„Ich war so müde, dass ich meiner Familie das Leben zur Hölle machte.“

Eine der größten Herausforderungen, denen ich mich als Neu-Mama stellen musste, war der Schlafentzug. Ich fürchtete mich schon während der Schwangerschaft davor, dauermüde zu sein, denn ich bin ein Mensch, der viel Schlaf braucht. Mit weniger als acht Stunden bin ich schlichtweg nicht voll funktionsfähig. Wer es gut mit mir (und sich selbst) meint, lässt mich besser bis zu zehn Stunden schlafen.

So lief ich also mit Fortschreiten der Schwangerschaft sehenden Auges in mein persönliches Schlafinferno. Doch anders als erwartet war das kein plötzlicher, tiefer Fall in den kalten Entzug. Nein, es fing zu meiner Überraschung eher ganz sanft an. Die Hormone trugen mich auf einer weichen Welle durch die ersten Wochen und meine Kleine machte mir große Freude, indem sie schon nach wenigen Wochen vier bis sechs Stunden am Stück schlief.

Ich kam so zwar nicht auf mein Schlaf-Optimum, aber es reichte so gerade, vermutlich dank der Hormone. Denn als die sich heimlich, still und leise irgendwann aus dem Staub gemacht hatten, spürte ich es immer heftiger: Ich war nicht mehr die Alte.

Hinzu kam bald darauf eine langanhaltende, rebellische Schlafverweigerungsphase meiner Tochter, die mich nachts nun regelmäßig aus dem Tiefschlaf holte und verlangte, dass ich neben ihrem Bett verweilte, bis sie wieder eingeschlafen war oder sie mit ins Elternbett nahm, wo ich den Rest der Nacht von Tritten, Schnaufen und kitzelnden Haaren im Gesicht wach gehalten wurde.

Ich war so furchtbar müde. Mit schrecklichen Auswirkungen für mich und vor allem für mein direktes Umfeld: Ich hatte mich durch den Schlafentzug von einem geduldigen, ausgeglichenen und fröhlichen Menschen in einen Morgen-, Mittag- und Abendmuffel verwandelt. Ich war so reizbar, dass mich schon Kleinigkeiten in Rage bringen konnten.

Dass Schlafmangel tatsächlich eine Beziehung ins Wanken bringen oder sogar bedrohen kann, wurde inzwischen sogar wissenschaftlich untersucht. In einer Studie der Ohio State Universität, wurde nämlich festgestellt, dass übermüdete Partner nur kleine  Anlässe brauchen, um einen heftigen Streit auszulösen.

Durch die Übermüdung steigern sich die Eltern nicht nur in ungesundem Maße in den Streit hinein. Es kommt zudem sogar zu physisch messbaren Entzündungswerten, die sich bei dauerhaftem Auftreten negativ auf das Herz-Kreislauf-System auswirken können.

Der Schlafentzug schadete also nicht nur meiner eigenen Laune, er belastete meine Ehe und hatte negative Folgen für meine Gesundheit und vermutlich auch für die meines Mannes.

Zum Glück schaffte ich es wenigstens tagsüber meist, meiner Tochter gegenüber ruhig zu bleiben. Dabei halfen mir eine tiiiiefe Bauchatmung, eine künstlich aufgesetzte gute Miene und viel Ablenkung durch Spaziergänge und Treffen mit Freunden.

Doch abends, wenn auch sie müde und quengelig wurde, gab es meist kein Halten mehr. Mein Geduldsfaden war dann dünner als ein seidener Faden. Und so kam es oft vor, dass mein Mann mich bereits weinend oder schreiend antraf, wenn er abends von der Arbeit nach Hause kam. Ich drückte ihm dann unsere ebenfalls meist schreiende Tochter mit einem „Hier, nimm!“ in den Arm und verschwand in der Küche.

Manchmal heulte ich aus lauter Müdigkeit mit meiner Tochter mit. Foto: Bigstock

Natürlich bekam auch er meine Gereiztheit ab – und das nicht zu knapp. Unschuldig gemeinte Bemerkungen wie „Oh, die Spülmaschine ist ja noch gar nicht ausgeräumt!“ konterte ich mit einem Wutausbruch und Schimpftiraden, die sich gewaschen hatten.

Dabei hatte er doch nur gesagt, die Spülmaschine sei nicht ausgeräumt, ohne dass darin irgendeine Aufforderung oder Wertung lag. Ich fasste es jedoch als eine dieser klassischen Anklagen auf, warum ich das denn nicht geschafft hätte, wo ich doch den ganzen Tag zu Hause war.

Der Schlafentzug hatte mich zur Furie gemacht.

Mein armer Mann traute sich bald kaum noch, etwas zu sagen, damit es nicht eskalierte. Am schlimmsten war es, wenn auch er durch den Schlafentzug übermüdet war, was aber zum Glück nicht so schnell und oft der Fall war wie bei mir. Wenn aber doch, dann schrie nicht nur ich, sondern wir beide.

Manchmal mieden wir uns danach ganze Wochenenden lang. Er zog sich so lang er konnte in seinen Werkraum zurück, ich widmete mich Kind und Gartenarbeit. Es war schrecklich.

Dass es nicht zum Bruch zwischen uns kam, haben wir wohl der Tatsache zu verdanken, dass wir uns schon so lange kennen und lieben, dass uns beiden tief im Innern immer klar war: Dies ist ein Ausnahmezustand! Das wird so nicht bleiben! Es wird wieder besser werden, sobald wir alle mehr schlafen.

Und wir hatten Recht. Zum Glück! Mit den ersten, richtig durchgeschlafenen Nächten wurde es besser. Auch hatte ich es mir zur Gewohnheit gemacht, öfter zusammen mit meiner Tochter Mittagsschlaf zu machen. So fand ich wieder zu meiner alten Gelassenheit und Ausgeglichenheit zurück. Und wenn ich nach den immer seltener werdenden kurzen oder unterbrochenen Nächten doch noch einmal zum Grummeltier wurde, so wussten nun alle, dass nichts passiert, wenn sie mich nur in Ruhe lassen und mir eine kleine Mittagsruhe einrichten.

Den besten Tipp zum Thema Beziehung und Schlaf habe ich übrigens aus der oben erwähnten Studie gezogen:  Die Forscher, die ihre Studie im Wissenschaftsjournal „Psychoneuroendocrinology“ veröffentlichten, erkannten einen „schützenden Effekt“ für die Partnerschaft, wenn zumindest einer der Partner ausgeruht war und sich im Streitgespräch besonnen und rücksichtsvoll verhielt. So konnte einer Eskalation des Streits – und auch dem Ansteigen der Entzündungswerte – vorgebeugt werden.

Und deshalb ist es auch nicht schlimm, wenn einer der Partner eine Nacht auf dem Sofa verbringt, so dass wenigstens einer von beiden ausreichend Schlaf bekommt. Dies hat offenbar auch einen unmittelbaren Effekt auf denjenigen, der nachts das Baby versorgt. Dessen durch den Schlafentzug bedingte Gereiztheit kann vom ausgeschlafenen Partner mit viel Verständnis ausgeglichen werden. Das schont die Beziehung.

Ein kleiner Trost für alle, die gerade viel zu müde sind.

Tamara Müller

Als süddeutsche Frohnatur liebe ich die Wärme, die Berge und Hamburg! Letzteres brachte mich vor sieben Jahren dazu, die Sonne im Herzen zu speichern und den Weg in Richtung kühleren Norden einzuschlagen. Ich liebe die kleinen Dinge im Leben und das Reisen. Und auch wenn ich selbst noch keine Kinder habe, verbringe ich liebend gerne Zeit mit ihnen.

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