„Im 1. Jahr mit High-Need-Baby fühlte ich mich wie eine Versagerin.”

Sabrina ist im ersten Jahr mit ihrem Baby oft an ihre Grenzen gestoßen. Ihr Kind war ein High-Need-Baby und benötigte deswegen ganz besonders viel Nähe und Liebe. Gemeinsam mit ihrem Mann hat die Mama diese herausfordernde Zeit gemeistert und möchte nun anderen Mut machen, die vielleicht gerade in einer ähnlichen Situation sind.

„Liebe Mamas, ich habe lange überlegt, ob ich unsere Geschichte mit euch teilen möchte. Ich habe mich dafür entschieden, weil ich mir damals nach der Geburt genau so einen Erfahrungsbericht gewünscht hätte. Ich hoffe, dass er vielen anderen Mamas Kraft und Motivation gibt durchzuhalten. Ihr schafft das auch!

Nun zu unserer Geschichte:

Als Erzieherin mit einiger Berufserfahrung habe ich mich super auf das eigene Kind vorbereitet gefühlt. Ich habe mich quasi mein komplettes Berufsleben darauf vorbereitet. Doch was dann kam, damit haben wir nicht gerechnet. Nach einer völlig problemlosen Schwangerschaft ging es sehr plötzlich und unerwartet fünf Wochen zu früh los… Blitzgeburt, Kinderklinikaufenthalt, das volle Programm – das ist aber eine andere Geschichte.

Als wir endlich zu Hause waren, dachten wir, dass nun endlich Ruhe einkehrt. Doch wir sollten eines Besseren belehrt werden. Nach zunächst problemlosen Nächten ließ sich unser Kind plötzlich nicht mehr ablegen. Egal, was wir probiert haben (sogar das Bett haben wir vorgewärmt), nichts half. Egal, wie gut es geschlafen hat, mit dem Bettkontakt waren die Augen sofort wieder auf. Die Situation war zum Verzweifeln und so endeten wir sitzend auf dem Sofa mit dem kleinen Wurm und dem Stillkissen auf dem Schoß.

Natürlich bloß nicht zu weit nach hinten gelehnt, da sonst auch sofort wieder Alarm war.

Mein Mann hat, so gut es ging, versucht, mich zu entlasten (obwohl er am nächsten Tag arbeiten musste), indem wir versucht haben, das Kissen inklusive Kind auf seinen Schoß zu verlegen. So bekam ich pro Nacht immerhin 3-4 Stunden Schlaf, der aber mit 2-3 Stillpausen unterbrochen wurde. Bis heute frage ich mich immer wieder, wie ich das eigentlich überlebt habe. Rund um die 4 Monats-Schlafregression wurde alles noch viel schlimmer und nicht mal das Schlafen auf dem Stillkissen hat noch funktioniert.

So lief ich Nacht für Nacht durch die Wohnung mit meinem schlafenden Kind an der Schulter und fragte mich, wie das wohl noch enden wird. Auch die Tage waren die Hölle… stündliches ewig langes Stillen, nicht enden wollendes Rumtragen, die Schläfchen auf dem Sofa, abpumpen zum Zufüttern und einfach kaum Chancen, zu verschnaufen. Im ständigen Wechsel zwischen Boreout und Burnout und absoluter Überforderung, Verzweiflung und Einsamkeit.

Auch mein Mann war im ständigen Stress.

Vor und nach der Arbeit hat er versucht, das Nötigste im Haushalt zu machen und mir alles abzunehmen, was ging… das Baby wollte ja zu 99% Mama. So hatte ich mir mein erstes Jahr mit Baby definitiv nicht vorgestellt. Ich hielt mich für die größte Versagerin, immerhin hatte keine Mama um mich herum jemals solche Probleme. Alles war ein einziger Kampf… Baden, wickeln,… und dazu kommt man zu nichts anderem (schon gar nicht dazu, sich um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern).

Wenn meine Mutter nicht für uns gekocht hätte, wäre unsere Ernährung sehr einseitig gewesen. Zwischendrin bin ich dann zum Glück auf den Begriff High-Need-Baby gestoßen und habe mich in verschiedenen Gruppen zum Thema eingelesen. Es schien, als ob das Ganze immerhin nicht meine Schuld wäre. Ich hangelte mich von Tag zu Tag, Woche für Woche, Monat für Monat… doch es gab kaum positive Veränderungen.

Über 5 Monate verbrachten wir so.

Mittlerweile waren wir nervlich am Ende, beide total gereizt, übermüdet, verzweifelt, gestresst, einsam. Eigentlich ein Wunder, dass unsere Ehe das bis heute überstanden hat. Und dann kam Tag X, ich musste nachts dringend auf die Toilette, habe das Kind sicher aufs Sofa gelegt und bin losgerannt. Ständig wartend, bis das Geschrei wieder anfängt, weil Mama sich wieder einmal erlaubt hat, sich kurz ein Bedürfnis zu erfüllen.

Doch es blieb unerwartet ruhig. Da stand ich nun neben meinem ablegten, schlafenden Kind und konnte es kaum fassen. Als ob jemand den Schalter umgelegt hätte, schlief das Kind plötzlich seelenruhig auf dem Sofa, als ob es noch nie anders gewesen wäre.

Kurz darauf bin ich eher zufällig auf einen Artikel zum Thema Hochsensibilität gestoßen.

Darin habe ich mein Kind und auch meinen Mann wiedererkannt. Der Selbsttest, den ich meinem Mann gegeben habe, brachte die Erkenntnis: Mein Mann ist mit 96% Wahrscheinlichkeit hochsensibel und hat das an unser Kind weitervererbt (so wie er es von seinem Vater vererbt bekommen hat). Endlich gab es eine Erklärung für alles, was das letzte halbe Jahr los war. Das Rätsel war gelöst.

Nun konnten wir uns gezielt informieren und unseren Tagesablauf noch weiter optimieren. Mein Mann konnte vieles aus seinem Leben verstehen und aufarbeiten, auch das Verhalten seines Vaters hat er dadurch besser verstanden. Endlich kehrte mehr Ruhe ein und ich konnte die Situation viel besser akzeptieren. Mit jedem Entwicklungsschub wurde unser Leben nun einfacher – ganz ohne Dinge zu üben, abzutrainieren oder ähnliches.

Aus 8-12 Mal geweckt werden in 10 Stunden Schlafzeit wurden erst 6-8 und mittlerweile sogar 3-5 sehr kurze Stillpausen.

So kann ich wenigstens ab und zu mal 3-4 Stunden am Stück schlafen. Kaum zu glauben, dass ich das als ‚gute Nacht‘ bezeichne. Ich habe mittlerweile sogar die Hoffnung, irgendwann mal wieder durchzuschlafen. Die Tage sind immer noch sehr anstrengend, vor allem mit so wenig Schlaf, aber es ist toll zu sehen, wie der kleine Sonnenschein die Welt entdeckt. Er sieht jede Kleinigkeit, hört jedes Geräusch und erkundet jede Ecke der Wohnung.

Jetzt heißt es abwarten, was in Kindergarten, Schule und im Alltag noch auf uns zukommt. Leider hat nicht jeder Verständnis für sensiblere Menschen, die sich mit der schnelllebigen, lauten Welt schwerer tun.

Mit dieser Geschichte möchte ich allen Mamas Mut machen, die in einer ähnlichen oder noch schlimmeren Situation stecken und keinen Ausweg sehen.

Haltet durch, nehmt jede Hilfe an, die ihr kriegen könnt, schaut so gut es geht nach euch selbst und denkt immer daran, dass das Kind nichts dafür kann. DU bist nicht schuld und du schaffst das! Auch bei euch wird es eines Tages leichter. Der Kollege meines Mannes hat einmal zu ihm gesagt: ‚Jeder bekommt das Kind, das er verträgt.‘ Das hat uns irgendwie Kraft gegeben. Nur die starken Mütter/Familien bekommen die ‚besonderen‘ Kinder, weil sie die Ressourcen haben, sie zu tollen Erwachsenen zu begleiten.

Zum Abschluss: An alle Mamas mit pflegeleichten ‚Anfängerbabys‘: Seid doch bitte einfach froh, dass sich euer Baby so leicht tut, auf der Welt anzukommen. Dieses Glück hat leider nicht jede Mama und es macht euch dadurch nicht zu besseren Müttern. Das Leben ist schwer genug und da machen es Kommentare, die den Müttern/Familien die Schuld geben, nicht leichter. Wenn ihr im Familien- und Freundeskreis herausfordernde Babys habt, dann fragt einfach, ob ihr helfen könnt, statt ungefragt Ratschläge zu geben.

Und wenn ihr keine netten Worte übrig habt, dann behaltet sie doch bitte für euch…


Liebe Sabrina, vielen Dank, dass wir deine Geschichte erzählen durften. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

Echte Geschichten protokollieren die geschilderten persönlichen Erfahrungen von Eltern aus unserer Community.

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Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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