Steffy G. L. war eine gesunde junge Frau. Ihre Schwangerschaft verlief ohne Komplikationen. Doch als ihre Tochter auf die Welt kam, mussten Familie und Freunde wochenlang um Steffys Leben bangen. Hier erzählt die 26-Jährige, was ihr passiert ist:
„Ich hatte seit vier Tagen Wehen. Mein Frauenarzt überwies mich ins Krankenhaus zur Einleitung, da ich einen komischen Hautausschlag hatte, er Eiweiß im Urin feststellte und mein Blutdruck ziemlich hoch war. Doch die Klinikärzte schickten mich wieder nach Hause.
Ich fühlte mich aber immer schlechter und so fuhr ich wenige Stunden später mit meinem Mann in das Krankenhaus, in dem ich selbst geboren bin. Dort wurde sofort ein Not-Kaiserschnitt gemacht, denn meine Kleine hatte sich gedreht und lag plötzlich falsch herum.
Ich hatte unsere gesunde Tochter nur einmal kurz auf dem Arm. An alles danach erinnere ich mich nicht. Meine Familie erzählte mir später, dass die Ärzte ein Not-Operation durchführen mussten. Meine Gebärmutter zog sich nicht wieder zusammen, ich verlor drei Liter Blut. Und wurde schließlich ins künstliche Koma versetzt.
Der Verdacht auf eine seltene, genetische Krankheit bestätigte sich nicht. Vielmehr stellte man bei mir eine besonders schwere Form der Schwangerschaftsvergiftung fest. In Deutschland kommt diese pro Jahr höchstens 40 Mal vor.
Im Koma wurde ich beatmet und hing rund um die Uhr an Dialyse-Geräten, die mein Blut reinigten. Wegen der starken Schwangerschaftsvergiftung versagten alle Organe, nur das Herz und Gehirn funktionierten noch. Hinzu kam eine Lungenentzündung, daher wurde ein Luftröhrenschnitt gemacht. Um meinen Kreislauf stabil zu halten, pumpten die Ärzte jeden Tag extrem viel Wasser in meinen Körper. Ich muss schrecklich ausgesehen haben, auch mit den ganzen Schläuchen! Dass meine Familie und Freunde mich so sehen mussten, tut mir wahnsinnig leid. Zudem bekamen sie gesagt, dass meine Überlebenschancen bei 0,2 Prozent liegen würden. 0,2 Prozent!
Dass ich es dennoch schaffte, habe ich ihrer positiven Energie zu verdanken. Mein Mann startete über meinen Facebook-Account einen Aufruf, für mich zu beten und mir Kraft zu schicken. Mein Schwager ließ T-Shirts für seine Fußballmannschaft drucken, auf denen stand: ,Steffy, wir beten für Dich!’.
Nach 15 Tagen wachte ich aus dem Koma auf und konnte kein Wort sprechen. Ich wusste nicht, was passiert war, dachte, ich hätte vielleicht einen Autounfall gehabt. Nach weiteren zwei Wochen auf der Intensivstation durfte ich die Kleine endlich zum zweiten Mal auf dem Arm halten. Nur kurz, aber es war wundervoll! Zum Glück kümmerte sich meine Schwiegermutter tagsüber um sie, damit mein Mann bei mir sein konnte.
Erst fast einen Monat später wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Ich kämpfte mich Schritt für Schritt zurück ins Leben, musste komplett neu laufen und schreiben lernen. Zudem war es wichtig, meine Muskeln zu trainieren, anfangs konnte ich weder unsere Tochter halten noch Kartoffeln schälen. Dabei war ich früher viel im Fitnessstudio und machte Leichtathletik.
Heute, vier Monate später, komme ich wieder ganz gut allein zurecht. Ich kann die Kleine zu uns in den 3. Stock tragen, mit ihr Autofahren und spazieren gehen. Nur die Action-Sachen wie Flugzeugspielen übernimmt der Papa. Sie ist ein echtes Bilderbuchkind, schläft nachts durch und schreit nur selten. Ihr Lächeln gibt mir jeden Tag neue Kraft.
Leider habe ich nicht so viel Zeit für sie, wie ich es gern hätte. Neben drei Reha-Terminen in der Woche muss ich an drei Tagen für vier Stunden zur Dialyse. Dort wird mein Blut immer wieder gewaschen, da meine Nieren nach der Schwangerschaftsvergiftung nicht mehr arbeiten. Das Waschen passiert über einen sogenannten Shunt, der in meinem linken Unterarm steckt. Noch bis letzte Woche hatte ich dafür einen Katheder am Herzen, das ist so ein feiner Kunststoffschlauch. Jetzt kann ich aber endlich wieder gut duschen und muss beim Anziehen nicht mehr so aufpassen.
Beim Essen hingegen schon. Ich schlucke zu jeder Mahlzeit Phosphatblocker und muss auch darauf achten, nicht zu viel Phosphat zu essen, sonst verstopfen die Gefäße. Phosphat ist zum Beispiel in Backpulver drin. Ich verzichte auch auf Bananen, Nüsse und Milch. Meinen geliebten Latte Macchiato mache ich mir mit Sahne und Wasser.
Klar bin ich unendlich dankbar, überlebt zu haben. Aber ich bin auch oft traurig, gerade an den Tagen, an denen ich zur Dialyse muss. Eigentlich wollten wir zwei oder drei Kinder haben. Der Wunsch ist trotz allem da, aber er wird wegen meiner Krankheit nicht mehr in Erfüllung gehen. Zudem tun mir nach der Behandlung oft die Knochen sehr weh. Wie lange ich das noch machen muss, hängt davon ab, wie schnell ich eine Spender-Niere bekomme. In Deutschland kann das bis zu neun Jahre dauern, immer weniger Menschen besitzen einen Organspendeausweis. Mein Mann kommt aus Spanien, dort ist jeder automatisch Organspender.
Ich versuche, meinen Alltag so normal wie möglich zu leben. Eine Perücke hilft mir dabei, durch einen Eisenmangel und spezielle Medikamente sind mir die Haare ausgefallen. Sonst merkt man mir äußerlich außer den Narben am Hals nichts an.
Gestern waren mein Mann und ich zum ersten Mal wieder im Kino, bald fahren wir mit der Kleinen in den Urlaub. Mein Arzt hat es arrangiert, dass ich auf Gran Canaria zur Ferien-Dialyse kann. Und wir heiraten im Juni mit über 100 Gästen kirchlich, im Dezember waren wir auf dem Standesamt. Den Tag werde ich einfach genießen, feiern und danken, dass alles so gut ausgegangen ist.“