tag nicht gesehen und hätte sie abends zwei Stunden gehabt, morgens dann wieder schnell, schnell in die Kita.
Ich wollte ihr das nicht zumuten damals.
Die Vorstellung fand ich unangenehm. Es war auch so ein Thema für mich, dass die Trennung von mir ausging und ich wollte meinem Exmann nicht auch noch unser Kind wegnehmen. Das hat mich bei der Entscheidung natürlich auch beeinflusst. Mein Exmann und ich waren immer noch gute Freunde.
Ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht, die beiden auseinanderzureißen. Das war wirklich die allerschwerste Entscheidung, die ich in meinem Leben je treffen musste. Ich habe sie zum Glück nie bereut.
Ich hab’s trotzdem manchmal verflucht.
Einfach die ganze Situation, denn für meine Tochter war das natürlich schwierig, getrennt von Mama zu sein. Ich habe sie dann wirklich nur noch am Wochenende gesehen. Es hat sich aber immer richtig angefühlt, weil ich wusste, sie hat hier in Hamburg ein viel besseres Leben, sie ist viel mehr mit Papa zusammen als sie mit mir zusammen wäre.
Sie macht fast jeden Tag viele tolle Dinge mit der Oma und hatte dort auch noch ihre Cousine, die auch sehr viel Zeit bei der Oma verbracht hat. Die beiden sind wie Schwestern aufgewachsen und ich wusste, dass es ihr damit gut gehen wird, dass sie ein stabiles Umfeld hat – voller Liebe.
Deswegen habe ich die gemeinsame Entscheidung nie bereut.
Das war schon richtig damals und trotzdem natürlich super hart, weil ich sie plötzlich nur noch am Wochenende gesehen habe. Das hat aber von Beginn an gut funktioniert. Mein Exmann und ich haben dann in Hamburg sogar noch gemeinsam ein Haus gekauft und so hat er mit ihr ein Zuhause aufgebaut und ich habe dort tatsächlich am Wochenende auch übernachtet.
Wir haben auch noch zusammen Ausflüge gemacht. Wir hatten noch eine sehr starke freundschaftliche Ebene und auf dieser haben wir uns einfach immer noch super nahe gestanden. Deswegen hat das alles funktioniert. Trotzdem war es ein Konstrukt, was viele Leute von außen überhaupt nicht verstanden haben.
Für die meisten Menschen gibt es nur Trennung und Rosenkrieg.
Man hat sich danach nicht mehr zu mögen. Man hat sich bitte danach irgendwie zu streiten. Wie kann die Mutter ihr Kind beim Vater lassen? Wie oft habe ich es erlebt, dass ich mich dafür rechtfertigen musste. Dabei war ihr Papa von Beginn an kompletter Teil ihres Lebens. Er war immer da.
Er war genauso viel für sie da wie ich – vielleicht sogar mehr. Er hat mehr Arzttermine gemacht, hat sie morgens in die Kita gebracht, mittags abgeholt, mit ihr Mittag gegessen, auch als wir noch zusammen waren. Wir haben uns beide immer total darüber aufgeregt, mit was für Vorurteilen einem die Leute entgegenkommen.
‚Oh Gott! Wie kannst du dein Kind beim Vater lassen?‘
Als ob ich sie einem Sklavenhändler verkauft hätte. Er wurde in seiner Rolle als Papa oft ignoriert. Mütter haben zum Beispiel immer mich angerufen, wenn sie Verabredungen treffen wollten. Und er dachte sich dann oft: ‚Hallo, ich bin die Hauptbezugsperson, warum rufst du mich nicht an?‘ Das hat uns beide geärgert.
Er hat sich tierisch darüber aufgeregt, dass ihm solche Vorurteile entgegengebracht wurden von anderen Eltern, die ihm nicht zugetraut haben, sich gut um seine Tochter zu kümmern. Eigentlich war er fast die bessere Mama, es war einfach unfair.
Ich habe ewig damit gekämpft, dass mich die Leute immer wieder darauf angesprochen haben.
Selbst meine beste Freundin hat damals zu mir gesagt: ‚Du machst einen Riesenfehler. Du wirst es irgendwann so bereuen.‘ Aber das habe ich nie, ich habe es nie bereut. Trotzdem war es ständig Thema.
Wir haben dieses Modell erfolgreich so gelebt, bis mein Exmann verstorben ist. Meine Tochter hat von 4 bis 12 Jahren bei ihm gelebt. Wir haben acht Jahre lang super Co-Parenting durchgezogen. Zum Glück waren die Stimmen aus unserem Umfeld nicht nur negativ. Viele haben auch gesagt: ‚Irgendwie merkt man gar nicht, dass ihr getrennt seid‘, weil wir auf dieser Ebene immer noch so gut zusammengearbeitet haben.
Ich habe den Vater meiner Tochter relativ früh kennengelernt.
Wir haben viel miteinander durchgestanden. Es hat von allen Seiten funktioniert. Das fanden, glaube ich, viele Menschen von außen immer total merkwürdig und ungewöhnlich, für uns war es das Normalste der Welt. Wir standen auch weiterhin im ständigen Austausch miteinander.
Wenn unsere Tochter bei mir war, habe ich meinem Exmann geschrieben, was wir gerade machen und wie es ihr geht und habe ihm Fotos geschickt und er umgekehrt genauso. Wir konnten das überhaupt nicht verstehen, dass man es nach einer Trennung nicht schafft, gut miteinander klarzukommen. Schließlich hat man ein Kind zusammen, man hat sich geliebt. Man war beste Freunde. Warum sollte das auf einmal nicht mehr gehen?
Klar, Streit hatten wir natürlich auch mal.
Wir haben uns noch zehn Jahre später immer noch über die gleichen Themen gestritten, die zur Trennung geführt haben. Das hat uns gezeigt, warum wir eben kein Paar mehr sind. Aber wir haben als Eltern für unsere Tochter immer sehr gut funktioniert.
Wir waren gemeinsam auf Elternabenden, Elternsprechtagen, haben uns verabredet, haben noch Ausflüge zusammen gemacht, haben ihre Geburtstage zusammen organisiert. Ich war trotzdem nah dran, weil er dazu beigetragen hat, dass ich das sein konnte und mich an allen hat teilhaben lassen.
Später bin ich in die Nähe von meinem Exmann und meiner Tochter gezogen.
Wir haben dann nur noch einen Stadtteil voneinander entfernt gewohnt. Für mich war schon von Beginn an klar, dass ich nicht auf ewig diese Distanz haben möchte. Sobald ich einen Job hatte, der das zugelassen hat, bin ich umgezogen. Es war aber auch klar, dass wir dann die Konstellation nicht mehr in Frage stellen, dass unser Kind beim Papa lebt.
Diese Zeit als reine ‚Wochenendmama‘ war wahnsinnig anstrengend. Meine Tochter sagt auch immer noch über diese Zeit: ‚Ja, Mama, das war schon für uns alle eine harte Zeit. Ich habe dich auch sehr vermisst in der Zeit.‘ Als ich dann mit meinem neuen Partner wieder in ihre Nähe gezogen bin, konnte ich auch unter der Woche für sie da sein.
Unsere Tochter war dann oft die halbe Woche bei mir.
Seit dem Tod meines Exmannes leben meine Tochter und ich wieder zusammen, ich bin also wieder Vollzeit-Mama. Es war für uns beide erstmal wieder eine Umstellung, die natürlich total von der Trauer überschattet war. Wir hatten gar keine Zeit, uns Gedanken zu machen, wie sich das eigentlich jetzt für uns anfühlt.
Dadurch, dass es auch vorher keine emotionale Distanz zwischen uns gegeben hat, war es für mich gut möglich, sie aufzufangen und in meine Arme zu schließen. Aber es war schon ein krasser Prozess, alles in allem. Es ist ein Geschenk, dass ich jetzt wieder 100 % meiner Zeit mit ihr als Vollzeit-Mama verbringen darf.
Aber natürlich hätten wir es uns beide andere Umstände gewünscht.
Meine Tochter hat also schon ganz schön was durchgemacht mit uns, das muss man wirklich sagen. Mein neuer Partner und ich sind zu ihr in das Haus meines Exmannes gezogen und erst kürzlich habe ich realisiert, dass sie jetzt hier wirklich mal so komplett zu Hause ist. Sie wird hier gar nicht mehr rausgenommen, sie übernachtet nicht mehr woanders. Ihre Sachen sind zum ersten Mal alle an einem Ort.
Trotzdem weiß ich, dass unser Modell das richtige für uns war. Ich hätte mir damals nicht vorstellen können, sie zu mir zu nehmen und sie damit von ihrem Papa zu trennen, obwohl ich weniger Zeit für sie gehabt hätte. Das hat mir meine Mama-Intuition auch ganz deutlich gesagt damals und das habe ich nie bereut. Rückblickend könnte ich mich aber immer noch über das Unverständnis aufregen, das unserem Familienmodell entgegengebracht wurde.
Unterschwellig wurde mir da einiges unterstellt.
‚Bist du vielleicht keine gute Mama? Schaffst du das alles nicht? Bist du vielleicht überfordert? Du schiebst dein Kind ab.‘ Aber ich glaube, das liegt einfach daran, dass es so extrem tief verankert ist in der Gesellschaft, dass man als Mutter gefälligst alles stehen und liegen lassen muss. Und das Kind muss auf jeden Fall bei der Mutter sein, egal ob das logisch ist und ob das wirklich Sinn macht oder nicht.
Dieses Bild ist einfach so tief verwurzelt, dass man wahrscheinlich im ersten Moment stutzt und denkt: ‚Ich habe das doch anders gelernt, das muss doch jetzt eigentlich die Mutter machen.‘ Es wurde oft auch nicht so richtig respektiert, dass wir diese Entscheidungen gemeinsam getroffen haben. Es kamen dann so Sätze wie: ‚Er hat dich doch bestimmt dazu gedrängt. Hat er dich überredet?‘ Als ob ich kein eigenständiger Mensch wäre, der sehenden Auges mit vollem Bewusstsein für sein Kind eine verantwortungsbewusste Entscheidung treffen kann.
Ich habe nur ganz wenige Personen gehabt, die das wirklich so richtig verstanden haben.
Die gesagt haben: ‚Wie cool, dass du wirklich so ganz ruhig diese Entscheidung für dich reinen Gewissens treffen konntest und dass ihr am Ende beide so fein damit wart.‘ Die anerkannt haben, dass wir letztendlich einfach ganz stur danach entschieden haben, was für unsere Situation das Beste ist – unabhängig von gesellschaftlichen Erwartungen.”
Liebe Simone, vielen Dank, dass wir deine Geschichte erzählen durften. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!
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WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
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Eine Tochter braucht definitiv, Mama und Papa! Meine drei Töchter hatten immer beides. Doch als Mama, durch eine verfuschte OP in der Uni Klinik Frankfurt, nicht mehr schmerzfrei reden, essen, lachen usw konnte, haben diese Töchter die Welt nicht mehr verstanden. Mama war doch immer so stark. Schließlich waren und sind da ja auch noch zwei Brüder! Oh man/frau…fünf Kinder und eine kranke Mama…Katastrophe vorprogrammiert!