„Mein Baby verstarb ohne Vorwarnung auf meiner Brust.”

„Die ersten Frühlingsstrahlen des Jahres küssen meine von getrockneten Tränen gespannte Haut. Ich bin erschöpft. Gerade kränkel ich zum ersten Mal seit Ewigkeiten und mein Babysohn weint ganz viel. Er hat sehr früh angefangen, sich zu drehen, sein System verarbeitet es über das Weinen. Ich verstehe das. Mein Mamakörper trieft, überall ausgelaufene Mamamilch, die Stilleinlagen längst durch, gemischt mit Schweiß.

Es sind aber nicht nur Tränen der Erschöpfung.

Sie gehen nahtlos über in Tränen der Rührung und Dankbarkeit. Dafür, dass er leben darf. Dafür, dass seine große Schwester mir, während ihr kleiner Babybruder weint, tausend Fragen stellen kann. Denn vor diesen beiden Wundern habe ich so viel Verlust erfahren. Meine Zwillinge habe ich bereits im Bauch verloren. Mein erster Sohn verstarb mit 18 Tagen plötzlich und ohne Vorwarnung auf meiner Brust.

Meine zwei Regenbogen-Kinder erfüllen mich jeden Tag, auch wenn ich mal erschöpft bin. Ich ehre ich aus vollstem Herzen ihre Existenz. Wie wunderbar, dass ich ihnen beim Wachsen zusehen, sie durchs Leben begleiten darf. Wie unglaublich schön, dass ich das Mamasein endlich ausleben darf.

An dem Morgen, als ich mit meinem toten Sohn aufwachte, konnte ich nicht begreifen, was mir passiert war, denn ich habe bereits einiges durchgemacht. Und doch war es so. Nach einer Phase des Schocks, des Nicht-Wahrhaben-Wollens, des ihn-nachts-Suchens, sickerte die Information immer tiefer durch. Als ich selbst Geburtstag hatte, weil ich ja geboren war, ich ihn ja aber auch geboren hatte, traf mich sechs Monate und einen Tag nach seinem Tod der Blitz.

Ich konnte plötzlich weder essen, sprechen noch irgendwas.

Es war mehr, als ich ertragen konnte. Zu heftig, zu viel, mein System schaltete ab. Eine normale Reaktion, auch wenn sie kaum jemand so einordnen konnte. Zertrümmert in den Scherben meines Lebens liegend, brauchte ich das. Ich brauchte diesen Zustand und Menschen, die sich einfach dazulegten, anstatt mich hochzuziehen. Einige wenige konnten das, was ich ihnen nie vergesse. Wir leben in einer Welt des Verdrängens, die meisten halten diese Gefühle nicht aus, weil sie selbst nicht an ihre herankommen.

Wie ein Phönix aus der Asche ging ich aus dieser Phase hervor. Ich wurde zu einem völlig neuem Menschen. Ich musste durch die Wüste, um an die Oase zu kommen. Durch den Schmerz in die Freiheit. So konnten tatsächlich zwei Kinder ganz natürlich zu mir finden und das ist ein Wunder, denn ich wurde bereits mit 17 Jahren als unfruchtbar abgestempelt.

Mit 25 Jahren und Kinderwunsch wurde die Prophezeiung selbsterfüllend: PCO sowie verschlossene Eileiter.

Durch den Tod meines Sohnes konnte ich nicht mehr weiter vor mir wegrennen: ich stellte mich meinen Themen. Es war einfacher Heilung zuzulassen, als mich dagegen zu wehren. So fühlte ich alles, was gefühlt werden wollte. Das war eine krasse Reinigung. Ich erlaubte mir das endlich einfach. Ich drückte nichts mehr weg. Ich war nichts mehr, hatte keine Rolle mehr, hinter der ich mich verstecken konnte. So lernte ich gänzlich neu mich und meine Bedürfnisse kennen.

In der Weite der endlosen Stunden eines Tages, in welchen ich mir so sehr ein Babyschreien gewünscht hätte, war so viel Platz für: Was brauche ich eigentlich gerade? Das waren keine großen Dinge: mal rausgehen, schlafen, schreiben? Ich lernte viel, was mir heute als Mama sehr dient. Zum Beispiel auf mich zu hören und meine Grenzen auszusprechen.

So kann ich heute klar sagen: Ich muss mich ausruhen, bitte nimm du unser Baby.

Aktuell kreiere ich einen Familien-Bedürfnis-Planer, weil es so wichtig ist, dass Mamas sich nicht vernachlässigen, sondern auffüllen. Für mich sind Familien wie eine Mannschaft mit verschiedenen Spielern – und jeder ist gleich wichtig. Viele von uns haben selbst als Baby und Kleinkind ihre Bedürfnisse nicht erfüllt bekommen. Daran werden wir als Mamas erinnert, während wir geben, was wir nie hatten.

Wiebkes Regenbogen-Kinder.

Wiebkes Regenbogen-Kinder. Foto: Instagram, espensmama

Ich bin so froh, dass ich dies vorher habe anschauen und heilen dürfen, um meinen lebenden Kindern das zu geben, was sie brauchen. So zu sein, wie ich als Mama sein will. Denn warum schimpfen wir irgendwann? Weil wir selbst im Minus sind und uns zu lange übergangen haben. Wir wollen stark sein, uns zusammenreißen, weitermachen: Ibu rein, Mama sein.

Aber wir sind damit nicht nur ein schlechtes Vorbild für unsere Kinder, wir rennen auch mit Anlauf ins Mama-Burnout.

Wenn wir bereit sind, hinzuschauen – oder unser Leben uns dazu zwingt – können wir uns geben, was wir brauchen und gebraucht hätten. Mit der selbstverständlichen Selbstfürsorge gelangen wir in unsere Mitte, aus welcher heraus wir so sind, wie wir es gerne wären.

Ich bin dankbar diese Challenge angenommen zu haben, welch ein lebendiges Leben voller intensiver Wunder samt aller Gefühle.”

Mehr Herzenszeilen, Mamalyrik & Heilungsimpulse: @espensmama


Liebe Wiebke, vielen Dank, dass du uns deine Geschichte anvertraut hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

Echte Geschichten protokollieren die geschilderten persönlichen Erfahrungen von Eltern aus unserer Community.

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Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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Lani
Lani
29 Tage zuvor

Das ist voll traurig 😢
Tut mir echt leid für dich

MomOfFour
MomOfFour
8 Monate zuvor

Hmm, plötzlicher kindstod oder was ist mit dem 18 Tage alten Baby geschehen….?😢
Traurige, wirklich herzzerreißende Erlebnisse die Wiebke teilt. Schön dass sie daran dennoch wachsen konnte.

Und zum Thema selfcare, ja das stimmt. Ist aber teils auch sehr schwierig. Mann arbeitet meist immer noch vollzeit und Frau muss zuhause alles schmeissen.
Noch schlimmer wirds wenn Mama auch noch arbeiten geht.
Aber dennoch: reden und gemeinsam das Projekt Familie stemmen. So gut es eben für alle geht.❤️

Ich
Ich
8 Monate zuvor

Habe mir von der Überschrift was anderes vorgestellt. Thema völlig verfehlt