„Mein Mann und ich waren schon lange verheiratet und beruflich angekommen. Der perfekte Zeitpunkt, um dem Kinderwunsch nachzukommen. Mein Mann träumte von einer großen Familie, ich konnte mir nur zwei Kinder vorstellen. Wir einigten uns darauf, von Kind zu Kind zu schauen.
Mein großer Wunsch war schon immer, Mutter einer Tochter zu sein.
Ich stellte mir vor, wie meine Tochter und ich zusammen tanzen und ich ihre Haare flechte und wir später zusammen auf Reisen gehen. Von Anfang an hatte ich eher den Wunsch nach einem Mädchen, als einen Kinderwunsch. Nach einigen Monaten wurde ich schwanger und es stellte sich heraus, dass ich einen gesunden Jungen bekam.
Die kurze Trauer über das vermeintlich ‚falsche‘ Geschlecht schob ich schnell beiseite und freute mich vollen Herzens auf meinen Sohn. Ich wurde eine fantastische Jungs-Mutter. Kein Klettergerüst war vor mir sicher und ich sprang auf jedem Trampolin so hoch es ging. Meinen Sohn liebte ich mit jeder Faser meines Herzens.
Trotzdem: Der Wunsch nach einer Tochter wurde zunehmend stärker.
Wehmütig strich ich über rosa Kleidchen und nahm jede Tochter in meinem Freundeskreis ein Stück länger in den Arm. Mein Mann war sofort begeistert, als ich ein zweites Kind ansprach. Diesmal recherchierte ich heimlich im Internet, welche Hausmittelchen denn vielleicht zu einer Tochter verhelfen könnten. Ich führte eine bestimmte Diät und verführte meinen Mann vor allen Dingen etwas vor dem Eisprung.
Ich nahm das alles sehr genau und hoffte inständig auf ein Mädchen. Es wurde: ein Junge. Diesmal hielt die Trauer etwas länger an, aber mit Fortschreiten der Schwangerschaft freute ich mich vollen Herzens auf meinen zweiten Sohn. Und als ich ihn in meinen Händen hielt, war mein Mädchen-Wunsch fast vergessen. Mein zweiter Sohn war ganz anders als mein erster Sohn. Es war schön, ihn aufwachsen zu sehen und ich war glücklich mit meinen beiden Kindern.
Trotzdem fehlte mir das Mädchen.
Mein Wunsch wurde stärker und stärker. Ich fühle mich schlecht, weil diese wunderbaren, wunderschönen Kinder mich nicht vollständig erfüllten. Also folgte ich allen Ratgebern. Ich schrieb sogar einen Brief an die Tochter, die ich nie haben würde, um meinen unerfüllten Wunsch zu verarbeiten. Ich fragte mich: warum war er so stark? Wie war meine Rolle als Frau? Meine Beziehung zu meiner Mutter? Aber nichts konnte meine Sehnsucht abschwächen.
Ich begann zu recherchieren, welche Möglichkeiten der Medizin es denn vielleicht geben könnte. In einigen Ländern dieser Welt ist eine künstliche Befruchtung mit ‚Gender Selection‘ erlaubt. Dabei handelt es sich um die genetische Untersuchung des Embryos und das Einsetzen des Embryos mit dem gewünschten Geschlecht. Ich fand die Vorstellung schrecklich. Doch mein Mann war dem Thema gegenüber aufgeschlossener als ich, er wollte mir sehr gerne diesen Herzenswunsch erfüllen.
Nach vielen Gesprächen entschieden wir uns, ein weiteres Kind auf natürlichem Wege zu bekommen.
Ich wurde schnell schwanger, natürlich mit einem Jungen. Ich war so traurig und konnte mich zunächst gar nicht mehr freuen. Dann hatte ich eine furchtbare Schwangerschaft mit vielen Blutungen und Krankenhausaufenthalten. Ich begann, mich schuldig zu fühlen. Vielleicht war dieser Junge in meinem Herzen nicht willkommen und daher diese schreckliche Schwangerschaft.
Vielleicht war das meine Strafe, dass ich mich nicht an meinem Glück erfreuen konnte. Es war ein langer Kampf und zum Schluss hielt ich einen gesunden Jungen im Arm. Zu diesem Kind habe ich eine ganz besondere Bindung, nach unserem langen Kampf stehen wir uns sehr nahe. Nie im Leben würde ich eins meiner wirklich tollen Kinder eintauschen wollen.
Ich war sehr glücklich über jedes Kind.
Drei Kinder sind eine tagtägliche Herausforderung. Und trotzdem: Der Wunsch nach einem Mädchen kam mit einer Wucht zurück, die mich selber erschreckte. Und so kam der Tag, an dem ich bereit war, wirklich alles für dieses Mädchen zu tun.
Ich stellte einen Finanzplan auf und recherchierte im Internet nach den Ländern, in denen eine künstliche Befruchtung mit Gender Selection erlaubt ist. Wir nahmen Kontakt zu vielen Kliniken auf. Ich ließ meine Hormonwerte bestimmen und mein Mann machte ein Spermiogramm. Wir entschieden uns, einen Versuch zu wagen, um meinen Herzenswunsch zu erfüllen.
Schließlich flogen wir mit den Kindern nach Thailand.
Wir verbrachten einen wundervollen Urlaub. Mein mittlerer Sohn lernte schwimmen und wir machten viele Ausflüge. Nebenbei führten wir eine ICSI durch. Mein Mann fuhr mich regelmäßig zur Klinik, in der ich mich sehr gut aufgehoben fühlte. Die Stimulation für die ICSI lief gut. Viele Menschen aus dem Ausland kommen hierher, um ihren Mädchen- oder Jungenwunsch zu erfüllen.
Wir hatten einen fantastischen Urlaub. Ich musste nur jeden Abend pünktlich um 18 Uhr zurück am Kühlschrank sein, um mir meine Injektion zu setzen. Dann der Rückschlag: Es reiften zu viele Eizellen heran. Der Transfer eines Embryos sei zu risikoreich, es würde keinen Transfer geben. Wir waren unfassbar traurig und auch ratlos. Nach der Punktion meiner Eizellen setzte ich alle Medikamente ab.
Die Zellen wurden kultiviert und es konnten vier Zellen zur Blastozyte entwickelt werden.
Es wurde eine kleine genetische Probe genommen und alle vier eingefroren. Wir genossen unseren restlichen Urlaub und flogen zurück. Der Rückflug war schwierig für mich, denn ich hatte mir so gewünscht, ein kleines Geheimnis mit nach Hause zu nehmen. Doch einige Tage später bekamen wir gute Nachrichten: Eine Blastozyte war ein genetisch gesunder Junge und eine ein gesundes Mädchen.
Wir waren überglücklich. Es hätte schließlich sein können, dass überhaupt kein Mädchen entsteht. Der ganze Aufwand hatte sich gelohnt. Eigentlich hatten wir beschlossen, erst noch ein bisschen Geld zu sparen und dann den Transfer machen zu lassen, aber der Wunsch in mir war zu stark.
Nur zwei Monate später nahm ich meine verbliebenen Urlaubstage und flog alleine für fünf Tage nach Thailand.
Ich vermisste meine Familie schrecklich und fieberte jedem Termin in der Klinik entgegen. Die Hormonwerte und die Schleimhaut waren gut, der Tag des Transfers stand an. Der Transfer an sich war überhaupt nicht schlimm. Ich ging zurück ins Hotel und fühlte mich wie immer. Ich streichelte den Bauch und sprach meiner Tochter Mut zu; sagte ihr, wie lange ich schon auf sie wartete.
Wieder zu Hause fiel ich meiner Familie in die Arme und machte einen Schwangerschaftstest, der negativ war. Viele testen schon sechs Tage nach dem Transfer positiv. Bei mir verblieb der Test auch an Tag acht negativ. Eine unbeschreibliche Leere machte sich in mir breit. War all der Aufwand umsonst gewesen? Mache ich das noch einmal? Investieren wir noch einmal so viel Geld? Mute ich das meiner Familie noch einmal zu?
An Tag neun konnte ich plötzlich eine schwache zweite Linie erkennen.
Ich konnte es nicht glauben und versuchte mir nicht zu viel Hoffnung zu machen, aber die Linie wurde von Tag zu Tag stärker. An Tag 14 nach Transfer ließ ich mir bei meiner Frauenärztin Blut abnehmen. Das HCG war niedrig, aber noch ok. Eine weitere Zeit des Bibberns und Wartens. Einige Tage später nahmen wir wieder Blut ab: das HCG war gut gestiegen. In mir keimte Hoffnung auf.
Und dann bekam ich Blutungen. In Tränen aufgelöst stand ich bei meiner Frauenärztin. Sie verschrieb mir ein Gelbkörperhormon, das ich zusätzlich spritzen musste. Vor der dritten HCG-Bestimmung hatte ich schreckliche Angst. Glücklicherweise zeigte sie aber einen guten Anstieg des HCG-Wertes. Das Kind in mir wuchs. Bald darauf konnten wir eine Fruchthöhle sehen, dann einen Dottersack und schlussendlich den Embryo mit Herzschlag.
Meine Gefühle waren unbeschreiblich.
Die Geburt steht jetzt unmittelbar bevor. Und meine lange Reise neigt sich dem Ende zu. Mir ist bewusst, dass mein Weg für viele Menschen schwer zu verstehen ist. Und bei den vielen Familien, die für ein einziges Kind hart kämpfen müssen, ruft mein unablässiger Wunsch nach einem Mädchen vielleicht sogar Zorn hervor.
Ich möchte diesen Menschen sagen, dass ich ihre Gefühle gut verstehe. Ich selber habe den Weg der ‚Gender Selection‘ abgelehnt und hätte mir nie vorstellen können, einmal so weit zu gehen. Aber es gibt Herzenswünsche, die so stark sind, dass man bereit ist, alles dafür zu tun. Ich werde alle meine vier Kinder mit ganzem Herzen lieben und mit diesem vierten Kind in meinem Herzen Frieden finden.”
Liebe Mama (Name ist der Redaktion bekannt), vielen Dank für deine Geschichte. Wir wünschen Dir und Deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!
Diese Echte Geschichte protokolliert die geschilderten persönlichen Erfahrungen einer Mama aus unserer Community.
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