„Als sie neu in meine Firma kam, fand ich Sally (alle Namen des Berichts sind geändert), wie sie genannt werden wollte, furchtbar. Sie war laut, kicherig und sie schien mir reichlich affektiert zu sein.
Aber durch ein gemeinsames Projekt lernte ich sie nach ein paar Monaten ,gezwungenermaßen` näher kennen – und mochte sie von Tag zu Tag lieber. Denn wenn wir zu zweit im Konferenzraum waren, ganz ohne Chefs, dann war sie zwar noch laut und lustig, aber dabei wirklich superlieb und zuverlässig. Wir waren beide Single-Moms und hatten jeweils eine Tochter, das passte irgendwie gut.
Im Laufe der Wochen verstanden wir uns immer besser und wurden schließlich richtig gute Freundinnen.
Wir trafen uns auch privat, gingen aus und ins Kino. Fakt ist aber, das fiel mir nur damals nicht auf, dass wir nie über tiefergehende Themen wie Politik sprachen. Wir hatten einfach eine Menge Spaß zusammen und unterstützen uns, wenn es einer nicht so gut ging.
Irgendwann erzählte sie mir, dass sie jetzt auch endlich einen Facebook-Account hatte. Bisher hatte sie sich gesträubt, da sie den ,Datenräuber` nicht traute. Nun aber hatte ich sie überzeugt. Begeistert suchte ich sie am Abend in dem Netzwerk – und war erstaunt, wie viele Beiträge sie in wenigen Tagen schon erstellt und vor allem geteilt hatte.
Und es traf mich fast der Schlag: Ich hatte keine Ahnung gehabt, welche kruden Ansichten Sally hatte!
Ich bin auch ein kritischer Mensch und glaube sicher nicht alles, was einem weißgemacht werden soll, aber… Es schien mir fast, als würde sie auf wirklich jede Verschwörungstheorie hereinfallen, die sie finden konnte!
Ich sagte erstmal nichts zu ihr, an sich ging es mich ja nichts an, was sie hinter diesen und jenen ,Machenschaften` der Regierung vermutete oder wen sie verdächtige, kleinen Kinder in unterirdischen Schächten Blut abzuzapfen…. Aber es nahm nicht ab, der Strom an immer neuen, reißerischen Posts. Es ging um Impfungen, um Politik, um Reichsbürger, die ungerecht behandelt wurden. Die ganze Palette also…
Ich konnte irgendwann nicht mehr an mich halten.
Sie war mir eine wichtige Freundin geworden – aber diese kruden Ansichten konnte ich nicht länger ignorieren… Es kam schon so weit, dass ich sie insgeheim ,den Aluhut` nannte, und das hat mit Freundschaft ja nicht viel zu tun.
Schließlich lud ich sie zu einer ausgiebigen Mittagspause zu zweit ein. Ich begann das Gespräch und sie wusste sofort, worauf ich hinauswollte. Ihr war ,schon längst klar`, dass ich nicht ihrer Meinung wäre, denn sie sehe ja, dass ich ihre Posts niemals kommentieren oder liken würde. Aber dass ich wirklich so stupide bin und alles Offensichtliche übersehe, das hätte sie nun doch nicht geglaubt!
Ich war platt. Trotzdem versuchte ich, mit ihr über ihre Verschwörungstheorien zu diskutieren.
Dafür war ich schließlich hier! Aber ich musste schnell einsehen, dass das nicht ging. Jedem meiner Argumente ballerte sie, wie aus der Kanone geschossen – und eindeutig auswendig gelernt – drei Gegenargumente entgegen. Ich bekam sie gar nicht ,zu fassen`, sie dachte nicht eine Sekunde über meine Meinung nach.
Schließlich zahlte sie und ließ mich sitzen. Ich denke, sie war genauso enttäuscht wie ich, dass sie mich nicht von ihrer Meinung überzeugen konnte.
Tja, und irgendwie wars das dann auch mit unserer Freundschaft, obwohl diese Thematik uns so lange nicht gestört hatte…. Wir treffen uns nicht mehr privat. Im Job sind wir noch normal nett miteinander und versuchen, in der Teeküche weiterhin unsere Insider-Späße zu machen. Aber so richtig überzeugend ist dabei keine von uns beiden… Und ja, ab und zu raunt sie mir doch noch die neuesten, skandalösen Erkenntnisse über die Welt zu, so, als würde sie mich doch noch nicht ganz ,aufgegeben` haben. “
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