Eine Depression macht den Betroffenen ihr Leben schwer. Wie schafft man es, trotz der Erkrankung das oftmals anstrengende Leben mit einem Kind zu meistern?
Unsere echte Mama Sophie aus Erfurt ist seit ihrer Pubertät depressiv. Inzwischen ist sie 30 Jahre alt und hat einen Sohn. Sie hat uns ihre Geschichte erzählt:
„Begonnen hat für mich die Depression tatsächlich schon in der Pubertät. Ich war sozial isoliert und hatte nicht die nötigen Kompetenzen, mich mit anderen anzufreunden. Ich wusste einfach nicht, wie ich es anstellen soll…
2010 ging es mir immer schlechter. Ich hatte zwar einen Partner, habe mich aber trotzdem komplett von der Welt zurückgezogen. Ich hatte für nichts den Antrieb, habe in jeder Minute, in der ich alleine war, geweint und habe irgendwann ganz ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, meinem Leben ein Ende zu setzen. Meiner Umwelt zeigte ich aber eine Maske – niemand sollte erkennen, wie es in mir wirklich aussieht.
Und dieser Gedanke an Selbstmord war es, der mir Angst vor mir selbst machte. Kann ein Leben wirklich so schlimm sein, dass man es beendet? Ich ging zum Arzt und zum Psychologen. Fünf Jahre lang bestimmten unzählige Sitzungen und sehr starke Medikamente mein Leben.
Dann realisierte ich, dass ich in diesen fünf Jahren 50 Kilogramm durch diese Medikamente zugenommen hatte! In Absprache mit Arzt und Psychologe wurden die Medikamente langsam abgesetzt.
Anfang 2016 war ich frei von Medikamenten, zum Psychologen ging ich weiterhin. Von da an bestimmten Höhen und Tiefen mein Leben, mal ging es mir fast gut, mal wieder nicht.
Im Dezember 2016 wurde ich schwanger. Durch die hormonelle Umstellung kam die Depression heftig zurück. Jede Woche lag ich nun wieder auf der Couch bei meinem Psychologen.
Dies blieb bis zum 6. Monat, dann wurde es mit einem Schlag besser.
Aus allen meinen Ängsten wurde Freude! Ich konnte mich endlich über die Bewegungen in meinem Bauch freuen und ich liebte meinen kleinen Bauchzwerg abgöttisch.
Am 14. September 2017 wurde die Geburt mittels Tabletten eingeleitet und am 17. September kam mein Sohn auf die Welt.
Er musste per Notkaiserschnitt auf die Welt geholt werden, da er sich im Geburtskanal verkeilt hatte und seine Werte immer schlechter wurden. Dieses Ereignis riss mich wieder in ein Loch.
Man hatte mir mein Kind entrissen. Er durfte nicht mit an meinem Bett sein, lag mit Kabeln verbunden auf der Neonatologie, der Frühchenstation und ich durfte ihn nur zum Füttern aus dem Bett holen. Sieben Tage vergingen so. Es fand kein Bonding statt.
Als wir nach Hause kamen, weinte ich, wenn er in seinem Bettchen lag und schlief. Die erste Woche war der Papa noch bei uns zu Hause. Dann musste er wieder arbeiten und kam nur am Wochenende heim zu uns.
Dann bekam mein Sohn starke Koliken. Ich war am Ende. Ich konnte meinem Kind nicht gerecht werden, ich konnte meinen Sohn nicht stillen, alles setzte mich unter Druck. Ich habe mich nicht nach draußen getraut. Hatte Angst, dass er wieder weint und alle anderen sehen, dass ich als Mutter versage.
Zum ersten Mal dachte ich daran, mein Kind abzugeben. Woanders hätte er es bestimmt besser als bei mir.
Ich schaffte es nicht mal mehr, meinen Haushalt zu machen. Die Wohnung vermüllte. Ich ernährte mich von Joghurt und Weintrauben, wenn ich denn überhaupt mal etwas herunter bekam. Ich nahm in den ersten vier Wochen mit Baby 25kg ab.
Doch dann kam dieser eine Moment.
Mein Sohn lächelte mich an. Mich! Die, die zwar seine Bedürfnisse befriedigte – ihm aber doch die Bauchschmerzen nicht nehmen konnte. Mir ging das Herz auf!
Von da an wurde es jeden Tag besser. Er hatte zwar noch immer Koliken, weinte, wenn er wach war, fast die ganze Zeit… Aber er war mein Kind. Mein ganzer Stolz.
Ohne meine Hebamme und eine sehr gute Freundin hätte ich es nicht überstanden, sie standen mir immer zur Seite und haben mir so unendlich viel geholfen!
Nun wird er in ein paar Tagen sechs Monate alt.
Mein Haushalt ist nicht immer wie geleckt, was liegen bleibt, mache ich am Wochenende, wenn der Papa da ist. Wir gehen täglich raus und ich zeige ihm die Welt. Wir albern herum und haben Spaß.
Es gibt gute Tage, an denen sind wir glücklich, es gibt noch immer Tage, an denen absolviere ich ein Training, das ich mir mit meinem Psychologen hart erarbeitet habe.
Manchmal muss ich schlucken, um nicht mit ihm zu schimpfen, doch er kann nichts dafür. Ein Baby schimpft und weint, wenn es Bedürfnisse hat.
Manchmal weine ich mich in den Schlaf.
Das muss sein. Manchmal muss es einfach raus.
Morgen ist ein neuer Tag.
Morgen geht das Leben weiter.
Morgen mache ich die Wäsche und wenn nicht, überleben wir es auch.
Doch alles was zählt:
Morgen liebe ich meinen Sohn genau so wie gestern, heute und wie übermorgen.
Manchmal ist es schwer zu zeigen. Doch ich liebe ihn über alles!
Es ist schwer. Manchmal wünsche ich mir die Tabletten zurück, doch die sorgen zwar dafür, dass man funktioniert – aber leider fühlt man damit nichts mehr. Das möchte ich nicht.
Die schlechten Tage kommen und gehen, doch sie werden langsam weniger.
Ein mal im Monat gehe ich noch zum Psychologen. Ob es was bringt, weiß ich nicht, doch es fühlt sich gut an.
Während ich dies schreibe, ist mein Sohn neben mir eingeschlafen. Ich sehe seine kleinen Hände, dieses süße Näschen und es macht mich glücklich.
Er zeigt mir das Glück.“