Eigentlich kennen wir Ikke Hüftgold als lustigen Partysänger am Ballermann. Nun zeigt sich der 44-jährige Sänger, der mit bürgerlichen Namen Matthias Distel heißt, unter Tränen bei Instagram und macht in einem ergreifenden Video schockierende Zustände bei einem Sat.1-Dreh öffentlich. Unter anderem habe der Sender bewusst eine Kindeswohlgefährdung in Kauf genommen.
Immer wieder kämpft Matthias Distel in seiner Videobotschaft mit den Tränen. Es fällt ihm sichtlich schwer, über das zu sprechen, was er erlebt hat. Der Künstler hat einen neuntägigen Dreh für das Sat.1-Format „Plötzlich arm, plötzlich reich” vorzeitig abgebrochen. Jetzt erhebt er schwere Vorwürfe gegen den Sender und die zuständige Produktionsfirma Imago TV.
„Das Kindeswohl von zwei schwer traumatisierten Kindern wurde von den verantwortlichen Medienanstalten mit Füßen getreten”, erzählt der Ballermann-Star, der selbst Familienvater ist, bei Instagram.
Was ist passiert?
Für das TV-Format „Plötzlich arm, plötzlich reich” sollte der Künstler sein Zuhause mit einer „armen” Familie tauschen. Doch schon beim Eintreffen in der Wohnung sei er zutiefst betroffen gewesen. Er möchte keine genaueren Details nennen, um die Identität der dort lebenden Mutter und ihrer drei Kinder zu schützen. Aber er gibt preis, dass er „beim Anblick dieser Zustände” vor laufender Kamera geweint habe.
Danach sei der Künstler mit dem Team in die Diskussion gegangen. Die Redakteurin habe ihn zwar beschwichtigt, ihre Antworten seien aber ausweichend gewesen, wie er sich rückblickend erinnert. Als das Kamerateam abgezogen ist, findet Mathias Distel einen Kalender der Familie. Dem entnimmt er, dass sowohl die Mutter der Familie, als auch die beiden jüngsten Kinder im Alter von acht und zehn Jahren in psychologischer Behandlung sind.
Distel erfährt, dass die Kinder in der Vergangenheit schwerste Misshandlungen erlitten haben
Matthias Distel stellt klar: „Sofort kam die Frage bei uns auf, ob man Kinder im Alter von acht und zehn Jahren, die offensichtlich psychische Probleme haben, rechtlich und moralisch gesehen in ein Fernsehformat ziehen kann, bei dem acht Tage am Stück bis zu zehn Stunden gearbeitet werden sollte.” Der Künstler sprach am nächsten Tag auch mit dem Produktionsteam über seine Bedenken. Dieses vertröstete ihn jedoch auf ein Gespräch mit einer Freundin der Mutter, welches ihm seine Sorgen nehmen sollte. Doch das Gegenteil traf ein.
Die Freundin der Familie offenbart ihm, dass die Kinder in der Vergangenheit schwerste Misshandlungen durch ihren eigenen Vater und durch Dritte erlitten hatten. Dabei ist die Rede von einer schwerwiegenden Rückenverletzung aufgrund von Schlägen und Tritten sowie einer „Verletzung des Analbereichs”, die zu einer dauerhaften Stuhlinkontinenz geführt habe.
Chefetage der Produktionsfirma entschied, den Dreh weiterlaufen zu lassen
Daraufhin stellt der Künstler das Team vor Ort erneut zur Rede. Durch Telefonat mit dem Aufnahmeleiter erfährt er dann, welche Zustände mittlerweile bei ihm zu Hause herrschen. So hätte eines der Kinder selbstverletzendes Verhalten gezeigt und seinen Kopf gegen eine Wand geschlagen.
Bei einem weiteren Vorfall habe eines der Kinder auf seinem Balkon gestanden und geschrien, dass es sich umbringen will. Während er das erzählt, versagt Matthias Distel die Stimme, er muss sichtlich gegen seine Tränen kämpfen. All diese Vorfälle seien auch der Chefetage der Produktionsfirma übermittelt worden. Dennoch habe diese entschieden, den Dreh weiterlaufen zu lassen.
Künstler fordert öffentliche Diskussion zu den „Grenzen des TV-Voyeurismus”
„Es geht um schwer traumatisierte Kinder, die in meinen Augen aufgrund von möglichst hohen Quoten und einer menschenverachtenden Herangehensweise die Sensationsgier der breiten Masse befriedigen sollten”, stellt Distel in seiner Videobotschaft klar. Er habe den Dreh daraufhin abgebrochen. Nun appelliert er an die Öffentlichkeit „die Themen ‚Kindeswohl‘ und die ‚Grenzen des TV-Voyeurismus‘ lautstark und konsequent zu diskutieren!”
Außerdem schreibt er zu seinem Video: „Des Weiteren fordere ich eine lückenlose Aufarbeitung von Sender- und Behördenseite und fordere Konsequenzen für die Verantwortlichen!”
Sender Sat.1 hat sich inzwischen zu den Vorwürfen geäußert
Inzwischen hat sich ein Sat.1-Sprecher gegenüber der BILD zu den Vorwürfen geäußert: „Wir bedanken uns bei Matthias Distel, dass er uns über die Umstände beim Dreh informiert hat. Unmittelbar nachdem wir seine Mail erhalten haben, haben wir begonnen, mit der Produktionsfirma und der Familienhilfe zu reden, um der Familie zu helfen und um die Zusammenhänge aufzuarbeiten.”
Außerdem versichert der Sprecher, dass von dem Dreh nichts veröffentlicht werde. Ein schwacher Trost in Anbetracht der Tatsache, wie viel Stress die Kinder für die Dreharbeiten bereits erlitten haben.
Immer wieder stehen Trash-TV-Formate in der Kritik
In jüngster Vergangenheit standen immer wieder einschlägige Trashformate in der Kritik, da menschenunwürdige Zustände für hohe Quoten in Kauf genommen wurden. Im vergangenen Jahr betraf das zum Beispiel „Das Sommerhaus der Stars”, weil eine der Kandidatinnen vor laufenden Kameras gemobbt wurde. Auch das Format „Schwiegertochter gesucht” musste sich bereits dafür rechtfertigen, wie mit Kandidaten umgegangen wird.
Hoffen wir, dass dieser erneute, schockierende Blick hinter die Kulissen endlich ein Umdenken bei den Produktionsfirmen bewirkt. Doch auch wir als Endverbraucher solcher menschenverachtenden TV-Formate können etwas dagegen tun, dass anderen Menschen vor laufender Kamera Leid zugefügt wird: Abschalten. Denn so bitter wie das auch klingt: Spätestens, wenn solche Formate keine Quote mehr bringen, denken die Sender um.
[…] Die Videobotschaft, die der Sänger am Dienstag über seinen Instagram-Account veröffentlicht, ging schon nach kurzer Zeit viral und erregte großes öffentliches Aufsehen. „Das Kindeswohl von zwei schwer traumatisierten Kindern wurde von den verantwortlichen Medienanstalten mit Füßen getreten”, eröffnet der Ballermann-Star sein Statement. Was er dann erzählt, macht sprachlos. […]