Die orale Phase ist einerseits natürlich sehr wichtig für Kleinkinder, andererseits für Mamas eine echte Nervenprobe, weil die Kleinen dabei nicht zwischen gefährlichen – also verschluckbaren – und kindersicheren Objekten unterscheiden.
Nicht nur großes Spielzeug wird intensiv mit dem Mund untersucht, auch kleine Steine, Murmeln oder Münzen werden von den kleinen Mündern wie magisch angezogen und dabei leicht verschluckt. Weil diese Dinge überall sind, ist es schier unmöglich, das zu verhindern. Lebensmittel sind besonders tückisch: Die Größeren essen sie problemlos und darum eifern Töchterchen und Sohnemann schnell nach, was z. B. bei Nüssen und Trauben sehr gefährlich ist.
Ist so ein Teil schon im – meistens glücklich grinsenden – Kindermund verschwunden, wird es für Eltern schwierig. Nun gibt es zwei Möglichkeiten.
Was tun, wenn mein Kind etwas Kleines im Mund verschwinden lässt?
Erste Möglichkeit: Wieder rausholen. Das kann funktionieren, aber auch gewaltig schief gehen. „Nicht immer geben die Kinder den Gegenstand freiwillig her, daher sollte man mit einer gewissen Vorsicht und Ruhe an die Sache herangehen, um das Kind nicht zu verletzen“, weiß Inken Sözbir, die Kleinkind- und Baby-Erste-Hilfe-Kurse für Eltern anbietet.
Dazu sollte man mit dem Finger in den Mundwinkel fahren und vorsichtig versuchen, hinter den Gegenstand zu gelangen. In der Ruhe liegt die Kraft! Hektische Versuche können böse enden, nämlich dann, wenn so das Etwas mit dem Finger erst recht in die falsche Richtung gedrückt wird. Außerdem besteht die Gefahr, dass das Kind den Kopf in den Nacken legt und der Gegenstand in den Rachen rutscht, darum sollte sich der Erwachsene immer hinknien oder -setzen und niemals von oben in den Mund fahren. Die zweite Hand kann unterstützen und an den beiden Wangen leicht nach innen drücken, damit das Kind den Mund aufmacht. Ist der Versuch erfolgreich, kann man den Gegenstand nach vorne drücken und wieder nach draußen befördern.
Zweite Möglichkeit: Abwarten. Oft passiert tatsächlich zum Glück gar nichts. Viele Kinder (vor allem die, die früh feste Nahrung zu essen bekommen) wissen, wie sie einen Gegenstand wieder aus ihrem Mund hinausbefördern. Panik zu bekommen und dem viel Beachtung zu schenken führt hingegen dazu, dass das Kleinkind diese Situation lustig findet und sie zum Spiel wird.
Und wenn mein Kind den Gegenstand einatmet oder verschluckt?
Dann können wieder zwei Dinge passieren: Der Gegenstand kann eingeatmet werden, also zum Problem von Rachen, Luftröhre oder Bronchien werden. Oder er kann verschluckt werden und dann in der Speiseröhre festhängen.
Das ist nicht sofort und per se ein Notfall, erklärt die gelernte Krankenschwester Inken Sözbir: „Dass ein Teilchen hängen bleibt, ist prinzipiell immer möglich. Doch in den meisten Fallen kann das Kind es von selbst abhusten oder muss sich übergeben oder beides.“
So gut wir auch aufpassen – manchmal gelangt auch etwas in den Mund unseres Kindes, ohne dass wir es bemerken. Wird dieses Etwas verschluckt, erkennen wir das an folgenden Warnzeichen: Das Kind fängt an zu husten, hat eine erschwerte Einatmung und bekommt einen roten Kopf mit tränenden Augen. Dann sind wir Eltern gefragt: „Wir können den vorhandenen Hustenreflex unterstützen, indem wir zwischen die Schulterblätter klopfen und vor allem Ruhe bewahren.“
Wie erkenne ich einen echten Notfall und wie handle ich dann richtig?
Nicht immer jedoch geht es so glimpflich aus. Manchmal wird das Verschlucken zu einem lebensbedrohlichen Notfall. Dieser unterscheidet sich in den Anzeichen: „Bei einem Kind, bei dem der Fremdkörper zum Verschluss der Luftröhre führt, findet man einen panischen Blick mit weit geöffneten Augen und offenem Mund mit Speichelfluss vor. Die Notfallsituation ist nicht zu übersehen. Das Kind hustet hier nicht. Es kann nicht mehr einatmen, um abzuhusten.“
Zu wissen, was in diesem Fall zu tun ist, kann über Leben und Tod eines Kindes entscheiden.
Die Erste-Hilfe-Maßnahme lautet dabei:
Ein kleines Kind wird bäuchlings über die eigenen Beine gelegt. Dann schlägt man fünf Mal mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter.
Säuglinge kann man auch über den Arm legen. Wichtig ist dabei, dass das Gesicht möglichst tiefer liegt als der Brustkorb und bei Babys sollte man den Kopf festhalten, damit er nicht herumgeschleudert wird.
„Durch die Kompression des Brustkorbes kommt es zu einer stoßweisen Ausatmung. So befördern wir als Ersthelfer den Fremdkörper wieder hinaus. Sollte das wider Erwarten nicht ausreichen oder eine Bewusstlosigkeit beim Kind eintreten, müssen wir schnellstens 112 anrufen und die Herz-Lungen-Wiederbelebung starten. Diese führen wir so lange aus, bis der Notarzt eintrifft. Die genauen Techniken können in einem speziellen Erste-Hilfe-Kurs erlernt und geübt werden“, so Inken Sözbir.
Die Wiederbelebung muss dabei der altersentsprechenden Atemfrequenz und dem altersentsprechenden Lungenvolumen angepasst werden. Zunächst wird die Mund-zu-Mund-Beatmung versucht. Zu Beginn macht man fünf Beatmungen in Folge, indem man zuerst seine Wangen voll mit frischer Luft macht, Mund und Nase des Kindes oder Säuglings mit dem eigenen Mund umschließt und die Luft der Wangen vorsichtig hineinpustet. Niemals darf man Kinder aus voller Lunge beatmen, da ihre Lungen sehr viel kleiner sind als die eines Erwachsenen.
Anschließend muss kontrolliert werden, ob das Kind inzwischen wieder atmet. Ist das nicht der Fall, geht es an die Herzmassage. Dazu wird das Kind so weit wie nötig entkleidet. Danach platziert man zwei Fingerkuppen auf die Mitte des Brustkorbs im unteren Drittel des Brustraums und drückt es ein Drittel bis die Hälfte (ca. 4 Zentimeter) nach innen. Nach jedem Druck wird das Brustbein wieder vollkommen nach außen gelassen, ohne die Finger von der Haut zu heben. Das macht man 30 Mal, in der Frequenz 100 – 120 Mal pro Minute.
Danach wird zwei Mal beatmet, bevor wieder 30 Mal die Herzmassage gemacht wird.
Ist niemand vor Ort, der den Krankenwagen rufen kann, unterbricht man diesen Rhythmus nach einer Minute, um selbst die 112 zu wählen.
So wird am Ende hoffentlich alles wieder gut.
Und wenn mein Kind schon größer ist?
Während das Risiko, dass es zu einer Notsituation durch Verschlucken kommt, bei kleinen Kindern am größten ist, sind auch ältere davor nicht gefeit: „Man wird dafür nie zu alt. Größere Kinder toben mit dem Bonbon im Mund auf dem Sofa herum oder springen in der Schule kaugummikauend die Treppen hinunter.“
Dann allerdings unterscheidet sich das Erste-Hilfe-Vorgehen, denn größere Kinder bekommen tatsächlich Todesangst. „In dieser Panik legen sie sich nicht freiwillig bei jemandem auf den Schoß. Hier wendet man den so genannten Heimlich-Griff an und sorgt im Anschluss für eine ärztliche Abklärung.“
Den Heimlich-Griff darf man bei Kindern ab einem Jahr anwenden. Bei kleineren Kindern, die man sich vorher auf die Knie legen kann, hat dieses Vorgehen Vorrang. Erst wenn die fünf Schläge nicht zum Erfolg führen, kommt – parallel zum Notruf – das Heimlich-Manöver zum Einsatz.
Dabei wird der Patient vor den Ersthelfer gestellt und dessen Oberkörper leicht nach vorne gebeugt. Von hinten umfasst der Ersthelfer den Erstickenden und legt eine Faust in seine Magengrube, knapp unterhalb des Brustkorbes. Mit der anderen Hand wird die Faust ruckartig und nach hinten gezogen. Das darf man bis zu fünf Mal hintereinander machen. Führt es nicht zum Erfolg und der Gegenstand hängt noch immer fest, sollte man anschließend fünf Schläge zwischen die Schulterblätter geben. Diese zwei Dinge wiederholt man, bis zum Eintreffen des Notarztes oder bis das Kind bewusstlos ist. Bei Bewusstlosigkeit darf man den Heimlich-Griff nicht anwenden, auch nicht, wenn etwas verschluckt wurde, was die Luftzufuhr nicht völlig abschnürt.
Diese Erste-Hilfe-Maßnahme ist nicht so einfach durchzuführen und kann zu inneren Verletzungen führen. Ein Erste-Hilfe-Kurs zum Erlernen der richtigen Technik ist darum sehr wichtig. Kommt es zum Notfall, sollte man es aber auf jeden Fall versuchen, ungeachtet der Gefahr der inneren Verletzungen.
Und selbst wenn beim allerersten Heimlich-Manöver das Etwas aus dem Kind herauskommt, muss es danach umgehend von einem Arzt untersucht werden.