Haben wir nicht alle schon mal an uns gezweifelt? Bin ich eine gute Mutter? Mache ich auch alles richtig? Und unsere Kinder! Entwickeln sie sich schnell genug? Altersgerecht? Marlon aus der Babygruppe krabbelt schon. Warum kann meiner noch nicht mal robben?
Wir haben immer mehr Angst, etwas falsch zu machen und damit unserem Kind zu schaden. Nikola Leutgeb ist Therapeutin und hat täglich mit diesen Ängsten zu tun. Berechtigten, aber auch vielen völlig aus der Luft gegriffenen. Nach einer Sitzung mit einem aufgeweckten Fünfjährigen, der aber beim Eckenrechnen im Kindergarten (!) nicht mithalten konnte, machte sie ihrem Ärger in einem Facebook-Post Luft:
https://www.facebook.com/hypnoseundmehr/photos/im-moment-kommen-viele-kinder-in-meiner-praxis-die-vermeintlich-nicht-der-norm-e/1645793718858069/
„Im Moment kommen viele Kinder in meiner Praxis, die vermeintlich nicht der Norm entsprechen.
Das Kind ist 1 Jahr alt und kann noch nicht laufen?
Das Kind ist 5 und kann noch keine Schnürsenkel binden?
Das Kind ist 9 und kann das 1×1 nicht flüssig…… usw.
Wenn ich jetzt zwei 30jährige vergleichen würde, könnten die genau identisch das Gleiche?
Ab irgendeinem Alter wird es hingenommen, dass nicht alle Menschen in allen Bereichen gleich gut sein.
Der Vierjährige aber, der noch keinen ,richtigen´ Menschen zeichnen kann, der muss gefördert werden, der braucht Therapiestunden.
Wirklich?
Dieser Vierjährige kann super sprechen und seine Gedanken teilen. Er kann richtig leckeren Kuchen backen, hat aber das Gefühl er kann gar nichts, weil er ja immer nur falsch malt und nicht weiß wie die Zahl 4 aussieht.
Da sitzt dieser kleine Junge also vor mir und sagt er ist dumm und er kann gar nichts und am liebsten würde er mit einer Rakete ins Weltall fliegen und niemals wieder kommen…
Innerlich bricht es mir das Herz und ich frage mich, ob manche Erwachsene (Lehrer, Erzieher, Onkel, Tanten, Grosseltern…) merken, was sie mit diesen kleinen Kinderseelen machen. Welche Samen dort gepflanzt werden?“
Doch woran liegt diese Optimierungswut?
„Wir haben einfach verlernt, auf unser Gefühl zu hören und uns selbst zu vertrauen“, sagt Nikola. „Das fängt ja schon in der Schwangerschaft an. So viele Untersuchungen und Checks. Ich habe neulich eine Schwangere gefragt, wie es ihr gehe und sie sagte ,Das weiß ich nicht, ich habe erst nächste Woche wieder einen Ultraschall.` Das sagt doch schon alles.“
Kinder brauchen vor allem Wärme und Liebe, sagt die Therapeutin. Und Kinder brauchen eine Mutter, der es gut geht: „An einem Apfelbaum wachsen auch nur dann gute Äpfel, wenn der Baum gesund ist!“ Doch bei sich selbst zu bleiben werde immer schwieriger. Ein beliebtes Beispiel ist das Familienbett. Absolut nichts spricht dagegen, solange sich alle in dem großen Bett wohlfühlen. Wecken sich Eltern und Kinder mit jeder Bewegung gegenseitig auf und alle schlafen ruhiger wenn sie ihre eigenen Zimmer haben – wunderbar! Was am Ende doch wichtig ist, ist, dass alle eine gute Nacht haben.
Vielleicht auch eine Entwicklung, die mit dem Internet zusammenhängt? In Foren bekommen wir zu jeder Frage tausende Meinungen und natürlich gibt es auch immer Mütter, die meinen, dass wir es genau falsch machen. „Es gab früher aber auch schon immer die Nachbarin oder die Schwiegermutter, die es besser wusste“, sagt Nikola Leutgeb. „Im Internet kommt vielleicht noch dazu, dass man anonymer ist, und Menschen, die selbst unsicher sind und das gern durch starke Meinungen überspielen. Das größte Problem ist aber, dass Mütter sich nicht mehr selbst vertrauen. Habe ich kein Vertrauen zu mir, dann kann ich auch keins in mein Kind haben. Und dann lernt das Kind auch kein Selbstvertrauen aufzubauen. Das ist ein Teufelskreis.“
Auch Ärzte spielen dabei auch eine große Rolle
Wie schnell wird diagnostiziert und nicht auf die Mutter gehört. Das beginnt in der Schwangerschaft und setzt sich immer weiter fort. Zum einen kennen die Mütter ihren Körper und ihre Kinder aber viel besser als der Arzt. Eine zweite Meinung einzuholen, wenn eine Diagnose absolut nicht zu eurem Bauchgefühl passt, ist also absolut keine Schande. Auf der anderen Seite, rät Nikola Leutgeb aber auch dazu, sich nicht auf Diagnosen auszuruhen. „Viele denken, meine Kind hat eine Lese-Rechtschreib-Schwäche. Also muss es das nicht lernen. Alle Schwierigkeiten in der Schule werden darauf zurückgeführt. Wenn das Kind das oft genug gehört hat, wird es zu einer Lebenseinstellung. ‚Ich kann das ja eh nicht, dann muss ich es auch nicht versuchen’. Genau der falsche Weg.“
Was können wir tun, um aus diesem Teufelskreis auszubrechen?
„Wir müssen vor allem den Fokus ändern“, sagt die Therapeutin. „Den Blick aufs Positive richten. Was kann mein Kind alles schon? Wo liegen seine Talente? Das sollte übrigens auch in der Schule viel mehr passieren. Wenn man den Fokus auf das Positive richtet, kommt der Rest von ganz allein.“
Ein Kind, das gern schreibt, malt oder turnt und sich nicht darauf konzentriert, dass es Mathe nicht kann, freut sich auf den Deutsch-, Kunst- oder Sportunterricht und fürchtet nicht die Mathe-Stunde. Und mit diesem positiven Gefühl im Bauch, traut es sich dann auch an die Rechenaufgaben. Wenn der Fokus nicht auf das mögliche Scheitern gelegt wird, scheint das plötzlich gar nicht mehr so schlimm.
Das wichtigste, und das kann man gar nicht oft genug betonen, sei jedoch, eine Mutter, die sich wohl fühle und hinter ihren Entscheidungen stehe, sagt Nikola Leutgeb. Mit ihrem Post hat sie einen Nerv getroffen. Schon über 1.500 Menschen kommentierten und teilten den Beitrag.
Ganz ähnlich übrigens, wie eine spanische Bloggerin, deren Post viral ging. Der Inhalt? „Das Beste für dein Kind bist du.“
https://www.facebook.com/nirosaniazul/posts/794495203992973:0
„Das Beste
Das Beste ist nicht das Stillen.
Das Beste ist auch nicht die Flasche.
Das Beste ist nicht, dein Kind zu tragen.
Das Beste ist auch nicht, dein Kind nicht zu tragen.
Das Beste ist nicht, dein Kind so hinzulegen.
Das Beste ist auch nicht, dein Kind anders hinzulegen.
Das Beste ist nicht, dein Kind so zu wickeln.
Das Beste ist auch nicht, dein Kind anders wickeln.
Das Beste ist nicht, deinem Kind Brei zu geben.
Das Beste ist auch nicht, deinen Kind feste Nahrung zu geben.
Das Beste ist nicht, was deine Mutter sagt.
Das Beste ist auch nicht, was deine Freundin sagt.
Das Beste ist nicht, dass dein Baby ein Kindermädchen hat.
Das Beste ist auch nicht, dass dein Baby in eine Kita geht oder bei Großeltern bleibt.
Das Beste ist nicht, dein Kind so aufzuziehen.
Das Beste ist auch nicht, dein Kind anders aufzuziehen.
Weißt du, was wirklich das Beste ist?
DAS BESTE BIST DU.
Das Beste ist das, was dir ein gutes Gefühl verleiht.
Das Beste ist das, was dir dein Instinkt sagt.
Das Beste ist alles, was hilft, damit du sich gut fühlst.
Das Beste ist das, was dir erlaubt, mit deiner Familie glücklich zu sein.
Denn wenn du dich gut fühlst, bekommen sie das Beste von dir – deshalb bist du das Beste.
Denn wenn du sich sicher fühlst, tun sie es auch.
Denn wenn du das Gefühl hast, dass es dir gut geht, dann wirst du glücklich und beruhigt sein, was sich auf deine Familie übertragen wird.
WEIL DU DAS BESTE BIST.
Versuchen wir, damit aufzuhören, Eltern zu sagen was das Beste ist.
DENN DAS BESTE FÜR DEINE KINDER BIST EINFACH NUR DU.“
Ein schönes Statement, das wahrscheinlich auch Nikola Leutgeb so unterschreiben würde.