„Glücklich verheiratet in einer offenen Ehe“. Dieser Satz steht in Stan Lehmanns Dating-Profil. Denn er ist glücklich verheiratet mit Carmen, die beiden haben zwei wunderbare Kinder im Alter von 5 und 7 Jahren. Und vor etwa drei Jahren haben sie beschlossen, ihre Ehe zu öffnen. Doch während viele diesem Beziehungsmodell mit Vorurteilen, Unsicherheiten und Ängsten begegnen, ist es für Stan genau das Gegenteil: ein Weg zu mehr Ehrlichkeit, Vertrauen und persönlichem Wachstum.
Über ihre ganz persönlichen Erfahrungen sprechen Stan und Carmen offen in ihrem eigenen Podcast „Vanilla Only“. Warum sie diesen Namen bewusst gewählt haben, wie es zur offenen Ehe kam, und mit welchen Vorurteilen sie aufräumen möchten, hat Stan in unserem Podcast „Ehrlich gesagt.“ mit Nora besprochen.
Hier könnt ihr den ganzen Podcast hören:
Wie Stan sich gefühlt hat, als Carmen ihr erstes Date hatte, warum Eifersucht für beide trotzdem eine Rolle spielt – und warum Stan sie sogar positiv sieht, lest ihr hier:
„Carmen und ich sind jetzt seit über zehn Jahren zusammen und seit acht Jahren verheiratet. Wir sind in dieser Zeit auch durch große Krisen gegangen, die vor allem coronabedingt waren. Ungefähr zu dieser Zeit haben wir unser zweites Kind bekommen, unsere Tochter, die ein unglaublich intensives Kind war. Bei unserem ersten haben wir noch gedacht, easy, davon können wir locker noch eins bekommen.
Dann war die Überraschung groß, denn die beiden hätten wirklich unterschiedlicher nicht sein können. Wir sind durch eine wahnsinnig anstrengende Zeit gegangen, weil wir während Corona dann auch noch zuhause eingesperrt waren. Das hat uns wirklich beide an unsere Grenzen gebracht.
Aber wir haben die Krise gemeistert, und daraus ist dann eigentlich die Idee entstanden, unsere Beziehung zu öffnen. Ich glaube also nicht, dass eine offene Beziehung eine Ehe retten kann. Das Retten und das Arbeiten an der Beziehung, das hat vorher stattgefunden.
Wir haben beide nichts vermisst in unserer Beziehung
Es gab auch nie eine untreue Situation. Allerdings ist etwas passiert, das uns in die Diskussion gebracht hat. Und zwar habe ich mich während der Coronazeit über Instagram mit jemandem ausgetauscht, und in dieser Unterhaltung ging es auch um die Frage, was sind Fantasien? Das hatte im weitesten Sinne sogar mit einem beruflichen Projekt zu tun.
Ich habe dann geschrieben, was ich mir manchmal so vorstelle. Mehr ist nicht passiert. Das hat Carmen dann durch einen Zufall gelesen. Sie hat das Kind ins Bett gebracht, wollte ein Schaflied auf meinem Handy anschalten und Instagram war noch geöffnet.
Das war eines der Dinge, die dazu geführt haben, dass wir ins Gespräch gekommen sind. Sie wollte wissen, ob ich solche Fantasien habe, ob es das ist, was mich beschäftigt, und ob ich etwas vermisse in unserer Ehe.
Das habe ich aber absolut nicht – wir haben beide zu diesem Zeitpunkt nichts vermisst. Aber es war einer der Gründe, aus dem wir angefangen haben, darüber zu sprechen:
Was wäre, wenn wir uns das erlauben würden?
Wenn wir uns diese Freiheiten gönnen? Und das, glaube ich, hat viel als Basis erstmal mit einer gesunden Beziehung zu tun.
Keiner von uns kann noch genau nachvollziehen, wer letztendlich die Idee hatte, unsere Ehe zu öffnen. Wir können nur sicher sagen, keiner von uns war die treibende Kraft. Es war eher ein gemeinsames Besprechen und ein gemeinsames Feststellen, dass wir es mal probieren könnten. Aber es war nie so, dass einer von uns irgendwie gepusht hätte in die Richtung.
Ich glaube, eben aus dieser Corona-Krise kommend, haben wir einfach tatsächlich für uns gedacht: Wir haben das überlebt, wir haben das geschafft als Beziehung. Was kann uns denn was anhaben?
Wir haben beide schon immer ein bisschen gegen die Gesellschaft rebelliert.
Jeder auf seine Art und jeder ein bisschen unterschiedlich. Carmen kann sich zum Beispiel sehr gut mit der Hippie-Zeit identifizieren. Mit dieser Idee von freier Liebe und dass es nicht den einen Partner gibt. Das war schon immer etwas, das in ihr war.
Und ich konnte mich am Anfang sehr gut damit arrangieren, zu sagen, lass uns doch mal was ausprobieren, was ein bisschen gefährlich ist. Lass uns doch einfach mal diesen Schritt wagen. Aus der Sicherheit unserer Ehe heraus, weil ich mich einfach immer auf diese Beziehung total verlassen kann.
Ich glaube, wir hatten beide Spaß an so einer Rebellion. Und die ersten in unserem Freundeskreis zu sein, die das durchziehen.
Ich war dann der erste, der jemand anderen getroffen hat.
Eigentlich hatten wir gesagt, dass Carmen nach der Corona-Schreikind-Zeit für ein verlängertes Wochenende nach Berlin fahren darf. Weil sie einfach schon immer jemand war, der unheimlich gern in Clubs feiern geht.
Ich habe gesagt, ich übernehme die Kinder und was passiert, passiert. Und dann ist aber nichts passiert.
Während ich zuhause saß, habe ich dann zum ersten Mal in meinem Leben eine Dating-App runtergeladen. Ich habe eine sehr ausgeprägte Vorliebe für geschriebene Kommunikation, ich telefoniere unglaublich ungern. Ich schreibe gern auf WhatsApp, und da habe ich gemerkt, dass es schon sehr viel Spaß macht. Und so hat sich dann nach relativ kurzer Zeit ein erstes Date ergeben.
Als Carmen ihr erstes Date hatte, war das für mich der absolute Horror.
Es war für mich persönlich glaube ich deutlich schwieriger zu akzeptieren, dass Carmen jemand anderen trifft, als für sie. Das liegt vermutlich einfach in unserer Natur.
Ich war zuhause, habe die Kinder ins Bett gebracht, und dann sitzt du da und wartest uns weißt, dein Partner ist gerade mit einem anderen Menschen intim. Natürlich ist das ein Schlag in die Magengrube und im ersten Moment furchtbar.
Und ich glaube, das ist auch wieder ein Vorurteil, mit dem wir zumindest aus unserer Sicht aufräumen können: die Annahme, dass wir keine Eifersucht empfinden.
Denn auch, wenn man sagt, wir öffnen uns, heißt das nicht, dass einem alles egal ist.
Bei mir hat dieser Moment aber noch etwas Anderes ausgelöst. Denn ich habe mich plötzlich mit tiefsitzenden toxischen Männlichkeitsthemen konfrontiert gesehen. Mit einem Besitztum der Frau, und auf einmal habe ich gemerkt, shit, ich dachte, ich hätte das gar nicht – und dann war es doch da.
Und natürlich habe ich mich in dem Moment furchtbar gefühlt, aber plötzlich war da auch dieser ganze männliche Stolz und die Frage:
Ist der andere besser als ich?
Was könnte der gemacht haben, was ich nicht mache? Was kann der vielleicht, was ich nicht kann? Das hat für mich tatsächlich einen Lebenswandel nach sich gezogen, der für mich bis heute sehr positive Effekte auf mich als Menschen und unsere Beziehung hat.
Weil ich angefangen habe, mich dem zu stellen, und mich damit zu konfrontieren. Und das war für mich in dem Moment sehr gesund und gut.
Aber auf jeden Fall ist es so, dass es Eifersucht gibt. Ganz oft. Und das ist okay. Es gibt ja einen Unterschied zwischen dem Gefühl, dass es einen doch ein bisschen stört. Das kann ja bis zu einem gewissen Grad sogar positiv sein. Und es gibt toxische Eifersucht, die ist ganz gefährlich. Wenn die ausbricht, sollte man so ein Experiment auf jeden Fall abbrechen.
Bei mir hat die Eifersucht ausgelöst, dass ich wieder angefangen habe, mich in Form zu bringen.
Ich habe gedacht, wir haben zwei Kinder, unsere Prioritäten waren Arbeiten und Kinder großziehen. Sport habe ich schon länger nicht mehr gemacht. Aber dann hatte ich wieder den Anspruch, wenn Carmen nach Hause kommt, dass ich will, dass da ein Mann steht, von dem sie weiß, warum sie zu dem nach Hause kommt.
Die Selbstverständlichkeit, dass der Partner da ist, wird natürlich durch eine offene Ehe aufgelöst, weil du mit der Realität konfrontiert wirst. Du merkst, es gibt auch andere Menschen da draußen. Und wenn du dich nicht bemühst, kann es sein, dass du deine Beziehung verlierst.
Es ist auch spannend, seine Gedanken im Kopf zu ändern.
So dass es einen nicht mehr belastet, sich vorzustellen, dass der andere mit anderen Menschen zusammen ist. Sondern dass man es spannend findet. Erotisch, anregend, was auch immer. Und das ist glaube ich bei uns beiden der Fall.
Klar gibt es diese Eifersuchtsmomente, in denen man das Gefühl hat, es hat einem jemand in die Eingeweide geboxt. Aber wenn das abgeflaut ist, ist man neugierig, was passiert ist. Mit der Zeit wird es auch in irgendeiner Form zur Normalität.
Du weißt einfach viel besser, wie du damit umgehen kannst. In welche Schublade du es steckst. Es ist etwas, das sich mit der Zeit einfach verändert.
Ich weiß, dass das Konzept einer offenen Ehe für viele nicht in Frage kommt.
Und es ist uns beiden sehr wichtig, dass wir auch niemanden von unserem Lebensstil überzeugen und niemanden beraten möchten. Wir erzählen von uns als Individuen, von unserer Beziehung uns unseren Gefühlen, weil wir daran glauben, das es guttun kann, Einblicke in andere Lebensentwürfe und Perspektiven zu bekommen. Auch wenn man selbst ein komplett anderes Konzept lebt.“
Den kompletten Podcast mit Nora und Stan könnt ihr hier hören: