Sarah P. ist Mutter einer zweijährigen Tochter und schwanger mit ihrem zweiten Kind. Hier erzählt die Mama aus Weil am Rhein, wie sie zum Langzeitstillen kam und wie es weitergehen soll, wenn das neue Baby da ist.
„Ich wollte schon immer stillen. Ich habe mich während meiner Schwangerschaft nicht viel damit beschäftigt und darauf vertraut, dass es schon klappen wird. Schließlich haben es vor mir schon Milliarden Frauen „geschafft“.
Ich habe deshalb auch keine Fläschchen gekauft. Nur ein paar Schnuller, denn ich dachte, die bräuchte man einfach.
Als wir uns für die Entbindung ein Krankenhaus ausgesucht hatten, war ich froh darüber, dass dieses Haus sich der „Initiative Babyfreundlich“ angeschlossen hatte und dementsprechend zertifiziert war. Unter anderem beinhaltet diese, dass die Klinik stillfreundlich ist, also das Stillen fördert.
Leider musste ich dann feststellen, dass dem nicht so war.
Die Zeit im Krankenhaus
Meine Tochter wurde um 8.22 Uhr geboren. Wir waren bis etwa 11.30 Uhr im Kreißsaal. Meine Geburt dauerte 32 Stunden, und ich war einfach nur froh, dass ich mein Baby im Arm halten konnte.
Deshalb habe ich selbst nicht daran gedacht, sie anzulegen. Es wäre ja eigentlich auch die Aufgabe der Hebamme gewesen, es mir zu zeigen – zumal das Krankenhaus ja so stillfreundlich sein sollte.
Auf dem Zimmer angekommen dachte ich mir, mein Kind müsste doch inzwischen Hunger haben. Also legte ich sie allein an. Wie das Stillen theoretisch aussehen sollte, wusste ich, denn während meiner Ausbildung hatte ich ein Praktikum auf derselben Mutter-Kind–Station gemacht.
Ich legte also meine Tochter an und sie saugte recht gut. Doch schon am Abend merkte ich, wie meine Brustwarzen wund wurden. Jedes Anlegen danach war sehr schmerzhaft.
Ich klingelte nach der Schwester, um mir das richtige Anlegen noch einmal zeigen zu lassen. Die Schwestern meinten, es wäre schon alles richtig, doch meine Schmerzen wurden immer schlimmer.
Ich bekam eine Lanolin-Salbe und Schmerzmittel und legte mein Baby nach Bedarf an. Ich achtete nicht auf die Zeiten, wie es mir die Schwestern empfohlen hatten, denn es war Hochsommer und draußen waren 35°C. Wenn meine Tochter Durst hatte, sollte sie trinken können.
Nach drei Nächten war es so schlimm, dass ich weinen musste, sobald mein Baby trank. Meine meine Brustwarzen waren mittlerweile blutig.
Die Nachtschwester, nach der ich klingelte, hatte nicht viel Zeit. Sie drückte das Gesicht meiner Tochter nach meinem Empfinden sehr grob an meinen Busen und erklärte, nur so bekäme mein Baby genug Brustwarze inklusive Vorhof in den Mund. Damit meine Brustwarzen nicht am Stoff rieben und etwas Zeit zum Abheilen hatten, bastelte sie mir dann für die Nacht ein sogenannten Donut – ein zum Kreis gewickeltes Stück Stoff.
Meine ersten Tage und Wochen zu Hause
Nach vier Tagen wurden wir nach Hause entlassen. In der 5. Nacht hatte ich schließlich einen heftigen Milcheinschuss. Am Morgen fühlte ich mich, als wäre ich mit „Medizinbällen“ aufgewacht. Ich rief meine Hebamme an und sie kam zum Glück, obwohl es Sonntag war.
Sie brachte mir eine Milchpumpe mit, um den größten Druck abzupumpen, denn mein Kind konnte so viel Milch nicht antrinken.
Sie ließ mir noch kühl- und erwärmbare Silikonkissen da und empfahl mir, Lanolin sowie Muttermilch auf den Brustwarzen trocknen zu lassen, damit sie heilen können.
Ich war zwar fix und fertig, aber mit diesen Tipps meiner Hebamme hielt ich durch und merkte, wie sehr mein Kind an meiner Brust gedieh. So nahm ich mir vor, sechs Monate zu stillen.
Nach etwa einer Woche erholten sich meine Brüste komplett. Die Brustwarzen heilten, und mein Baby hatte genug nasse Windeln und nahm gut an Gewicht zu.
Ich war zufrieden und wusste, jetzt geht es bergauf.
Meine Erfahrung mit Clusterfeeding
Mit etwa neun Wochen fing eine Phase an, die ich zunächst nicht deuten konnte. Mein Kind wollte ab dem frühen Abend bis in die Nacht hinein an meine Brust! Dauerhaft!
Ich wusste nicht, was los war. Wenn ich merkte, dass sie nicht mehr trank sondern nur noch nuckelte, versuchte ich, sie abdocken. Doch meine Tochter fing jedes Mal an zu weinen.
Also ließ ich sie wieder an die Brust. Ich hatte ja eh nichts „Besseres“ vor. Ich war im Wochenbett, also ließ ich mein Kind nuckeln.
Um Rat zu finden, meldete ich mich bei einer Stillgruppe in einem sozialen Netzwerk an. Dort fragte ich nach, was denn diese Phase zu bedeuten habe.
Die Antwort: Clusterfeeding. Ich recherchierte im Netz und fand heraus, dass mein Kind mit dem Dauernuckeln sozusagen ihren Bedarf für die nächste Zeit „bestellt“. Nun gut, dachte ich, dann machen wir das mal weiter so.
Also stillten wir fleißig weiter, wo und wann mein Kind Hunger hatte. Anfangs noch eher versteckt, von Zeit zu Zeit sogar auf der Toilette, da ich zu dem Zeitpunkt noch nicht so offen zum Stillen stehen konnte.
Einmal Beikost und zurück
Mit etwa sechs Monaten zeigte mein Kind Interesse am Essen. Ich versuchte es mit Brei, dachte mir aber gleichzeitig:
„Mmmh, überall liest man, Milch sollte im ersten Lebensjahr die Hauptnahrung sein. So lange gestillt und dann plötzlich doch Pulvermilch nehmen, Brei füttern und abstillen – nein, dann kann ich auch weiter stillen.“
Das ergab sich dann ohnehin wie von selbst, denn mein Kind reagierte auf die Beikost wider Erwarten mit Verstopfung. Offenbar war sie also noch nicht bereit für feste Nahrung. Also kehrten wir wieder zum Vollstillen zurück.
Nach ein paar Wochen versuchten wir es noch einmal mit der Beikost direkt am Familientisch. Trotzdem stillte ich zu jeder Mahlzeit, denn meine Tochter aß nur wenig.
Von der Stillmama zur Langzeit-Stillmama
Mein Kind wurde älter. Mittlerweile forderte sie von sich aus ihr „Gei“, wie sie die Milch beziehungsweise die Brust immer nannte.
Plötzlich waren 18 Monate um. Zu diesem Zeitpunkt gab es immer mehr kritische Stimmen zu meinem Langzeitstillen, sogar aus der eigenen Familie. Freunde und Bekannte sagten, sie könnten dieses Langzeitstillen nicht nachvollziehen, betitelten das Stillen eines eineinhalbjährigen Kindes als „eklig“, „unangemessen“ oder „abnormal“.
Doch ich blieb standhaft und dachte gar nicht daran, mich deswegen zu verkriechen oder gar abzustillen. Gleichzeitig zwang ich das Thema Langzeitstillen aber niemandem offensiv auf. Wer fragte, bekam eine ehrliche Antwort.
In den sozialen Netzwerken suchte ich während dieser Zeit mehr und mehr den Kontakt zu anderen Langzeit-Stillmamas. Dort fand ich viele Gleichgesinnte.
Ich erfuhr viel über die verschiedensten Probleme beim Langzeitstillen. Ich las sehr viel mit und konnte schließlich auch selbst Tipps geben.
In meinem näheren Umfeld kamen nun immer wieder Freunde und Bekannte auf mich zu, die kurz vorher entbunden hatten und mich um Rat zum Thema Stillen und Langzeitstillen fragten. Das erfüllte mich mit Stolz.
Ein zweites Baby ist unterwegs – und ich stille weiter.
Als mein Kind 20 Monate alt war, machten mein Mann und ich uns an die Babyplanung für ein zweites Kind. Das klappte dann auch bereits nach zwei Zyklen, also informierte ich mich zum Stillen während der Schwangerschaft.
Da ich nicht zu der Gruppe der Risikoschwangeren zählte, stillte ich ohne Bedenken weiter. Durch die Hormonumstellung fingen meine Brüste zwar wieder an, leicht zu schmerzen, aber ich hielt durch. Nur wenn es zu schmerzhaft wurde, bot ich meinem Kind eine Alternative an, um ein bisschen Ruhe zu haben.
Ab etwa der 12. Schwangerschaftswoche versiegte meine Milch leider. Da mein Kind aber immer so viel Nähe, Trost, Schutz und Geborgenheit im Stillen fand, stille ich seither trocken weiter.
Auch hier muss ich leider viel Kritik einstecken. Viele können nicht nachvollziehen, warum ich das tue. Aber das müssen sie auch nicht.
Nur mein Kind und ich müssen es und wir beide wissen, warum: Weil das Stillen alles gibt! Nicht nur Nahrung, sondern auch Nähe, Geborgenheit, Ruhe und Trost.
Ich bin mittlerweile in der 30. Schwangerschaftswoche – und ich stille immer noch! Mal mehr, mal weniger. Mein Wunsch ist ganz klar das Tandemstillen – also beide Kinder zu stillen. Mal schauen ob es dazu kommen wird.“