Viel cooler als Mama! Kinderlose Tanten sind wahre Heldinnen

Ohne meine Schwester wäre ich total aufgeschmissen. Wie oft ich diesen Satz gedacht habe, als ich noch ein Kind war, weiß ich gar nicht. Es war sehr oft. Und es hörte nicht auf. Auch als Jugendliche wusste ich immer, dass ich mich auf sie verlassen kann und sie immer für mich da sein würde, was besonders in den Teenager-Jahren eine sehr gute Sache ist.

Rückblickend war das aber noch gar nichts im Gegensatz zu dem, was noch folgen sollte. Ich bekam Kinder und sie war begeistert davon, Tante zu werden. In der Schwangerschaft machten wir zusammen Gipsabdrücke von meinem Bauch, sie lachte mich aus, wenn ich ihr vom Hechelkurs erzählte und sie rief mich nach jedem Ultraschall-Termin an.

Sie war bei beiden Kindern die erste, die mich im Krankenhaus besuchen kam und diejenige, die sofort zur Stelle war, wenn ich nach schlaflosen Nächten dringend noch eine Milch aus dem Supermarkt brauchte – oder jemanden, der mal mit dem Baby eine Runde spazieren geht, damit ich mich nochmal hinlegen kann.

Inzwischen hilft die Super-Tante bei den Hausaufgaben, macht mit uns Ausflüge, nimmt die Kinder mal mit zur Arbeit und übernimmt das Schimpfen für mich, wenn ich nicht mehr Schimpfen kann, weil auf mich sowieso keiner mehr hört.

Für meine Kinder und mich war und ist sie der größte Segen. Dass sie selbst keine Kinder hat, macht sie zu einer perfekten, spontanen Spielgefährtin und noch besseren Bezugsperson für jedes einzelne Familienmitglied.

Mama liebt Holzspielzeug, die Lieblingstante bringt herrlichen, fiesen Spielschleim mit. Foto: Bigstock

Damit folgt sie einer Familientradition: Als wir aufwuchsen, gab es sie ebenfalls, die kinderlose Tante. Wir haben sie heiß und innig geliebt und sie uns ebenso. Sie war diejenige, die die besten Geburtstagsparties für uns schmiss, diejenige, die mit uns im Herbst durch die Wälder tobte, diejenige, die an langen Sommerabenden die schönsten Spielideen hatte. Sie war es auch, die uns unsere erste Reitstunde schenke und uns jede Woche auf den Ponyhof fuhr; der Beginn einer großen Liebe, die uns Schwestern (und unsere Tante) heute noch verbindet.

In den USA haben solche Tanten sogar einen eigenen Namen: PANK, was für „Professional Aunt No Kids“ steht, also „Professionelle Tante Keine Kinder“. Einen eigenen Tag haben sie auch, nämlich den 22. Juli, den Tag der Tanten.

Das zeigt, dass unsere Familie keine Ausnahme ist. Tanten sind für ihre Nichten und Neffen eine wichtige Bezugsperson, und das, obwohl beide keine Wahl haben. Tanten werden Tanten, ohne vorher dazu befragt zu werden, Kinder werden als Nichten oder Neffen geboren. Beide sind bereits von Geburt an untrennbar miteinander verbunden.

Sie kennen sich genauso lange wie Mama und Kind, und in der Hierarchie sind Tanten mit Müttern gleichgesetzt. Omas sind eine Stufe höher, während die Tante auf demselben Level ist wie die Eltern.

Allerdings muss eine Tante nichts und darf alles, was die Kinder genau wissen. Tante muss nicht ins Bett bringen und dafür sorgen, dass die Hausaufgaben gemacht sind. Aber sie darf und macht diese alltäglichen Dinge darum ganz anders als Mama. Oft besser, so zumindest der Tenor meiner Kinder….

Viele Kinder haben eine heißbeliebte Tante. Foto: Bigstock

Dass man tiefe Liebe nur zu seinen eigenen Kindern empfinden kann, ist eine oft gehörte Aussage, über die Tanten und ihre Nichten allerdings nur herzlich lachen können. Denn ihr Band ist so besonders, dass sogar Mamas manchmal neidisch werden können. Nicht umsonst heißt es, Tanten wären wie Mütter – nur cooler. Schließlich kann man ihnen Geheimnisse verraten, die Mama vielleicht nicht gutheißen würde und Quatsch machen, den Mama verbieten würde. Meine Schwester war beispielsweise der erste Mensch, der meine Kinder mit Schokolade gefüttert hat.

Trotz dieser wertvollen Beziehung hat sich die Wissenschaft bisher kaum bis gar nicht mit dem Verhältnis von Tanten und deren Neffen und Nichten beschäftigt. Es gibt sehr wenige Studien, die darauf eingehen. Darum hat Professor Roberto Milardo fast schon Pionierarbeit geleistet, als er sich daran machte, eine qualitative Erhebung zu starten. Er interviewte Familienmitglieder und analysierte deren Antworten. Das Ergebnis publizierte er 2011 im Buch „Die vergessen Angehörigen: Tanten und Onkel“. Darin steht, dass zwei Drittel aller Tanten sich im Leben ihrer Neffen und Nichten engagieren, eines sehr und das andere ein bisschen weniger.

Außerdem erklärt er das, was der Alltag uns ohnehin zeigt: „Tanten können mit einem großen Spektrum von Aktivitäten dienen. Sie können Eltern ergänzen und sind eine Stütze für Eltern und für deren Kinder. Sie sind außerdem wichtige Ansprechpartner für die Kinder, wenn es um schwierige Themen gibt, die man lieber nicht mit den Eltern bespricht, wie Sexualität, Partnerschaft oder Alkohol und Drogen.“


Tipps für Tanten, wie sie mit solchen Gesprächen umgehen können, Spielideen und noch viel mehr, gibt es übrigens im Internet unter savvyauntie.com, der ersten Tanten-Community überhaupt.

Rebecca

Schon seit rund einer Dekade jongliere ich, mal mehr, mal weniger erfolgreich, das Dasein als Schreiberling und Mama. Diese zwei Pole machen mich aus und haben eines gemeinsam: emotionale Geschichten!

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