Manchmal wünsche ich meinen Kindern meine Kindheit

„Mama, warum kann ich heute nicht einfach zuhause bleiben?“ Das hat mein Sohn mich heute gefragt, denn in der Schule finden Gespräche mit Eltern, Lehrern und Schülern statt, und deshalb hat er heute keinen Unterricht. „Weil ich arbeiten muss, mein Schatz“, habe ich ihm geantwortet, während sich mein schlechtes Gewissen gemeldet hat. Denn natürlich kann ich seine Frage nachvollziehen. Aber ich weiß eben auch, dass mein Arbeitstag sich deutlich stressiger gestaltet, wenn mein 7-Jähriger hier nebenbei herumturnt. Und das kann ich im Moment leider so gar nicht gebrauchen. Gleichzeitig kam mir dabei ein Gedanke, der mich in letzter Zeit schon häufiger beschäftigt hat: Wie gut hatte ich es eigentlich als Kind – ohne dass es mir überhaupt klar war? Manchmal wünschte ich wirklich, meine Kinder könnten ihre Kindheit so erleben wie ich damals meine. 

Früher war mittags Schulschluss – und meine Mama war immer zuhause

Als ich in der Grundschule war, klingelte pünktlich um 12 Uhr die Schulglocke. Nicht zur Pause, sondern zum Schulschluss. Für mich hieß das: Ab nach Hause! Zehn Minuten zu Fuß, am Sportplatz vorbei, dann war ich da. Meine Mama hatte Mittag gekocht, wir haben zusammen gegessen, danach habe ich kurz die Hausaufgaben gemacht und bin ab nach draußen gedüst. Hinter dem Haus war direkt ein Spielplatz, auf dem ich mich fast täglich mit meinen Freundinnen getroffen habe. Meistens ganz ohne Absprache, denn irgendwer war immer da. Und wenn nicht, ging man eben wieder rein und versuchte es etwas später noch einmal. Ansonsten besuchten wir nachmittags oft Oma und Opa, einmal die Woche war ich beim Handballtraining und einmal beim Turnen.

Dass die Schule nur bis mittags ging, war für mich völlig normal. Dass meine Mama immer zu Hause war, auch. Und auch mein Papa hat morgens relativ früh angefangen und war dementsprechend meistens auch am späten Nachmittag wieder da. Wir hatten also fast jeden Tag zumindest noch einige Stunden Familienzeit. Damals habe ich da gar nicht drüber nachgedacht. Na klar, bei einigen meiner Freundinnen haben die Mamas auch gearbeitet, aber meistens nur bis mittags, damit sie auch zuhause waren, wenn die Kinder aus der Schule kamen.

Kindergeburtstage haben wir übrigens grundsätzlich direkt am Tag des Geburtstags selbst gefeiert, nachmittags, direkt nach der Schule. Ohne wochenlange Planung und Absprachen, wann es denn wem überhaupt passt.

In den Sommerferien sind wir 3 Wochen weg gefahren – und 3 Wochen war ich zuhause.

Sechs Wochen Ferien – das war für mich die tollste Zeit des Jahres! Denn meine Eltern und ich sind eigentlich immer drei Wochen in den Urlaub gefahren. Die restlichen drei Wochen war ich zuhause und habe den Sommer genossen. Ferienbetreuung? Gab es nicht. Wozu auch? Mama war ja da. Und viele meiner Freunde auch. Daran muss ich oft denken, wenn wir uns mit der Frage quälen, wie wir eigentlich alle Ferien, Brückentage usw. mit unseren Urlauben abdecken sollen. Ganze 66 Tage schulfrei haben meine Kinder in diesem Jahr. Wie soll das bitte gehen, wenn beide Elternteile arbeiten? Ohne Ferienbetreuung und die Hilfe von Oma und Opa wäre das gar nicht möglich. Sechs Wochen frei? Davon können meine Kinder (leider) nur träumen. 

Und auch sonst finde ich, dass das Leben als Kind heute deutlich anstrengender ist.

Meine beiden sind zum Beispiel bis 15:30 Uhr in der Schule. Das war natürlich unsere Entscheidung, wäre aber ehrlich gesagt auch gar nicht anders möglich gewesen. Denn mein Mann arbeitet in Vollzeit, und ich habe zwar „nur“ einen Teilzeit-Job, hetze aber so schon gefühlt zwischen Schule, Arbeit und Hobbys meiner Kinder hin und her. Aber darum geht’s gar nicht: 7,5 Stunden finde ich gerade in den ersten Klassen der Grundschule wirklich viel. Natürlich gehören auch Pausen und Zeiten für Freiarbeit dazu, trotzdem verbringen die beiden fast einen kompletten Vollzeit-Arbeitstag in der Schule. Immerhin: Hausaufgaben gibt es in der Grundschule bei uns dafür fast nie, die können die Kinder in der Freiarbeitszeit erledigen.

Trotzdem ist es auch ganz schön viel Druck, der schon jetzt auf den beiden liegt. Und ein ganz schön langer Tag. Denn natürlich haben meine Kinder auch Hobbys, und die brauchen sie auch, als Ausgleich. Einmal die Woche geht’s also zum Ballett, einmal zum Fußball – und zu einem Schwimmkurs habe ich die beiden genötigt, weil ich das wichtig finde.

Kein Wunder, dass meine beiden abends meistens hundemüde ins Bett fallen – und morgens oft nicht aufstehen wollen

Wenn ich daran denke, wie viel Zeit ich mit meinen Freundinnen verbracht habe, und wie sehr ich es genossen habe, tut es mir für meine Kinder wirklich leid. Denn für Verabredungen an den Nachmittagen bleibt wirklich kaum Zeit. Ab und zu klappt es natürlich trotzdem, und sonst weichen wir an die Wochenenden aus. Trotzdem, so ein herrlich unbeschwertes Kinderleben, bei dem man fast jeden Nachmittag draußen tobt, war schon wirklich toll.

Und dass Mama immer da war, habe ich auch sehr genossen, zumindest während der Grundschulzeit.

War früher also alles besser?

Aus Kindersicht mag das in vielen Punkten bestimmt richtig sein. Allerdings kennen meine beiden es ja nicht anders und wissen somit auch nicht, was sie (vermeintlich) verpassen. Und ja, es gibt natürlich Situationen, in denen ich sehr gern mehr Zeit für meine Kinder hätte. Trotzdem würde ich auf meinen Job nicht verzichten wollen. Denn ich arbeite wirklich gern und es ist mir wichtig, mein „eigenes“ Geld zu verdienen.

Für mich war es unglaublich toll, dass meine Mama immer zuhause war, keine Frage. Dass sie selbst damit irgendwann unglücklich war, als ich größer wurde, habe ich erst viel später gemerkt. Denn gesprochen hat sie darüber nie, zumindest nicht mit mir. Sie war wirklich Vollblut-Mama mit ganzem Herzen. Aber ich war irgendwann nicht mehr mittags zuhause, sondern länger in der Schule und danach mit meinen Freunden unterwegs. Und sie war oft allein. Warum sie nicht wieder angefangen hat zu arbeiten, kann ich gar nicht genau sagen. Aber sie war aus ihrem Beruf natürlich sehr lange raus, da ist der Wiedereinstieg nicht einfach.

Das gemeinsame Geld war für meine Eltern nie ein Thema.

Sie hatten ein Gemeinschaftskonto, auf dem das Gehalt meines Papas landete, und alle Ausgaben abgebucht wurden. Trotzdem war meine Mama natürlich finanziell komplett abhängig. Als mein Papa nicht mehr da war, war sie dann dann plötzlich auf sich allein gestellt – und der Rentenbescheid nicht mehr als ein schlechter Witz. Natürlich nicht, wo sollte eine hohe Rente auch herkommen? Leider war es ja früher schon so, dass Zeiten für Kindererziehung nicht angemessen berücksichtigt werden. Und das hat sich bis heute nicht geändert.

Insofern bin ich sehr froh, dass meine Eltern mich immer ermutigt haben, mir einen Job zu suchen, der mir Spaß macht. Schon in der Schulzeit hatte ich meine ersten Ferienjobs, und es war für mich nie eine Frage, ob ich mein eigenes Geld verdienen will oder nicht.

Auch als ich Mama wurde, war klar, dass ich nach einem Jahr wieder arbeiten gehe.

Ich gebe allerdings zu, dass ich gern noch ein halbes oder sogar ganzes Jahr länger zuhause geblieben wäre. Das war aber finanziell einfach nicht möglich – im Gegensatz zu früher. Meine Eltern haben damals auf ein Haus verzichtet, damit meine Mama zuhause bleiben kann. Aber immerhin war diese Entscheidung überhaupt möglich. Ein bisschen hätte ich mir gewünscht, dass ich selbst entscheiden kann, wann ich wieder arbeiten möchte. Denn mit einem Jahr fand ich meine Kinder wirklich noch sehr klein für die Kita. Aber DASS ich wieder arbeiten gehe, stand für mich außer Frage.

Und so wehmütig ich manchmal bin, dass meine Kinder eine komplett andere Kindheit haben als ich – heißt es ja nicht zwingend, dass sie schlechter ist.

Nur eben anders. Die beiden lernen von Anfang an ein anderes Rollenbild kennen. Ja, natürlich liegt ein (deutlich) größerer Teil der Carearbeit trotzdem bei mir, weil ich weniger Stunden arbeite als mein Mann. Ja, natürlich ist das immer wieder Thema. Und ja, natürlich ärgere ich mich wie so viele darüber, dass das oft nicht richtig anerkannt wird.

Trotzdem lernen sie von Anfang an, dass es nicht automatisch so ist, dass Papa arbeiten geht und Mama zuhause bleibt. Dass es wichtig für Mama ist, dass sie auch Geld verdient, damit sie später auch welches bekommt, wenn sie nicht mehr arbeitet. Dass Mädchen genauso alles schaffen können wie Jungs. Und dass ihnen alle Türen offen stehen – und zwar ihnen beiden!

Wie seht ihr das: War früher für unsere Kinder alles besser? Oder hat alles seine Vor- und Nachteile?

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Wiebke Tegtmeyer

Nordisch bei nature: Als echte Hamburger Deern ist und bleibt diese Stadt für mich die schönste der Welt. Hier lebe ich zusammen mit meinem Mann und unseren beiden Kindern. Nach meinem Bachelor in Medienkultur, einem Volontariat und einigen Jahren Erfahrung als (SEO-)Texterin bin ich passenderweise nach meiner zweiten Elternzeit bei Echte Mamas gelandet. Hier kann ich als SEO-Redakteurin meine Leidenschaft für Texte ausleben, und auch mein Herzensthema Social Media kommt nicht zu kurz. Dabei habe ich mich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Ernährung von der Schwangerschaft über die Stillzeit bis hin zum Babybrei beschäftigt. Und wenn ihr auf der Suche nach einem Vornamen für euer Baby seid, kann ich euch garantiert passende Vorschläge liefern. Außerdem nutze ich die Bastel-Erfahrungen mit meinen beiden Kindern für einfache DIY-Anleitungen. Wenn der ganz normale Alltags-Wahnsinn als 2-fach Mama mich gerade mal nicht im Griff hat, fotografiere ich gern, gehe meiner Leidenschaft für Konzerte nach oder bin im Volksparkstadion zu finden.

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