Lenas Sohn war gerade 20 Monate alt, als Lena das erste Mal auf die Idee kam, einen Logopäden anzurufen. Sie war sich sicher, dass ihr Kleiner zu wenig sprach. Konstantin war fröhlich und ausgeglichen und sagte „Mama“ und „Papa“ und „Nein“. Leider sprachen die gleichaltrigen Kinder in Lenas Freundeskreis alle viel mehr. Das war zumindest Lenas Eindruck.
Sie googelte und stieß auf den Begriff „Late Talker“, späte Sprecher. Logopäden und Kinderärzte beschrieben damit Kinder, die zum zweiten Geburtstag noch sehr wenig oder gar nicht sprachen. Konkret sollten es mindestens 50 Wörter sein oder immerhin zwei-Wort-Sätze wie „Mama weg“ oder „Papa Ball“. Bekämen kleine Late Talker keine frühzeitige Therapie, könnte es später zu Problemen in der Schule kommen.
Das waren alles Informationen, die Lenas Sorgen noch befeuerten. Zu allem Übel musste sich auch die Schwiegermutter einmischen und verglich den Kleinen mit seinem großen Cousin, der angeblich schon mit eineinhalb Jahren sehr verständlich sprach. Lena ging es nicht gut. Konstantin war ihr erstes Kind und auch, wenn alle ihre Freundinnen beteuerten, dass man die Kinder doch gar nicht vergleichen kann, wuchsen ihre Sorgen.
Die nächste Vorsorge-Untersuchung, die U7, stand erst in vier Monaten an. So lange wollte sie nicht mehr warten und machte für Konstantin einen Termin. Der Kinderarzt sprach mit dem Jungen, zeigte ihm Bilder, forderte ihn auf, einen Ball zu holen und er musste unter mehreren Dingen auf einen Teddy zeigen. „Alles normal“, war dann auch sein Urteil. Konstantins Sprachverständnis war genau so, wie es bei Kindern in seinem Alter sein soll.
Denn, das hatte der Kinderarzt festgestellt: Konstantin benutzte tatsächlich viel mehr Wörter, als Lena gezählt hatte. Sie war von korrekt ausgesprochenen Silben ausgegangen und hatte den „Didi“ für Schnuller und das „Wawa“ für Hund nicht mitgezählt. Außerdem hatte Konstantin bis zur U7 noch Zeit. Zeit, in der Kinder in seinem Alter manchmal ganz plötzlich unglaublich viel lernen. Scheinbar über Nacht.
Und auch bei der Vorsorgeuntersuchung bestätigte sich: Der Junge war kein Late Talker. Und wenn, sagte der Kinderarzt, hat das immer noch nichts zu bedeuten. 10 bis 20 Prozent aller Kinder sprechen bei der U7 nicht ausreichend und bekommen dann ein paar Monate später einen weiteren Termin, bei dem die Sache schon ganz anders aussehen kann. Bis dahin sollten Eltern viel vorlesen, viel singen und mit dem Kind sprechen. Das alles hilft den meisten beim Sprechenlernen. Wenn nicht, wird der Kinderarzt weitere Therapien vorschlagen.
Manchmal liegt das auch nur daran, dass die Kinder schüchtern sind oder gerade einfach nicht mit dem fremden Mann reden wollen. Dann reichen auch die Aussagen der Eltern. Erst, wenn der dritte Geburtstag ansteht, sollte der Rückstand aufgeholt worden sein.