Mit dem Partner fürs Leben zusammen ein Kind bekommen. Für viele von uns die schönste Vorstellung überhaupt. Aber was ist, wenn es in der Partnerschaft schon Probleme gibt, und man dann feststellt, dass man schwanger ist? Nadine aus unserer Community ist genau das passiert. Als sie merkt, dass sie schwanger ist, ist sie voller Zweifel. Denn ihr Partner hat sie schon mehrfach geschlagen, und sie hat Angst, es allein nicht zu schaffen. Die beiden raufen sich zusammen, und Nadine will um ihre Familie kämpfen. Allerdings ändert ihr Partner sich nicht, obwohl er es versprochen hatte – und dann nimmt das Jugendamt ihr auch noch den gemeinsamen Sohn weg.
Nadine wollte um ihre Familie kämpfen – und hatte plötzlich das Gefühl, als hätte sich die ganze Welt gegen sie verschworen.
Die ganze Geschichte hat Nadine in einem Brief an ihren Sohn verarbeitet:
„Mein Schatz,
ich möchte Dir unsere Geschichte erzählen, und wie sich plötzlich die ganze Welt gegen uns stellte.
Es war der 12. Mai 2017. Ich trug mir im Bad schnell noch Lippenstift auf und lief zum Bahnhof. Ich freute mich schon sehr darauf, meine Freunde zu sehen und die Nacht durchzutanzen. Meine Freunde hatten noch einen Kumpel dabei, der mir sofort auffiel.
Hätte ich gewusst, was alles passiert, wäre ich wohl nie in diesen Zug gestiegen.
Wir hatten viel Spaß zusammen. Tanzten viel und machten Fotos von uns. Ein paar Tage später verabredeten wir uns für ein Treffen, und auch das war wunderschön. Ich verliebte mich in Deinen Papa. Und trotzdem gab es etwas, das mich nachdenklich stimmte. Und das zu Recht, wie sich später herausstellen sollte. Denn Dein Papa war deutlich älter als ich. Er war 37, ich gerade mal 20. Er versuchte, mir einzureden, dass er besser wüsste, was ich vom Leben erwarte. Ich glaubte ihm, denn schließlich hatte er schon viel mehr Erfahrungen gesammelt als ich.
Trotzdem lief alles gut zwischen uns. Bis zu diesem einen Abend im August.
Er trank viel zu viel Alkohol und geriet mit seinem besten Freund in einen Streit. Dann ließ er mich alleine stehen. Ich kannte mich in der Stadt nicht aus und wusste nicht wohin. Sein Kumpel hat mich dann zu Deinem Papa nach Hause gebracht. Nachdem ich geklopft hatte, öffnete er mir die Tür, und ich lächelte ihn an. Das verstand er allerdings falsch. Er war stinksauer auf mich. Heute weiß ich, dass er Probleme mit sich selbst hatte, und ich nicht der Auslöser war. Trotzdem hat er es an mir ausgelassen.
Wir haben uns gestritten, und plötzlich ging er einen Schritt auf mich zu.
Mir wurde ganz anders, und ich wollte gehen. Aber Dein Papa wollte das verhindern und hat mir weh getan. Ich bekam keine Luft mehr, als er mit seinen großen Händen zupackte. Ich sah ihm in die Augen und bekam noch mehr Angst. Später entschuldigte er sich unter Tränen bei mir, und naiv wie ich war, verzieh ich ihm.
So ging es weiter, bis mir eines Morgens im März sehr schlecht wurde, und ich mich übergeben musste. Auch meine Brust schmerzte, und ich musste sehr oft auf die Toilette. Dann kam mir der Gedanke in den Kopf, ich ging in die Drogerie und kaufte einen Schwangerschaftstest. Ich wollte schauen, ob Du entschieden hattest, dass ich Deine Mama werden soll.
Und tatsächlich: Der erste Test hatte zwei Streifen, der zweite auch.
Ich bekam Zweifel: Wie sollen wir das schaffen? Dein Papa ist ein Grenzgänger, und ich bin noch so jung. Ich sprach mit Deinem Papa, und unsere Entscheidung stand fest: Herzlich Willkommen, kleiner Schatz – wir freuen uns sehr auf Dich! Ich habe wirklich gedacht, dass Dein Papa sich auch freut. Er freute sich auch, aber er war krank. Ich dachte, wir können ihn retten. Aber eigentlich hätte ich nur Dich und mich retten müssen.
Dann kam der Tag. Der Tag, an dem Du das Licht der Welt erblickt hast. Es war der schönste Tag meines Lebens, und ich denke jeden Tag daran. Du hast so gut gerochen, warst so klein. Ich werde es nie vergessen, alles hat geklappt. Du hast gut geschlafen, gut getrunken, bist schnell vor uns davon gekrabbelt und hast. So schön dabei gelacht. Aber dein Papa war überfordert von mir und von dir. Er hat mir auch immer wieder weh getan, sogar während der Schwangerschaft. Ich habe Dir natürlich trotzdem meine volle Liebe geschenkt. Und auch dein Papa war gut zu Dir, kuschelte mit Dir, fütterte Dich und wechselte sofort Deine Windeln.
Ich wollte unsere kleine Familie nicht aufgeben.
Dein Papa verletzte mich oft. Ich möchte nicht weiter darauf eingehen, aber an dem Tag, an dem meine Nase sehr weh tat, und ich ins Krankenhaus musste, änderte sich etwas in mir. Ein paar Tage später rief mich eine Frau vom Jugendamt an und sagte, dass sie uns Drei gern zuhause besuchen möchte. Das tat sie auch, und es war alles in Ordnung. Dein Papa und ich haben einen sehr guten Eindruck gemacht. Genau wie unsere große Wohnung und Dein schönes Zimmer in mint und grau, das Dein Papa und ich mit viel Liebe gestaltet haben. Die Füchse an der Wand, die Du so gerne anlächelst, und die ich mit so viel Liebe für dich gezeichnet habe.
Aber war es all das wert? Meine Nase tat weh, und Zweifel kamen in mir auf. Ich ging wieder zu der Frau vom Jugendamt und bat sie um Hilfe. Sie gab uns einen Termin bei einer Beratungsstelle – in einem Monat. In einem Monat kann soviel passieren. Und das tat es auch. Ich wollte mich trennen. Ich wollte mich trennen, uns das nicht zumuten.
Dein Papa war wütend. So wütend, dass wir in die Kinderklinik mussten.
Die Ärzte, Polizisten und das Jugendamt trennten Deinen Papa und mich. Und auch Dich und Deinen Papa. Mein Schatz, ich habe wirklich alles versucht, damit wir eine Familie bleiben können. Bitte gib mir nicht die Schuld dafür. Eines Tages werde ich es Dir erklären. Natürlich ließ Dein Papa die Vorfälle nicht auf sich sitzen. Er manipulierte das Jugendamt, und auch die Richterin vom Familiengericht fiel auf ihn hinein. Sie verkürzte das Kontaktverbot auf drei Monat, weil sie meinte, das würde reichen, um die Wogen zu glätten.
Schließlich habe Papa Dich nicht absichtlich verletzen wollen, sondern er hatte Angst, Dich zu verlieren. Deshalb hat er Dich aus Uromas Armen gerissen und Euch dabei verletzt. Er sei ja schließlich auch in einer Selbsthilfegruppe und solle eine Chance bekommen. Schließlich sei der nicht der Böse. Die Worte der Richterin waren hart für mich und fühlten sich auch nicht richtig an.
Am nächsten Tag klingelte das Telefon, eine Frau andere Frau vom Jugendamt war dran. Denn in der Zwischenzeit waren wir in einen anderen Landkreis gezogen, 45 Kilometer weiter weg, zu Deiner Oma. Die Frau wollte, dass ich in drei Monaten mit Deinem Papa spreche. Schließlich habe er ein Umgangsrecht, und ein Gespräch unter vier Augen sei bestimmt nicht verkehrt. Es tut mir leid, mein kleiner Schatz, aber ich war so unerfahren, ich dachte wirklich, sie hätte recht.
Die Wochen vergingen und ich ging in die Stadt in der auch dein Vater wohnte.
Ich wollte einfach raus und Klamotten für Dich kaufen. Es war die nächstgrößere Stadt, und ehrlich gesagt vermisse ich sie. Ich kaufte uns eine Waffel, Du hast dich so darüber gefreut und sie Dir schmecken lassen. Als wir in eine Drogerie gingen dann der Schock.
Es kam, wie es kommen musste: Tatsächlich stand Dein Papa vor uns. Du hast geschlafen, er ging an den Kinderwagen und sah dich an, er sah wirklich fertig aus. Er fragte mich, ob wir ganz friedlich eine Zigarette rauchen wollen, schließlich könnten wir uns nicht wie Fremde verhalten. Da sei ein kleines Wesen, welches beide Elternteile brauche. Damit hatte er mich, und mir lief eine Träne hinunter.
Er erzählte mir von Therapien und Beratungsstellen. Und ich glaubte ihm. Ich hatte zwar Zweifel, aber auch ein gutes Gefühl. Also ging ich mit Dir zusammen zu unserer alten Wohnung. Und auch Du hast Dich sehr gefreut, als Du wach wurdest und Deinen Papa gesehen hast. Wir schliefen eine Nacht bei ihm, es fühlte sich warm und vertraut an.
Rückblickend war es nur ein Schein, eine Manipulation, die er gut beherrschte. Er erzählte mir, dass er während des Kontakverbots beim Jugendamt gewesen wäre, weil er Dich sehen wollte. Ich fiel darauf rein. Er wusste ganz genau, dass ich mir immer einen Vater für mein Kind gewünscht habe. Denn ich wollte ich meinem Kind das ersparen, was ich selbst durchmachen musste.
Wie sollten wir jetzt vorgehen? Zum Jugendamt? Sie hatte mir gesagt, dass sie keine Einzelgespräche mehr annimmt, aber mit Papa hat sie das getan. Ich fühlte mich schuldig. Die Worte der Richterin und der Dame des Jugendamtes hallten ständig in meinem Hinterkopf.
Wir wollten wieder zu Beratungsstellen gehen und um uns kämpfen. Auch für Dich.
Aber Dein Papa fing nach kurzer Zeit wieder an, zu trinken. Er fing auch wieder damit an, mir weh zu tun. Und ich wusste, so geht es nicht weiter. Noch einmal alles von vorn? Auf keinen Fall.
Ich wollte gehen, aber Dein Papa hat es geahnt. Deshalb zeigte er mir ein Video, und ich war schockiert. Auf diesem Video waren Mama und Papa beim Spielen zu sehen. Es war eine andere Art, zu spielen, das erkläre ich Dir einmal, wenn Du älter bist. Dein Papa drohte mir damit, das Video zu veröffentlichen, wenn ich ihn verlasse. Er sagte, er habe keine Probleme damit, es an die zuständigen Stellen und an meine Freunde und Familie zu schicken. Er sagte auch, er würde mir etwas Schlimmes antun, denn für Dich würde er über Leichen gehen.
Ich hatte Angst. Nicht nur um mich, sondern vor allem um dich.
Also ging ich zum Jugendamt und bat um Hilfe. Ich hatte von einer Einrichtung gehört, die junge Mütter aufnimmt. Da ich erst 21 Jahre alt war, hatte ich ein gutes Gefühl. Aber ich wurde abgelehnt. Denn ich wäre zu selbstständig und solle ein Frauenhaus fragen, wenn ich Angst hätte. Sie wussten ja immer noch nicht, dass ich wieder bei Papa war. Ich hatte Angst, dass sie Dich doch mitnehmen, wenn er ihnen dieses Video zeigt. Deshalb hatte ich nur von den Bedrohungen erzählt. Ich fragte bei der Polizei nach einem Haus, das uns beide schützen soll. Aber es war voll.
Wie sollte es jetzt weitergehen? Mir war klar, er würde das Video posten, sobald wir nicht mehr da sind. Viel wichtiger war es mir allerdings, Dich zu schützen. Denn ich wollte auf keinen Fall, dass Du verletzt wirst. Deine Mama war wirklich verzweifelt.
Eines nachts stritten Papa und ich wieder. Du hattest Angst und bist aufgewacht, und ich bin zur Polizei gegangen. Wir sind zu Oma gefahren, und am nächsten Tag stand das Jugendamt vor der Tür. Sie sagten mir, dass ich Dich schützen müsse. Dass häusliche Gewalt bereits eine Kindeswohlgefährdung sei. Aber wie denn? Ich erzählte ihnen, dass Dein Papa mich erpresste. Dass er mich finden würde und somit auch Dich, mein Schatz.
Ich wollte in ein Frauenhaus, aber alle waren voll.
Obdachlosenheim? Wieso denn das? Wieso keine Mutter-Kind-Einrichtung? Das war ihnen zu teuer. Menschenleben sind teuer. Schutz und Geborgenheit für ein Kind sind zu teuer. Aber ich habe dir versprochen, dich mit meinem Leben zu beschützen, als du mir damals auf die Brust gelegt wurdest.
Das Telefon klingelte, Dein Papa war dran. Er möchte dich sehen, oder er veröffentlicht das Video. Und nicht nur das, seine Drohungen wurden immer schlimmer. Ich ging zur nächsten Polizei.
Ich wollte ein Kontaktverbot, aber sie sagten mir, das würde kaum etwas bringen.
Dein Patenonkel kann Dir das bestätigen, ich habe wirklich alles versucht. Auch Deine Oma hat alles versucht, um Dich zu schützen.Ein Umzug? Nicht so einfach, der Wohnungsmarkt gab nicht viel her. Zu Freunden weiter weg? Ich hatte kein Handy mehr, weil Papa immer wusste, wo wir waren. Papa hat auch deiner Uroma und deinem Uropa schon etwas angetan. Warum reagierte die Justiz denn nicht? Hörten sie und nicht? Wir brauchten Hilfe. Weiterhin gab es Drohungen deines Papas, die es in sich hatten. Ich hatte bereits vor einigen Wochen Anzeige wegen Bedrohung gestellt, vermutlich wird sie aber eingestellt. Wie so viele andere Dinge auch. Ich musste kämpfen, wir schaffen das kleiner Schatz. Die Polizei meldete sich nicht mehr, wir brauchten aber einen Platz mit Sicherheit.
Plötzlich lag alles an mir. Alles lag in meiner Hand, und das war einfach zu viel für mich. Ich hatte Angst, dass er denen, die mich lieben, etwas Schlimmes antut.
Also hab ich ihm gegeben, was er wollte: Ich ging zu ihm zurück.
Ich war immer wachsam, ließ dich nie aus den Augen. Steckte ein und überschminkte es. Aber ich vergesse deinen verwirrten Blick nicht, als du den farbigen Fleck um mein Auge sahst. Mama hat gemalt, mein Schatz, ich probiere neue Schminke aus. Zum Glück warst du erst ein Jahr alt und hast es noch nicht richtig verstanden. Aber du hast trotzdem viel zu viel gemerkt. Ich werde es mir nie verzeihen, obwohl ich das muss. Denn sonst werde ich dir kein Glück mehr schenken können. Ich überlege Tag und Nacht, wie wir aus diesem Alptraum erwachen können.
Eines Abends ging dein Papa in die Kneipe. Jetzt oder nie, dachte ich und packte unsere Sachen. Papa kam früher heim, verdammt. Ich verstectke unser letztes Hab und Gut im Kleiderschrank, griffbereit für die Flucht.
Du schliefst in deinem Bettchen, ein eigentlich sicherer Ort. Aber Papa war böse auf Mama. Er wollte, dass Mama alles macht, was er möchte. Ich tat es in diesem Moment auch, viel zu müde für einen neuen Streit. Es ekelte mich auch nicht mehr an, ich war wie in Trance. Ohnmachtsgefühle war ich schon gewohnt.
Danach stritten wir wieder, weil Papa seinen Job verlor. Er gab mir die Schuld dafür, denn ich wäre Schuld, dass er trinkt. Irgendwann schlief er ein. Ich ging ins Bad und zog mich um, wollte den Kinderwagen zurechtstellen und mit dir gehen. Es war ja schließlich schon alles geplant, dein Onkel hatte ein Bett bei einer Freundin in Berlin für uns frei. Aber Papa wurde wach.
Er ging zu dir ans Bett, und ich dachte ich sehe nicht richtig. Er pinkelte dir auf den Kopf.
Ich schlug ihn von dir weg, nahm dich auf den Arm und lief zur nächsten Polizei-Dienststelle. Du hattest Angst. Hast mir in die verweinten Augen geschaut und verzweifelte Laute von dir gegeben.
Da saßen wir beide also. Ich sagte zu den Polizisten, dass ich nicht hier weggehe, bevor uns geholfen wird. Aber sie sollten Dich mir um Gottes Willen nicht wegnehmen. Ich wusste wirklich nicht mehr weiter. Deine Uroma und dein Onkel holten uns dann ab, weinten und nahmen uns in den Arm. Wir könnten an den Chiemsee zu meiner Familie oder eben doch nach Berlin. Am Abend sollte es losgehen, jetzt fuhren wir aber erst einmal zu Oma, Dein Papa hatte sie auch schon angerufen.
Bis zum Abend konnte noch soviel passieren. Und so war es auch.
Das Jugendamt stand vor der Tür, sie wollten Dich mitnehmen.
Ich war vollkommen außer mir, denn ich wollte Dich um nichts in der Welt hergeben. Im Gegenteil, ich wollte so gerne für dich kämpfen, uns ein schönes Leben bieten. Auch die Polizisten, die dabei waren, waren der Meinung, dass eine Mutter-Kind-Einrichtung die bessere Lösung für uns wäre. Aber das Jugendamt blieb hart. Weil ich dich so sehr liebe und selbst nicht für Deinen Schutz garantieren konnte, habe ich schließlich unter den bittersten Tränen zugestimmt – und es hat mir das Herz gebrochen. Aber ich wollte auf keinen Fall riskieren, dass Dir etwas passiert.
Die Polizei hat Dich dann ins Auto gebracht. Ich stand am Fenster und war wie erstarrt. Ihr seid dann weggefahren, und ich wusste nicht mehr weiter. Etwas später klingelte die Polizei noch einmal bei mir. Sie wollten mir die nächsten Schritte erklären, damit ich Dich wieder zu mir holen kann.
Ein halbes Jahr später bist aber immer noch nicht wieder bei mir
Die Polizei fragt ständig nach Dir und ist immer wieder verwundert, wenn ich verneine. Dein Papa erzählt Lügen. Ob ihm jemand glaubt? Ich denke ehr nicht mehr. Inzwischen habe ich mir einen Anwalt genommen. Auch er ist der Meinung, dass Du zu mir zurückkommen solltest. Und auch er kann nicht verstehen, warum Dein Papa und so etwas antun darf. Er wird darauf bestehen, dass wir beide in eine geeignete Einrichtung kommen werden, denn Frauen und Kinder müssen geschützt werden.
Durch den Anwalt habe ich aus herausgefunden, dass Dein Papa schon vielen Frauen etwas Böses angetan hat. Eine von ihnen kam nicht darüber hinweg. Sie ist jetzt ein schöner Engel, und ich bin der festen Überzeugung, dass sie vom Himmel aus alles dafür tut, dass wir beide ein schönes Leben zusammen haben werden. Ohne Gewalt, ohne Erniedrigung, nur das pure Glück. Das wünsche ich vor allem Dir, mein kleiner Schatz.
Seit Du von mir weg warst, durfte ich Dich einmal in der Woche zu mir holen
Es war so schön! Und ich bin mir sicher, dass Du es auch genossen hast. Du hast in dieser Zeit zum ersten Mal „Mama“ gesagt. Deine Oma hat diesen tollen Moment zum Glück gefilmt. Ich habe noch nie etwas so Schönes gehört und gesehen. Jeden Abend vor dem Schlafengehen schaue ich mir das Video an. Es wäre natürlich viel schöner, wenn Du dabei neben mir liegen würdest. Denn ich vermisse Dich schrecklich, mein Schatz.
Als ich dachte, dass Du bald wiederkommen würdest, war plötzlich Corona da
Viele Menschen wurden krank, viele mussten sterben. Es war keine normale Erkältung, sondern verbreitete sich rasend schnell. Die Menschen mussten Abstand zueinander halten und durften sich nicht mehr sehen. Alle sollten zuhause bleiben. Und ja – auch wir durften uns nicht mehr sehen. Zu groß war die Gefahr, dass wir uns anstecken würden.
Meine Selbstvorwürfe wurden in dieser Zeit immer schlimmer. Teilweise habe ich sogar gehofft, dass ich mich mit dem Virus anstecke. Damit ich einen Test vorlegen könnte, der mir bestätigt, dass ich wieder gesund und immun bin. Entschuldige bitte meinen Egoismus, aber ich möchte doch nur für dich da sein.
Zwei lange Monate durfte ich Dich überhaupt nicht sehen
Ich durfte Dich nicht riechen, Dich nicht berühren. Ich durfte Dir keinen Kuss geben und auch Deine Hand nicht halten. Je länger die Zeit dauerte, desto schlechter ging es mir. Ich habe mich gefragt, wie es dir wohl damit geht. Ob Du überhaupt noch weißt, wer ich bin. Immerhin konnte ich Dich per Videoanruf sehen, aber das war einfach nicht genug. Ich wusste überhaupt nicht mehr, was ich machen soll. Du kannst es doch noch gar nicht verstehen, und wenn ich ehrlich bin, verstehe ich es auch nicht mehr.
Die Psychologin, die während dieser Zeit ein Gutachten erstellte, hat mir geraten, den Kontakt in jeder möglichen Form aufrecht zu erhalten. Selbst wenn es nur meine Stimme wäre, an die Du Dich erinnern würdest – das würde reichen. Warum sie das sagte?
Weil Du bald endlich wieder zu mir zurück darfst!
Das hat die Psychologin mir am Telefon gesagt. Denn zum Glück war ihr Gutachten rechtzeitig fertig, bevor es mit der Pandemie richtig losging. Viele andere müssen darauf heute immer noch warten. Zwar hat Corona dazu geführt, dass sie das Gutachten erst zwei Monate später abgeben konnte – aber jetzt ist es da. Endlich.
Kurz darauf gab es schon die nächste tolle Nachricht: Wir durften uns endlich wieder sehen! Sofort rief ich die Frau vom Jugendamt an. Sie sagte mir, dass wir Abstand halten müssen. Ich fragte sie, wie das gehen soll? Und sie meinte, wir müssten es einhalten, so gut es eben ginge.
Nach dem Gespräch rief ich direkt bei Deiner Tante an. Ich nenne sie so, weil sie darauf besteht, dass Du nur zu mir „Mama“ sagen sollst. Wir haben gleich einen Termin ausgemacht. Noch dreimal schlafen, dann kam der lang ersehnte Tag.
Du hast die Arme nach mir ausgestreckt und mit Deinem schönsten Lächeln gestrahlt.
Mir wurde es so warm ums Herz. Ich weiß nicht, ob Du es unter dem Mundschutz gesehen hast, aber ich habe bis über beide Ohren gelächelt. Deine Pflegemutter (Deine „Tante“) sagte zu mir, dass ich Dich hochnehmen darf, und wir uns verstecken, damit wir ganz normal und ohne Schutz spielen können. Ich war ihr so unendlich dankbar.
Deine Oma hat sich auch so gefreut, Dich zu sehen. Auch zu ihr bist Du sofort hingelaufen. Du hast so schön gelacht. Der ganze Tag war so entspannt. Wir haben deiner Tante Babyfotos von dir gezeigt und die lustigsten Geschichten erzählt. So ein toller Tag, ich musste jedem davon erzählen und habe tagelang darüber nachgedacht. Ich fühlte mich wie neugeboren. Deine Tante hat erzählt, dass auch Du danach nicht richtig schlafen konntest. Vermisst du uns vielleicht doch?
Nicht mehr lange, dann bist Du endlich wieder bei mir!
Ich habe mir vorgenommen, auch den Kontakt zu deiner Tante aufrecht zu erhalten. Schließlich wirst du sie auch vermissen. Ich tue dir so etwas nicht noch einmal an. Der Tag wird schon bald kommen, mein Schatz. Das Gutachten wurde abgegeben, und es gibt schon einen Termin vor Gericht im Juni. Ein halbes Jahr später. Ein verdammtes halbes Jahr. Der Antrag auf die Mutter-Kind-Einrichtung gestellt, jetzt müssen wir die Daumen drücken.
Ich habe dein erstes Wort verpasst, es tut mir so weh. Aber es ist nicht wichtig, wie lange man wartet, sondern auf wen. Und du bist jede Sekunde wert. Jede Sekunde ist eine Qual, aber wir meistern das. Wir sind Löwen.
Was Papa wohl dazu sagen wird, dass mein Gutachten gut ausgegangen ist? Er hat schließlich alles dafür getan, damit es das nicht wird. Er wird wütend sein. Bisher hat er versucht, mich über Dritte zu zerstören, aber ich habe es nicht zugelassen. Es war sicher harte Arbeit für ihn, die sich nicht gelohnt hat. Es war auch harte Arbeit für mich, aber sie hat sich gelohnt. Wer ehrlich ist, gewinnt.
Hoffentlich tut Papa nichts Schlimmes.
Wegen der Krankheit die gerade in der Welt ist, wurde auch seine Haftstrafe verschoben. Ich bete dafür, dass er uns nichts Schlimmes antut. Alles, was er möchte, ist, dass ich dich nicht bekomme. Wenn er dich nicht haben kann, dann soll ich es auch nicht. Es tut mir leid, dass du das alles aushalten musst. Aber ich verspreche dir, ich werde wirklich alles für dich geben, kleiner Schatz.
Ich möchte voll und ganz Deine Mama sein. Ich möchte dich schützen und liebhaben. Ich hoffe, Du verzeihst mir irgendwann. Ich hoffe, ich verzeihe mir irgendwann.
Du bist mein Sohn, und ich liebe dich. Ich werde alles dafür tun, damit du zufrieden und glücklich bist. Ich mache meinen Fehler wieder gut, das werde ich Dir beweisen. Denn Du bist einfach alles für mich.“
Liebe Nadine, vielen Dank, dass Du Deine bewegende Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen Dir und Deinem Sohn alles, alles Gute.
Wir freuen uns auf deine Geschichte
Hast Du etwas ähnliches erlebt oder eine ganz andere Geschichte, die Du mit uns und vielen anderen Mamas teilen magst? Dann melde Dich gern! Ganz egal, ob Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Mamaleben, besonders schön, ergreifend, traurig, berührend, spannend oder mutmachend – ich freue mich auf Deine Nachricht an [email protected]