Wer mehrere Kinder hat, weiß: Ohne Reibungen geht die Ankunft eines kleinen Bruders oder einer Schwester nur selten vonstatten. Nicht einmal dann, wenn das Geschwisterchen ganz oben auf dem letzten Wunschzettel stand.
Meistens wird nämlich nicht der ersehnte Spielkamerad geliefert, sondern ein schreiendes Bündel, das ganz viel Aufmerksamkeit von Mama und Papa will. Kein Wunder, dass dann auch Große oft wieder anhänglicher, launischer oder „kleiner“ werden. Nun steht fest:
Der Stress lässt sich sogar körperlich messen
Für ihre Studie beobachteten Verena Behringer vom Göttinger Leibniz-Instituts für Primatenforschung und ihr Team wild lebende Bonobo-Äffchen im kongolesischen Regenwald. Schon klar, unsere Kinder sind keine Affen, doch diese friedlichen Zwergschimpansen sind uns nun einmal ganz schön ähnlich, was Kommunikationsverhalten und — ja, sorry – auch die Intelligenz angeht.
Die Forschenden beobachteten das Verhalten älterer Geschwister vor und nach der Geburt eines Jungtiers. Außerdem untersuchten sie deren Urin nach bestimmten Markern, um den Stress auch an messbaren Werten festmachen zu können.
Ergebnis: Nach der Geburt des Geschwisterchens stieg bei den Älteren der Gehalt des Stresshormons Kortisol im Urin um das Fünffache (!) an. Egal, ob die „Großen“ zwei oder acht Jahre alt sind. „Eine ungewöhnlich starke physiologische Reaktion“, sagt auch Behringer. Der Effekt hält bis zu sieben Monate an. Auch die Abwehr wird geschwächt, da weniger Neopterin, Botenstoff des Immunsystems, produziert wird.
Gar nicht so leicht, plötzlich groß zu sein
„Du bist doch jetzt die Große“ oder „Sei froh, dass du jemanden zum Spielen hast“ – solche Sprüche helfen nicht weiter. Euer Kind stellt sich nicht an, es ist wirklich gestresst.
Zugleich gibt es keinen Grund, Kindern diesen Stress unbedingt ersparen zu wollen. Womöglich führt er sogar zu höherer Stressresistenz im späteren Leben. „Jüngere Geschwister sind schließlich nicht nur Konkurrenten, sondern wichtige Sozialpartner, die uns in unserer Entwicklung positiv beeinflussen“, so Behringer.
So könnt ihr euer „großes“ Kind unterstützen
Trotzdem könnt ihr einiges tun, um eurem älteren Kind die neue Situation zu erleichtern – zum Beispiel mit diesen 21 Tipps. Am besten bezieht ihr es schon während der Schwangerschaft mit ein, dann kommt das Baby am Ende nicht wie „Kai aus der Kiste“ gesprungen. Und auch wenn man es im Babytrubel leicht vergisst oder im Stress nicht immer leisten kann: Auch die Großen brauchen von Zeit zu Zeit ungeteilte Aufmerksamkeit.
Das geht am besten, wenn Eltern sich die Arbeit teilen. Dann kann Mama das Baby wickeln oder füttern und Papa den Großen vorlesen oder mit ihnen spielen – und gerne auch mal umgekehrt.
Auch wichtig, gerade wenn die Kinder größer werden: niemals Leistungen vergleichen, sondern lieber die individuellen Stärken loben – und das bitte ausgewogen. Klar können wir von den Älteren etwas mehr erwarten. Aber es kann hart für sie sein, zu erleben, dass die Kleinen für jeden Mini-Pups abgefeiert werden, während sie selbst nur noch zu hören bekommen, dass sie doch eigentlich schon längst XY können sollten (Rücksicht nehmen, aufräumen, im Haushalt helfen…).