„Liebe Schwiegermama,
vor ein paar Jahren durfte ich deinen Sohn heiraten.
Nicht viele Männer sehen sich in Sachen Windeln wechseln, nächtlichem „Weil-die-Kleine-schreit“-Aufstehen und KiTafest-Teilnahmen so berufen wie dein Sohn.
Und das habe ich dir, meiner Schwiegermama, zu verdanken. Dir und deiner liebevollen Erziehung, die in jedem Wesenszug von meinem Mann zu spüren ist. Du hast ihn immer ernst, seine Belange und Sorgen für voll genommen. Hast ihn ausreden lassen, nachgefragt und ihn dann in Ruhe gelassen, wenn es Sinn machte. Eigene Zweifel an seinem Tun sprichst du noch heute nie direkt aus. Vielmehr verpackst du sie in Gedankenanstößen, die ihn ganz subtil in eine andere Richtung lenken können – aber nicht müssen.
Du hast es geschafft, dass er ein Mensch ist, der seine kleine Familie wie ein großer Löwe verteidigt. Vor schubsenden Kindern auf dem Spielplatz, vor viel zu entspannten Ärzten, Schimmel im Badezimmer und vor dem Ruin. Er arbeitet sich nicht die Karriereleiter hoch, weil er das so großartig findet (ok, vielleicht ein bisschen). Nein, er möchte mit uns ein gutes Leben haben. Er möchte auf unserer Autorückbank den teuersten, weil sichersten, Kindersitz haben, den es gibt. Unser Essen mit Bio-Stempel kaufen. Dabei braucht er selbst für sich nicht ständig neue Klamotten oder unsinnige Technik-Gadgets. Ganz geschweige von ständigen Wochenendausflügen mit den Jungs. Es gibt genug Typen in unserem Bekanntenkreis, die solche Dinge trotz Newborn-Baby tun. Oder die nicht mal im gemeinsamen Urlaub morgens mit dem Nachwuchs aufstehen, weil sie ihren Schlaf brauchen. Die nicht bereit sind, mehr Miete zu zahlen, wenn die Partnerin gerade mit ihrem Elterngeld rumknapst. Was ist bei diesen Schwiegermüttern nur schief gelaufen?
Liebe Schwiegermama, dein Sohn ist etwas Besonderes. Wie aufgeregt er war, als ich ihm am Telefon vom positiven Schwangerschaftstest erzählte. Er nahm sich extra ein Taxi aus dem Büro, um ein paar Minuten vor unserem angekündigten Besuch zu Hause zu sein. Wie er sich aufgerieben hat, als ich die letzten Wochen vor der Geburt im Krankenhaus verbringen musste. So wenig wog er wahrscheinlich das letzte Mal mit 14. Wie behutsam er die Kleine als Erster im Arm hielt, nachdem sie per Kaiserschnitt auf die Welt kam. Dass Augen so strahlen können ist dein Verdienst, liebe Schwiegermama.
Auf alten Fotos und den gelegentlichen Dia-Abenden sehe ich in jedem Bild, wie viel Aufmerksamkeit du deinem Sohn geschenkt hast. Ihm gezeigt hast, dass die kleinen Dinge echt groß sind. Ein Schmetterling auf der Hand zu halten zum Beispiel. Und wie viel Phantasie im Spiel war! Am liebsten würde er wahrscheinlich noch heute sein Mittagessen zur Burg mit Wassergraben umgestalten. Solche Ideen gibt er jetzt unserer Tochter weiter. Die jedes Mal ganz laut „PAPA“ schreit, wenn sie seinen Schlüssel in der Tür hört und Alles stehen und liegen lässt, um zu ihm zu rennen. Die vor Freude quietscht, wenn dein Sohn mit ihr über den Flur rennt, sie huckepack durch die Gegend wirbelt oder auskitzelt, bis sie vor Lachen kaum noch Luft bekommt.
Gut, eine Sache hat deine Erziehung nicht geschafft: Die Babytrage vor dem Bauch ist für deinen Sohn ein absolutes No-Go. Viel zu unmännlich. Liegt wahrscheinlich daran, dass es die in seiner Kindheit noch nicht gab. Sonst hättest du auch für diesen Fall die richtigen Weichen gestellt, da bin ich sicher.