Warum ich mein Kind nicht tröste, wenn es schlechte Laune hat

Kennt ihr sie auch? Diese Tage, an denen man schon morgens weiß, dass sie eigentlich nicht mehr gut werden können? Wenn unser so wahnsinnig geliebtes Kind seit dem Aufstehen nörgelt und so in seiner – scheinbar grundlosen – schlechten Laune gefangen ist, dass wir es kaum noch erreichen können?

Bei uns laufen solche Tage zum Beispiel so ab: „Mama, du machst alles immer schlecht. Ich mag dein doofes Essen nicht“, faucht mein vierjähriger Sohn, während ich seine Snackbox in seinem kleinen KiTa-Rucksack verstaue. Ich habe sie liebevoll gepackt, obwohl ich mit dem Nerven eigentlich schon am Ende war. An guten Tagen könnte ich darüber lächeln. Aber nicht, wenn an Nachtschlaf nicht zu denken war und seit dem ganz frühen Morgen über jede Handbewegung von mir ausgiebig geschimpft wurde.

Eine Banane in der Snackbox? Eine echte Zumutung, pah! Foto: Bigstock

Dann kann es passieren, dass ich genervt zurückfauche: „Na gut, wir packen die Snackbox mit all den blöden Dingen wieder aus, die du nicht magst.“ Albern, ich weiß. Ich beobachte mich selbst dabei, wie ich die Dose wieder aus dem Rucksack zerre. Dabei weiß ich doch, dass sich die Sache so nur weiter hochschaukelt. „Ich glaube, du hast mich gar nicht mehr lieb, Mama. Du bist gemein und doof“, brüllt er schließlich mit wutroten Augen.

Jetzt hast du auch schlechte Laune? Bloß nicht hochschaukeln!

Wäre ich wirklich fies, könnte ich erwidern, dass ich doch nur seiner Beschwerde gefolgt bin: Nun muss er kein Essen mehr mitnehmen, das ihm nicht schmeckt. Aber ich tue es nicht. Er hat einen wunden Punkt getroffen. Zum Glück! Denn er hat mich daran erinnert, dass nichts wichtiger ist, als dass er sich geliebt fühlt. Und daran, dass ich genau das tue – ihn mehr lieben als alles andere. Und im Grunde war mir doch klar, dass es nie um den Inhalt der blöden Snackbox ging. Ihm fehlten nur einmal mehr die Worte, um das blöde Gefühl in seinem Bauch zu erklären, das wir alle kennen. Er hat einfach einen miesen Tag. Und ein Kind verunsichert es eben enorm, nicht zu wissen, was mit ihm los ist. Vielleicht bekommt es Kopfweh oder Bauchweh. Mein Sohn bekommt meist Halsweh und ich denke, er meint damit, dass er einen Kloß im Hals hat. Und oft erklären sich Kinder dieses Gefühl, indem sie irgendetwas (irgendwem!) die Schuld geben – wie der Mama, die das Falsche einpackt.

Manchmal ist Liebe doch alles, was ein Kind braucht

Mittlerweile gelingt es mir immer öfter, in solchen Momenten tief durchzuatmen. Mir zu sagen, dass ich es nicht persönlich nehmen muss, was er sagt. Denn es geht gar nicht um das, was er sagt, sondern nur um das, was er fühlt – ein überwältigendes Unbehagen.

Kleinkind Wutanfall

Wenn das blöde Gefühl im Bauch mit voller Wucht zuschlägt… Foto: Bigstock

Anfangs habe ich in solchen Momenten gleich den nächsten Fehler gemacht: ihn trösten zu wollen. „Ach, mein Schatz, das ist doch alles gar nicht so schlimm.“ Ich habe nicht gleich verstanden, warum er dann erst recht ausgerastet ist. Doch dann begriff ich: Er will einfach niemanden, der ihm nun mit abgedroschenen Trostworten kommt. Er will jemanden, der da ist, der seine Gefühle anerkennt und sie nicht kleinredet.

Geht es uns in solchen Momenten nicht ganz genauso?

Deswegen werde ich nun in solchen Momenten still, setze mich neben ihn, ohne ihn zu bedrängen, und versuche ihn wirklich zu sehen. Oft verrät er mir dann von ganz allein, was er braucht. Nicht unbedingt mit Worten. Aber vielleicht legt er sein Köpfchen auf meine Schulter, um dort alles rauszulassen. Oder er sagt ganz von selbst, was ihn jetzt aufmuntern würde. Das heißt nicht, dass danach eine Superstimmung herrscht. Das muss es auch gar nicht, finde ich.

Ein mieser Tag ist eben manchmal ein mieser Tag. Nicht mehr und nicht weniger. Aber nun kann er ihn mit mir Hand in Hand entgegentreten – in dem Vertrauen, dass ich da bin und dass ein mieser Tag manchmal ganz okay ist.

Jana Stieler

Ich lebe mit Mann und Sohn im Süden Hamburgs – am Rande der Harburger "Berge" (Süddeutsche mal kurz weghören: Der höchste Punkt misst immerhin sagenhafte 155 Meter ü. M.). Wenn ich nicht gerade einen Text verfasse, liebe ich Outdoor-Abenteuer mit meiner Familie, lange Buch-Badewannen-Sessions mit mir allein und abendliches Serien-Binge-Watching.

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Heike
Heike
Antworten  Steffi Voigt
2 Jahre zuvor

Beste Kommentar den ich seit langem gelesen habe! Vielen Dank an die Verfasserin für diese direkten passenden Worte

Steffi Voigt
Steffi Voigt
2 Jahre zuvor

Ach klingt das alles romantisch. Man schaukelt sich kurz hoch, besinnt sich morgens um halb sieben, denkt über sein Handeln nach, stellt fest, dass man einfach nur Liebe geben muss u d schon ist die Sache geritzt…

Ich möchte genauso, wie in diesem Artinel handeln. Das klappt aber im besten Fall in 4 von 10 Fällen.

Einer 10 eine 6 jajre alt, beide taff, diskutierfreudig und uunglaublich ausdauernd, was Lautsein und sich gegenseitig ärgern betrifft.
Dann noch die Vorwürfe, Mama das ist blöd, das Brot mag uch nicht, aber Müsli auch nicht, die Socke hängt schief, der Bruder ist doof, die Schwester auch und warum soll ich jetzt noch meinen Arm waschen, den ich mir leide schaftlich mit Kuli vollgekritzelt habe, ich muss doch JETZT SOFORT in die Schule gehen….

Kann mir mal einer sagen, wie man bei dem Trubel (is ja nicht so, als müsste man danach nicht noch ins Büro) so die Contenance bewahren kann um so zu reagieren, wie in dem Artikel?

Ich lese so zeug immer, aber am Ende frage ich mich, warum ich keine einzige Mama kenne, bei der das so funktioniert. Sind wir alle Versager?

Ich liebe meine Kinder auch, aber meistens ist es verdammt anstrengend und lässt so einfühlsame und besonnene Gedanken, wie im Artikel beschrieben nur zu, wenn Wocje e de ist, keine Termine anstehen oder wenn die beiden schlafen.

In diesem Sinne, Kaffeepause vorbei, Kindertraining, Telkomeeting und Abendessen warten auf mich. Gut gelaunt unt tiefenentspannt natürlich…

Liebe Grüße aus Hessen.