So so so gerne wäre ich die Ruhe selbst. Vom Typ her ganz gelassen. Und zwar immer!
Bin ich aber nur selten. Wenn meine Tochter etwas „Selber machen, Mama!“ will, mutiere ich leider ganz oft zur ungeduldigen, nervösen Person. Weil das alles so lange dauert! Das war natürlich besonders so, als sie noch kleiner war. Socken anziehen – eine echte Herausforderung. Ein Puzzle, das aus fünf großen Teilen besteht – eine Aufgabe, die sie ewig beschäftigen konnte. Eine Mandarine pellen – das dauert, weil sie mit Inbrunst jeden noch so kleinen weißen Fitzel abpult, obwohl sie gerade noch so einen Mega-Kohldampf hatte, dass sie es bis zum Abendessen nicht mehr aushalten konnte.
Dann brodelt es so manches Mal in mir und ich möchte ihr die Dinge aus der Hand nehmen und sie „Selber machen, Maus!“.
Aber ich beherrsche mich. Zumindest etwa jedes zweite Mal…. Denn ich ahne ja, dass es so richtig frustig für ein Kind sein muss, wenn sein Tatendrang immer gestoppt wird. Nur, weil Mama denkt, dass sie es besser und schneller kann…
Und ja, mit diesem Gefühl liege ich genau richtig. Hirnforscher Gerald Hüther hat mit dem Focus über genau dieses Thema gesprochen. Und er sagt ganz klar:
Wenn Eltern zu sehr eingreifen, kann das die natürliche Entdeckerlust ihres Kindes zerstören.
Ist ja auch klar! Wenn mir immer jemand reinquatschen würde, hätte ich ja auch keine Lust mehr, etwas auszuprobieren.
Hüther erklärt, dass es nicht die Aufgabe von uns Eltern ist, unsere Kinder zu formen und ihnen zu sagen, was sie wie (und wie schnell!) tun und spielen sollen. Wir sind dafür da, ihnen den Raum zu schaffen, sich ihre Welt selbst zu erschließen und sich auszuprobieren. Denn nur dann können sie ihren Geist eigenständig entwickeln, ihre Vorlieben, ihr Können entdecken und lernen, wie die Welt so funktioniert.
Deswegen plädiert er auch dafür, Kinder nicht immer zu beschäftigen und ihnen x fördernde Kurse aufzudrücken, von denen wir denken, dass sie gut für ihre Entwicklung sind. Kinder brauchen vor allem eines: Zeit und Ruhe für freies Spielen! Und dazu genügend Gelegenheiten, Dinge selbst auszuprobieren – und dabei grandios zu scheitern, bis es dann irgendwann klappt.
Wenn Eltern zu sehr eingreifen, bringt das die kindliche Entwicklung aus dem Takt.
Denn unsere Kinder wuppen das alles alleine! Die Gehirnforschung weiß längst, dass das freie Spielen unsere Kinder kreativ und ihre Gehirne besser vernetzt werden lässt.
Auch wichtig: Wenn Kinder etwas wissen wollen, fragen sie uns. Fragen sie uns nicht, sollten wir uns mit Erklärungen zurückhalten. Denn dann möchten unsere Kinder die richtige Antwort selbst herausfinden – ein Segen für ihre Entwicklung!
Aber was können wir Eltern denn nun am besten tun?
Salopp gesagt: Möglichst wenig. Aber das scheint nur auf den ersten Blick so. Denn wir haben die wundervolle, große Aufgabe, unseren Kinder genügend Freiräume und Möglichkeiten zu schaffen, in denen sie die Welt entdecken können. Ihnen ihre Würde lassen, indem wir nicht immer für sie entscheiden und ihnen eine ganze Menge zutrauen.
Wenn wir sie auf diesem Weg liebevoll begleiten, stehen die Chancen gut, kluge, glückliche und ausgeglichene Menschen zu erziehen.
Und ich? Ich werde mein Bestes geben, um mich eben nicht mehr nur jedes zweite Mal in Geduld zu üben, wenn mir etwas zu langsam geht. Ich halte mich zurück, wenn wir nur irgendwie die Zeit dafür haben. Denn meine Tochter ist absolut wunderbar und wird ihren Weg machen. Und zwar viel besser, wenn „Muddi“ sie einfach mal machen lässt.