Es ist ein Thema, das man leicht verdrängt, wenn es einen selbst nicht betrifft: Kinder, die in großer Geldnot aufwachsen. Dabei ist Kinderarmut in Deutschland sehr real und weit verbreitet: Im Juli dieses Jahres gab die Bertelsmann-Stiftung bekannt, dass rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland in Armut aufwachsen – das sind 21,3 Prozent aller unter 18-Jährigen!
Die Corona-Pandemie verstärkte dieses Problem noch.
Die Eltern sowieso schon finanziell benachteiligter Kinder wurden besonders hart getroffen. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit oder als Minijobber und gehören zu der Gruppe, die in der Krise als erste ihren Job verlor. Zudem erhielten sie meist kaum oder auch gar kein Kurzarbeitergeld.
Wie soll gegen Kinderarmut vorgegangen werden?
Vor zehn Jahren wurde das Bildungs- und Teilhabepaket eingeführt. Die Leistungen dieses Pakets sollen es, kurz gesagt, einkommensschwachen Eltern ermöglichen, ihren Kindern in Schule und Freizeit die gleichen Möglichkeiten zu bieten wie andere.
Um mal eine Vorstellung über die Zahlungen zu bekommen: 2019 gab es eine Reform des Pakets, in deren Zuge der monatliche Zuschuss für eine Teilhabe an Freizeitaktivitäten von zehn auf 15 Euro erhöht wurde.
Jetzt hat eine Studie gezeigt: Nur jedes siebte sozial benachteiligte Kind profitiert auch davon.
Das sind gerade mal 15 Prozent der leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen.
Nur einer der Gründe: Es gibt regional erhebliche Unterschiede in der Umsetzung dieses Anspruchs. In der Studie des Paritätischen Gesamtverbandes wurden nun erstmals Jobcenter (die die Anträge auf das Paket bearbeiten) mit besonders hohen und besonders niedrigen Quoten im Bundesländervergleich berücksichtigt.
Die Jobcenter, die viele Anträge bewilligt hatten, gaben an, dass sie ihre Kunden gut über die Hilfsmöglichkeiten aufklärten und sogar Werbung für das Teilhabe- und Bildungspaket machen würden. Zudem würden sie die Antragsprozedur relativ unbürokratisch vornehmen.
Diejenigen Center, die das Paket wiederum nur selten vermittelt hatten, gaben an, Probleme mit der Datenerfassung gehabt zu haben – und ihre Kunden zudem auch häufig lieber auf andere, kostenlose Angebote hinzuweisen.
Der Patitätische Gesamtverband kritisiert das Bildungs- und Teilhabepaket.
Es sei in der aktuellen Form nicht geeignet, Kinderarmut zu bekämpfen und eine Bildungsgerechtigkeit zu sichern. „Das Bildungs- und Teilhabepaket ist und bleibt Murks und geht weiter komplett an der Lebensrealität Heranwachsender und den Strukturen vor Ort vorbei“, sagt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. „Was es jetzt braucht, ist den politischen Mut, sich von dem verkorksten Bildungs- und Teilhabepaket endlich zu verabschieden, und den politischen Willen, Kinderarmut wirklich zu stoppen.“
Der Verband schlägt statt dessen die Einführung eines einklagbaren Rechtsanspruchs auf Angebote der Jugendarbeit, denn: „Die bisherigen Teilhabeleistungen sind davon abhängig, dass es vor Ort überhaupt passende Angebote gibt. Nur ein Rechtsanspruch sorgt dafür, dass auch wirklich entsprechende Angebote vorgehalten werden und jedes Kind, unabhängig von seinem Wohnort, bestmöglich in seiner Entwicklung gefördert wird.“