Du lässt dein Kind ab und zu mehr als eine Folge seiner Lieblingsserie schauen? Gelegentlich darf es sogar an dein Smartphone? Vielleicht überkommt dich dabei auch oft ein schlechtes Gewissen: Solltest du mit deinem Schatz nicht gerade draußen durch Pfützen hüpfen, ein Kunstwerk aus Lego bauen oder ihm etwas vorlesen? Fernsehen und Computer machen schließlich dick, doof und unsozial. Kinder am Smartphone und vor dem TV? Ein absolutes NoGo!
Oder nicht? Gerade sind ein paar spannende Studien zu Kindern und Medien erschienen, die dir vielleicht einen Teil deiner Sorgen nehmen können.
Machen Fernseher, Smartphone und Computer dein Kind wirklich doof?
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt überraschende Ergebnisse: Kinder, die bis zu zwei Stunden täglich Fernseher oder Computer nutzten, punkteten in den Bereichen Konzentration und Social Skills stärker als Kinder, die das gar nicht durften. Achtung: Sobald die Kinder mehr als vier Stunden am Tag fernsahen oder am Rechner spielten, verkehrte sich der Effekt ins Gegenteil. Diese Kinder hatten teilweise heftige Konzentrationsprobleme.
Und was das Soziale angeht: Kinder lieben es die gleichen Serien wie ihre Freunde zu schauen – um im echten Leben mit ihnen darüber zu reden. Das ist eigentlich ziemlich kommunikativ.
Wichtig zu wissen: Hier wurden Grundschüler untersucht. Klar, dass Jüngere solche Medien weniger ausgiebig nutzen sollten. Auch weiß man nicht genau, ob die Bis-zu-zwei-Stunden-Kinder besser abschnitten, weil sie am Bildschirm sitzen durften oder ob nicht Eltern, die ihren Kinder den maßvollen (!) Umgang mit Medien erlauben, oft insgesamt recht vernünftig sind und auch sonst gut auf ihre Kinder achten. Trotzdem zeigt die Studie, dass es wohl nicht schadet, etwas großzügiger in diesen Dingen zu sein, solange man Kinder nicht dauern vor Bildschirmen „parkt“.
Wird dein Kind vom Videospielen dick?
In Filmen werden Computerspieler meist als pummelige Nerds dargestellt, die chipsfutternd Baller-Games durchzocken. Unter echten Menschen bringen sie dafür kaum einen Satz raus. Sicher gibt es solche Kinder, aber weniger oft, als besorgte Erwachsene vermuten. Die Welt berichtet: Forscher werteten für die Fachzeitschrift „Social Science & Medicine“ 20 Studien zu dem Thema aus und stellten fest, dass Kinder die Computer spielen, im Schnitt nicht mehr wiegen als andere (erwachsene Spieler dagegen oft schon). Wenn sie zu Sport Games greifen, bei denen sie mit der Steuerung in der Hand z.B. Tennisbewegungen nachahmen, beugen sie sogar Übergewicht vor.
Machen Computerspiele aggressiv?
Wie oft hat man es in den Nachrichten gehört, dass ein gewalttätiger Jugendlicher zuvor süchtig nach brutalen Computerspielen war… Doch die Spiele sind vermutlich nicht Schuld an Verbrechen. Wissenschaftler der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU) begleiteten eine Gruppe von anfangs sechsjährigen Jungen und Mädchen über einen Zeitraum von sechs Jahren. Bei den Jungs zeigte sich gar kein Effekt. Nur bei den zehnjährigen Mädchen hatten diejenigen, die häufiger Videogames spielten als ihre Altersgenossinnen, etwas häufiger Probleme im sozialen Bereich.
Anscheinend ist es aber nicht so, dass Computerspiele einsam und unsozial machen, sondern genau umgekehrt: Wer im Umfeld Schwierigkeiten hat, will sich häufiger in die Spielwelt zurückziehen. Deswegen sollte man doch hellhörig werden, wenn Kinder exzessiv spielen – nur eben anders als gedacht.
Schauen Kinder auf YouTube nur Mist?
Was die Nutzung der Videoplattform angeht, gibt es noch keine Zahlen für sehr junge Nutzer. Aber die Untersuchung des Rats für Kulturelle Bildung ist auch für Eltern von kleinen Kindern interessant: 86 Prozent der zwölf- bis 19-Jährigen nutzen YouTube regelmäßig. Bei einer so hohen Zahl kann man davon ausgehen, dass nicht alle erst mit Zwölf über Nacht zum ersten Mal eingeschaltet haben. Überraschend: Rund 70 Prozent der jungen Nutzer suchen gerne nach Erklär-Videos, um etwas zu lernen und den Schulunterricht zu vertiefen. Und 60 Prozent von ihnen wünschen sich sogar, dass in der Schule kritischer über YouTube nachgedacht würde. Gar nicht so unclever, oder?
Natürlich sollten jüngere Kinder nicht alleine YouTube nutzen. Die Gefahr, dass sie auf erschreckende Inhalte stoßen, ist zu groß. Nur ist es unrealistisch, solche Angebote ganz von ihnen fernzuhalten. Wer ein absolutes Verbot ausspricht, riskiert womöglich, dass Kinder später heimlich und wahllos surfen. Wer mit ihnen gemeinsam einen zunächst vorsichtigen Anfang macht – ihnen sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten zeigt – fördert einen späteren kritischen Umgang. Außerdem bleibt er dann eher ein Ansprechpartner für das Kind, wenn es mal auf Inhalte stößt, die es nicht einordnen kann.
Viele Likes, aber keine Freunde?
Oft heißt es, dass Menschen das echte Leben aus den Augen verlieren, wenn sie sich in sozialen Netzwerken herumtreiben. Nun stellte das amerikanische National Institutes of Health fest, dass 9- und 10-jährige Kinder, die Instagram, Facebook & Co. nutzen, körperlich aktiver sind, weniger Schlaf- und Familienprobleme haben als andere.
Hingegen zeigte sich, dass Kinder die viel andere Internet-Angebote, TV und Videospiele nutzten, anfälliger für schlechteren Schlaf und Familienprobleme waren. Die genauen Zusammenhänge sind noch unklar. Aber: Diese gefundenen Auswirkungen waren bei genauer Betrachtung so winzig klein, dass wir genau dies als Trost mitnehmen können. Diese Dinge scheinen viel weniger Einfluss auf unsere Kinder haben, als befürchtet. Kinder am Smartphone – haben meistens auch ein „echtes Leben“.
Kinder am Smartphone … also kein Problem?
Sicher ist euch das ohnehin klar, aber: Natürlich sollen eure Kinder nicht jeden Tag stundenlang vor Bildschirmen abhängen. Laut Experten sollten Kinder unter drei Jahren gar nicht fernsehen. Das ist mit älteren Geschwisterkindern schon mal sehr schwer einzuhalten. Aber auch wenn Fernsehen & Co. in diesem Alter gar keine positiven Aspekte haben, zerstört ihr auch nicht gleich die Chance auf eine gesunde Entwicklung, wenn es mal 20 Minuten eine (nicht aufregende!) Sendung schaut.
Kinder zwischen drei und fünf Jahren sollen nicht länger als eine halbe Stunde auf Bildschirme schauen, zwischen sechs und zehn Jahren dürfen Kinder auch mal eine Stunde glotzen. Wichtig: Kein Kind unter zehn Jahren sollte unbegleitet durch alle Programme zappen oder im Internet surfen. Aber ihr müsst euch sicher auch nicht grämen, wenn sich das Kind mal ein paar Minuten mehr mit einem ausgewählten, geeigneten Programm beschäftigt.
Vielleicht ist es unmöglich, den Großputz am Sonnabendmorgen durchzuziehen und gleichzeitig das Kind zu bespielen. Vielleicht hast du ihm bereits vorgelesen, Lego gebaut und den Spielplatz besuchst. Oder du hattest einen schlimmen Tag im Büro und bist nun einfach schrecklich erschöpft. Dann ist eine Folge „Paw Patrol“ mehr als üblich bestimmt nicht schlimmer, als das Kind anzuschnauzen, weil es das gerade Aufgeräumte wieder aus den Regalen zieht, oder sich ihm halbherzig zu widmen, obwohl man gerade fix und fertig ist. Solange Fernseher & Co. keine ständigen Begleiter und Ersatz für Zuwendung, Anregung und Draußen-Zeiten werden, ist also höchstwahrscheinlich alles in Butter.
Eine gute Idee: Mediengutscheine für dein Kind
Wenn du die Mediennutzung deines Kindes begrenzen möchtest, ohne feste Zeiten vorzugeben oder jedes Mal neu auszudiskutieren, wann Fernseher, Tablet und Co ausgeschaltet werden, sind Mediengutscheine eine gute Lösung. Das Prinzip dahinter: Du gibts deinem Kind eine bestimmte Anzahl der Gutscheine und legst fest, welcher Gutschein für welches Medium gilt – und für welche Zeit. Beispiele wären unter anderem ein Gutschein für eine Folge der Lieblingsserie oder aber 20 Minuten Tablet-Zeit. Dein Kind kann die Gutscheine einlösen, wann es möchte – und weiß damit vorher genau, was es dafür bekommt.
Der Vorteil: Du legst fest, wieviel Zeit dein Kind pro Tag oder Woche mit den einzelnen Medien verbringen darf. Und dein Kind hat trotzdem das Gefühl, dass es selbst entscheiden kann. Außerdem lernt es mit Hilfe der Gutscheine, sich seine Medienzeit einzuteilen. Denn wenn alle Gutscheine verbraucht sind, ist auch die Medienzeit vorbei.
Eine gute Idee, oder? Hier findest du Vorlagen für Mediengutscheine für Kinder zum Download
[…] aus der Hand zu reißen, um es zu kontrollieren, ist deshalb keine Lösung. Was hilft: schon früh Medienkompetenz vermitteln und miteinander […]
[…] oder schnell etwas erledigen möchte, habe ich meinen beiden früher häufiger mal mein Handy in die Hand gedrückt und eine Folge „Peppa Wutz“ angestellt. Eines Tages gab mein Telefon plötzlich schrille Töne […]
Meine größte Sorge ist eher, dass Kinder durch die Smartphone-Nutzung UNGLÜCKLICH werden. Darauf geht die Studie nicht so recht ein, finde ich. Kann man davon ausgehen, dass Kinder glücklich sind, weil sie eben nicht doof werden, dick oder einsam? Man sagt, unser Gehirn braucht auch mal Ruhe und Leerlauf, ohne dass wir immer wieder durch die Timeline scrollen…
Die Uni Bonn hat zu dem Thema auch ein interessantes Forschungsprojekt laufen, da sagt Studienleiter Alexander Markowetz allerdings: „Unser Handykonsum wirkt sich bereits jetzt negativ auf unsere geistige Leistungsfähigkeit und unsere Gesundheit aus, macht uns unglücklich und unproduktiv.“ Ich habe das Zitat aus einem Artikel von Spiegel Online: https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/digitaler-burnout-zu-viel-smartphone-macht-ungluecklich-a-1056361.html
Als Mutter von Kindergartenkindern beschäftigt mich das Thema bislang nur theoretisch, aber ab der weiterführenden Schule wird ein Smartphone für die Kinder wahrscheinlich auch praktisch hier einziehen.
LG Nadine