Uns hat Mara geschrieben, die in Wirklichkeit anders heißt, aber ihre Familie schützen möchte. Sie lebt mit ihrem Sohn bei ihren Eltern, dort wohnt auch ihre Schwester, die an Depressionen erkrankt ist. Für Mara ist diese Situation sehr belastend. Was sie sich wünschen würde, erzählt sie in ihrem Text:
„Ich lebe mit meinen Eltern, zwei Geschwistern und meinem Sohn in einer großen Wohnung. Ich bin wieder bei meinen Eltern eingezogen, als es mir finanziell wie auch psychisch nicht gut ging. Meine ganze Familie stand hinter meinem Sohn und mir, nachdem ich, dank meines Exfreundes, finanzielle Probleme und Schulden hatte. Ich war sehr froh, dass ich wieder einziehen durfte, obwohl es für mich schwer war, die Hilfe anzunehmen.
Doch nun ist jemand in diesem Haushalt an Depressionen erkrankt.
Jetzt stehe ich da, mit einem psychisch kranken Menschen an meiner Seite. Für mich war es ein Schock, als meine Schwester dem Arzt selber sagte, sie möchte in eine Klinik. Ich finde den Schritt super, dass sie sich Hilfe gesucht hat, aber für uns war es wie ein Schlag ins Gesicht. Man macht sich Gedanken, was haben wir falsch gemacht? Warum?
Ich habe sie regelmässig in der Klinik besucht. Wenn ich frei hatte, sah ich ihre Fortschritte und Rückschläge. Sie machte die Therapie sehr gut mit und durfte nach fünf Wochen die Klinik verlassen. Medikamente gehören seitdem zu ihrem Alltag, genauso wie Gefühlschaos, Wut, Trauer und Freude. Und als Angehörige ist das manchmal sehr, sehr schwer. Man freut sich auf die Erfolgserlebnisse mit der Person, aber sobald die Lage kippt, bekommt man Angst, Angst, dass es so bleibt, Angst, dass es die Person wieder zu sehr in ein Loch wirft.
Und es gibt Tage und Situationen, bei denen man am liebsten einfach davonlaufen möchte.
Auch wenn man Rücksicht nehmen muss, Menschen mit Depressionen immer in Watte zu packen, ist auch keine Lösung. Das versucht man, so gut es geht, zu vermeiden und trotzdem passiert es einem immer wieder.
Die Situation ist mittlerweile sehr belastend für mich. Mir wurde schon mehrmals der Rat gegeben: ‚Zieh aus, nimm deine Füsse in die Hand und renn.‘ Ja, manchmal wollte ich es tun, einfach, weil mir alles zu viel wird und trotzdem reiße ich mich zusammen und versuche, da durchzugehen. Denn ich habe gelernt, in guten und in schlechten Zeiten da zu sein.
Aber manchmal wird einfach alles zu viel.
Man hat vielleicht selbst einen schlechten Tag, kommt nach Hause und dann sitzt die Person da, und man sieht schon das nächste Problem. Es gibt Tage, da stecke ich es weg, aber es gibt eben auch Tage, da würde ich mich am liebsten direkt wieder umdrehen und wieder zur Tür raus.
Es gibt Situationen, da würde ich meiner Schwester am liebsten den Kopf abreißen. Wir sind alle eingeschränkt, weil wir so viel Rücksicht nehmen müssen. Man darf nichts Falsches sagen, sonst eskaliert das Ganze. Sie fühlt sich manchmal zu wenig beachtet, obwohl man sie überall einbezieht. Wenn ihr etwas nicht passt oder es sich mal nicht um sie dreht, dann eskaliert es, weil sie sich dann so zurückzieht, bis sie eben die Aufmerksamkeit bekommt, die sie möchte.
Ich bin so weit, dass ich gar nicht mehr weiß, was ich davon halten soll.
Ich weiß, was Depressionen sind und dass es ganz viele Arten gibt. Aber ich fühle mich einfach total eingeschränkt, wenn ich zum Beispiel meine Meinung nicht mehr offen sagen kann, weil es meiner Schwester womöglich vor den Kopf stößt und es jedes Mal so eskaliert.
Bei Freunden oder Bekannten kann man mal Abstand gewinnen, eine Pause einlegen und Kräfte sammeln, das ist aber schwieriger, wenn man mit Betroffenen unter einem Dach lebt. Manchmal glaube ich, dass ich auch bald psychologische Hilfe brauche.
Was ich mir wünschen würde?
Ich mache gerade die Erfahrung, dass man als Unmensch, als Monster, dargestellt wird, wenn man als Angehörige von einer Person mit Depressionen sagt: Man kann nicht mehr, man würde am liebsten abhauen. Ich wünsche mir, dass es mehr Verständnis für das Leid der Angehörigen gäbe.
Außerdem wünsche ich mir, dass das Thema Depressionen insgesamt nicht mehr so ein Tabuthema ist, damit man besser und mehr darüber sprechen kann – mit Betroffenen oder Angehörigen von Betroffenen.”
Liebe Mara (echter Name ist der Redaktion bekannt), vielen Dank, dass wir deine Geschichte erzählen durften. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!
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Als jemand, der sich in diesem Bereich engagiert: nutze Selbsthilfegruppen, es gibt auch Landesverbände der Angehörigen von Menschen mit psychischen Erkrankungen, APK bei uns. Man erhält dort Tipps zum Umgang, Verständnis und auch Einblicke in die Krankheit, die man sonst nicht bekommt und das verändert so viel. Auch du darfst dir Unterstützung und eine Therapie suchen, um mit deiner Schwester auszukommen, dass hab sehr hilfreich sein für Angehörige und du leidest auch schon stark unter der Krankheit. Es ist aber auch in Ordnung, wenn man an den Punkt kommt, wo nichts mehr geht und man sich selbst schützen muss.
Ich wünsche dir viel Kraft
Ich kann Mara sehr gut nachvollziehen und finde es gut dass auch mal über Angehörige gesprochen wird.
Meine Mutter ist als ich 16 war an schweren Depressionen erkrankt, mit mehreren Suizidversuchen und monatelangen Psychiatrieaufenthalten. Das ging über Jahre und irgendwann will man einfach nur noch das es vorbei ist!
Ich hätte mir damals gewünscht, dass meinen Geschwistern und mir auch geholfen wird mit der Situation umzugehen. Wir standen leider komplett alleine da.
Ich kann das nachvollziehen. Meiner Tochter ging es auch mal psychisch nicht so gut. Es zieht einen mit runter und manchmal ist man wütend und hilflos. Ist sie denn noch in therapeutischer Behandlung? So stabil scheint sie ja nicht zu sein. Man muss sich aber auch ein gewisses Stück abgrenzen als Eigenschutz und du bist nicht verantwortlich oder Schuld, es ist eine Krankheit. Es gibt ja auch Selbsthilfegruppen für Angehörige.