Mama Janina möchte hier Emmis Geschichte erzählen, die stellvertretend für die vieler Kinder mit NCL steht. In diesem Zuge möchten wir auch die wichtige Arbeit der NCL Stiftung erwähnen, die sich für Emmis Familie und viele weitere einsetzt und als ihr Sprachrohr fungiert. Für die Betroffenen seltener Erkrankungen ist diese Art von Aufmerksamkeit und Aufklärung sehr wichtig, denn je mehr Menschen davon erfahren, desto mehr kann ihnen geholfen werden. Mehr Informationen zur Stiftung findet ihr HIER.
„Als Emmi sechs Jahre alt war, konnte sie plötzlich die Symbole ihres Lieblingsspiels ‚Die freche Sprechhexe‘ nicht mehr erkennen – etwas, das ihr zuvor nie Schwierigkeiten bereitet hatte. In der Grundschule fiel es ihr schwer, Linien beim Schreiben zu treffen, und beim Lesen ließ sie immer wieder Buchstaben aus.
Mit etwa acht Jahren wurde das Problem immer gravierender.
Wir suchten mehrere Augenärzte auf, doch die konnten nichts Auffälliges feststellen. Es gab kein erkennbares Muster. Stattdessen wurde uns gesagt, Emmi würde nur simulieren, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Man empfahl uns einen Psychologen für sie – und eine Eheberatung für uns Eltern.
Wir gaben nicht auf und konsultierten weitere Augenärzte. Erst als ich auf eine Augenhintergrunduntersuchung bestand, fiel auf, dass etwas mit der Makula nicht stimmte. Daraufhin ging es weiter in die Augenklinik Bielefeld und schließlich in die Uniklinik Bonn – doch auch dort fand man keine eindeutige Erklärung. In der Uniklinik Köln bekamen wir verschiedene Diagnosen zu hören.
Doch wirklich sicher war sich niemand.
Den entscheidenden Hinweis gab schließlich Emmis Klassenlehrer von der Blindenschule. Er bemerkte, dass sie nicht nur immer schlechter sah, sondern auch zunehmend vergesslich wurde. Durch eine Google-Suche mit den Begriffen „Vergesslichkeit bei Kindern” stieß ich auf die Rubrik Kinderdemenz und NCL.
Schließlich fuhren wir ins Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), wo sich mein Verdacht bestätigte. Kurz vor ihrem neunten Geburtstag erhielt Emmi die Diagnose: neuronale Ceroid-Lipofuszinose (NCL).
Seitdem ist ein strukturierter Tagesablauf für sie besonders wichtig.
Sie besucht die Pauline-Schule in Paderborn, und nach der Schule steht Mama-Zeit im Mittelpunkt – bis sie schlafen geht. Wir spielen, basteln, lesen, hören Hörbücher oder schauen Fernsehen. Auch ihre Geschwister sind eine große Unterstützung und ein wichtiger Teil ihres Alltags.
Seit der Diagnose ist unser Leben ein ständiger Wechsel. Wir müssen uns immer wieder an neue Stadien der Krankheit anpassen. Zweimal hat Emmi die Schule gewechselt – von der Regelschule auf eine Förderschule mit Schwerpunkt Sehen, später auf eine Schule, die auch weitere Behinderungen abdeckt. Wir wollten ihr einen weiteren Wechsel ersparen, denn jede Veränderung bedeutet für sie eine zusätzliche Belastung.
Auch finanziell hat die Krankheit große Auswirkungen.
Mein Mann und ich arbeiten beide nur noch in Teilzeit – eine Vollzeitstelle wäre für uns nicht mehr machbar. Gemeinsame Urlaube sind nicht mehr möglich, weite Autofahrten eine Zumutung. NCL schränkt nicht nur die Betroffenen selbst ein, sondern das gesamte Familienleben.
Neben der Schulwahl mussten auch die passenden Hilfsmittel angeschafft und unser Haus ständig umgebaut werden – bis wir schließlich umzogen und unser Haus verkauften, weil es trotz aller Anpassungen nicht mehr geeignet war. Mein Mann hat unzählige Stunden in die Umbauarbeiten investiert, doch am Ende war ein Neuanfang die einzige Lösung.
Emmi kennt das volle Ausmaß ihrer Krankheit nicht.
Wir erzählen ihr immer das, was aktuell ist, bleiben im Hier und Jetzt und leben von Tag zu Tag. Ihr Sehverlust ist für sie und für uns das Schlimmste. Sie war eine talentierte Kunstturnerin, hat erfolgreich voltigiert, an Stadtläufen teilgenommen und liebte den Wettkampf.
Malen, Basteln und Kreativität waren ihre Leidenschaft – doch an erster Stelle stand immer das Turnen und die Akrobatik. Ob am Reck, an den Ringen oder an einem Tuch unter unserer Wohnzimmerdecke – sie liebte es, sich zu präsentieren, war selbstbewusst und stolz auf sich.
All das ist nicht mehr vorhanden.
All das hat ihr der Sehverlust genommen. Eigentlich all das, was ihr Freude gemacht hat, was sie ausgemacht hat – was Emmi war. Nicht nur wir müssen uns jeden Tag ein Stück mehr von unserem Kind verabschieden, sondern sie selbst muss sich von ihrem eigenen Leben und von sich selbst immer weiter verabschieden.
Es ist für uns alle eine tägliche Aufgabe, dass wir trotz allem unseren Lebensmut nicht verlieren. Emmi hat keine Angst vor dem Tod, sie möchte in den Himmel zu Gott. Sie ist sich ganz sicher, dass sie dort wieder sehen kann und ihr altes Leben zurückbekommt.

Emmi und ihre Familie lassen sich ihr Lächeln nicht nehmen. Foto: Privat
Dennoch geben wir nicht auf.
Wir suchen täglich nach den schönen Momenten und konzentrieren uns darauf. Denn diese sind es, die uns Kraft geben und uns weitermachen lassen. Sie helfen uns, nicht aufzugeben und weiter zu kämpfen. Sie lassen uns lächeln – und genau das ist unser Ziel: dass jeder von uns täglich lacht. Denn nur so ist ein Leben lebenswert.
Die NCL-Stiftung gibt uns Hoffnung. Hoffnung, dass ein Heilmittel für NCL gefunden wird. Hoffnung, dass mehr Menschen von dieser Krankheit erfahren, uns Betroffene verstehen und helfen können. Hoffnung auf eine bessere Zukunft für unser NCL-Kind.”
Liebe Janina, vielen Dank, dass wir Emmis Geschichte erzählen durften. Wir wünschen Emmi alles Liebe für die Zukunft!
Vielen Dank auch an Nadja Bachmann, unserer Ansprechpartnerin und Sprecherin der NCL-Stiftung. „Für eine Zukunft ohne Kinderdemenz“ ist die Mission der gemeinnützigen NCL-Stiftung. Sie setzt sich seit der Stiftungsgründung im Jahr 2002 für die nationale und internationale Forschungsförderung ein, um von NCL betroffenen Kindern eine Aussicht auf bisher fehlende Therapie- und Heilungsansätze zu geben. Gegründet wurde die NCL-Stiftung von Dr. Frank Husemann, bei dessen Sohn Tim 2001 im Alter von 6 Jahren NCL diagnostiziert wurde.
Die Kinderdemenz NCL (Neuronale Ceroid Lipofuszinose) ist eine seltene und bisher immer tödlich verlaufende Stoffwechselkrankheit, die zur Folge hat, dass Stoffwechselprodukte in den Zellen nicht mehr richtig abgebaut werden. Durch einen genetischen Defekt sterben nach und nach die Seh- und Nervenzellen der betroffenen Kinder ab.
Echte Geschichten protokollieren die geschilderten persönlichen Erfahrungen von Eltern aus unserer Community.
WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
Hast Du etwas Ähnliches erlebt oder eine ganz andere Geschichte, die Du mit uns und vielen anderen Mamas teilen magst? Dann melde Dich gern! Ganz egal, ob Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Mamaleben, besonders schön, ergreifend, traurig, spannend oder ermutigend – ich freue mich auf Deine Nachricht an [email protected]