Vor kurzem lag mal wieder eine Einladung im Briefkasten: Die gemeinsame Geburtstagsparty eines befreundeten, kinderlosen Paares. Freitag, 20 Uhr, in einem angemieteten Club.
So weit, so cool. Immerhin, die beiden hatten uns noch nicht aufgegeben. Waren mein Mann und ich doch in den letzten Jahren – den Eltern-Jahren – zu Höhlenmenschen geworden. Tagsüber draußen, bei der Arbeit, mit den drei Kindern, immer dabei, das Überleben zu sichern. Kaum wurde es dunkel, hockten wir in schummrigen Kinderzimmern oder schliefen mit der ganzen Familiensippe in einem Bett. Zum Feiern reichte die Energie eigentlich nie.
Nun also diese Einladung. Wir hatten durchaus Lust auf die Party. Und noch zwei Wochen Zeit, einen Babysitter zu organisieren. Denn davon hing das ganze Vorhaben ja ab. Ich brauchte zwei Tage, dann war klar: Meine Mutter konnte einspringen.
Ich freute mich. Wirklich. Hatte ich das nicht auch mal wieder verdient? Tanzen, feiern, mit den alten Freunden herumalbern.
Dann war der besagte Freitag da. Und lief komplett anders als erwartet:
7:45 Uhr
Meine große Tochter steht vom Frühstückstisch auf, geht zum Klo und erbricht ihr Müsli.
7:46 Uhr
Ich tröste sie, wasche ihr Gesicht, melde sie im Kindergarten ab. Mein Mann bringt den Kleinen und unsere mittlere Tochter in die Krippe.
8:15 Uhr
Jetzt erst fällt mir wieder ein, dass heute der große Tag ist. Der Tag, an dem mein Mann und ich endlich mal wieder ausgehen wollten. Und es wohl doch nicht tun werden. Die Kombi aus gesundem Kind, magenkranken Kind und schlecht schlafendem Baby kann ich meiner Mutter nicht zumuten. Ich schreibe ihr eine Nachricht, dass sie nicht kommen muss, ich werde allein zu der Party gehen.
10:00 Uhr
Meine Tochter springt auf dem Sofa herum und verlangt nach Süßigkeiten. Alles klar, denke ich. Magen geheilt. Süßigkeiten gibt es trotzdem nicht. Ich freue mich auf Cocktails. Auch wenn ich sie ohne meinen Mann trinken muss.
14:30 Uhr
Ich versage beim Versuch, im Home Office meine Arbeit als Journalistin und mein (nicht-) krankes Kind unter einen Hut zu bekommen. Soll der Chef doch meckern. Ich gehe nämlich heute aus. So!
15:40 Uhr
Jetzt springen alle drei Kinder auf dem Sofa herum. Ich habe die Kinder aus der Krippe abgeholt, sie mit Obst versorgt, jetzt lassen sie ihre Energie an den Polstern aus. Ich nutze die Gelegenheit und schleiche zum Schrank. Erste Anprobe für den großen Abend. Die Ernüchterung: Meine Party-Garderobe ist älter als meine Kinder. Und irgendwie hatte ich die Sachen nicht sooo eng in Erinnerung.
15:43 Uhr
Aus dem Wohnzimmer tönt ein lautes „Maaaamaaaaa!“ Ich hetze vom Schlafzimmer zu den Kindern.
15:44 Uhr
Der Kleine hat sein Obst auf den Teppich erbrochen. Die beiden Großen stehen fasziniert davor und sagen dann: „Er hat einfach dahin gekotzt.“ Okay, denke ich, wird schon nicht so schlimm sein und versuche, die Hinterlassenschaft aufzuwischen. Mein Sohn springt schon wieder aufs Sofa.
17:30 Uhr
Mein Mann ruft an, es wird später, dringendes Kundengespräch. Na toll! Eigentlich wollte ich los, bevor die Kinder müde werden. Vor der Party noch mit einer Freundin etwas essen. Wehmütig denke ich an die Zeiten, in denen ich mit meinen Mädels vor einer Party stundenlang Outfits anprobierte, wir uns schminkten, Frisuren ausprobierten und die erste Flasche Sekt leerten.
Hach… Sekt. Naja, muss warten, bis ich dort bin. Ich vertrage ja auch nicht mehr so viel.
18:30 Uhr
Ich sehe aus wie jeden Abend um diese Zeit: Strähnige Haare, undefinierbare Flecken auf dem ausgeleierten Sweatshirt und Hausschuhe wie Omi. Aber heute ist nicht jeder Abend. Heute ist DER Abend. Während ich das Abendbrot abräume und die Kinder davon abhalte, sich gegenseitig die Brotmesser ins Gesicht zu stechen, fallen mir meine Hände auf. Schaffe ich es noch, mir die Nägel zu lackieren? Ein riskanter Plan, den ich verschiebe, bis mein Mann kommt.
19:15 Uhr
Eigentlich wollte ich jetzt schon in der U-Bahn sitzen. Stattdessen liege ich auf dem Schlafzimmerboden und versuche, den Reißverschluss meines Rocks zu schließen. Aus dem Kinderzimmer tönt Geschrei. Die Kinder sind müde und überdreht, mein Mann hat alle Hände voll zu tun. Ist mir jetzt mal egal.
Ich. Will. Auf. Die. Party!
19:17 Uhr
Mein Sohn kommt ins Schlafzimmer getappst. Quengelnd will er auf den Arm und kuscheln. Ich seufze und nehme ihn hoch. Glücklich streichelt er meinen Arm. Der Rock macht komische Geräusche, als ich mich bücke. Gerissen! Bequem ist auch anders. Ich beschließe, eine Jeans-Blusen-Kombi auszuprobieren. Röcke sind doch eh unpraktisch.
19:21 Uhr
Glücklich stehe ich vor dem Spiegel: Jeans und Bluse sehen toll aus. Die einzige Bluse, die mir noch gefällt und passt. Auf ins Bad, ein schnelles Make-Up und Haar-Styling. Haare! Ich habe vergessen, meine Haare zu waschen! Mist, Mist, Mist! Ok, Ruhe bewahren, Mütter sind Meister in Krisen-Management. Ich trage Wet-Look. Ist doch kein Problem. Her mit dem Haarspray.
19:45 Uhr
Was in Frauenzeitschriften so toll aussieht, macht aus mir eine ziemlich borstige 80er-Jahre-Göre. Ich bin den Tränen nahe – und jetzt schon viel zu spät. Meine Tochter kommt ins Bad und will, dass ich ihr die Zähne putze. Ergeben putzt die Göre ihrem Mädchen die Zähne. Ich hab sie so lieb. Schade, dass ich ihr heute nicht beim Einschlafen zugucken kann. Meine Feier-Laune ist ein ganz klein bisschen gesunken.
20:17 Uhr
Hey, ich kann mich sogar noch partytauglich schminken. Stolz betrachte ich mich im Spiegel. Waghalsig lackiere ich jetzt sogar noch meine Nägel. Jetzt bitte keine Kuschel-Attacken in den nächsten fünf Minuten!
20:19 Uhr
Mein Mann kommt rein, drückt mir den quakigen Sohn in den Arm uns sagt: „Nimm mal kurz, ich muss mal.“ Geistesgegenwärtig nehme ich das Kind und sehe in diesem Augenblick rote Nagellackspuren auf seinem Schlafanzug.
20:25 Uhr
Mittlerweile erscheine ich über eine Stunde zu spät zur Party. Ich bin nervös und eigentlich sollen die Kinder schon lange schlafen. Da sich heute aber alles verzögert hat, wuseln sie immer noch in den Betten rum, aufgekratzt und taub für die Ermahnungen meines Mannes.
20:27 Uhr
Ich bin fertig. Die High Heels drücken. Egal. Aufgeregt und voller Vorfreude beschließe ich, nun noch beiden Kindern schnell gute Nacht zu sagen. Ich nehme meinen kleinen Sohn noch einmal auf den Arm und streichle ihm durch die Haare. Er erbricht sein Abendbrot auf meine Bluse.
21:15 Uhr
Ich ziehe mich um. Eine Stunde später sitze ich mit meinem Mann vor dem Fernseher. Wie jeden Freitag Abend.