Mein Kind beisst und schlägt mich. Hilfe, was soll ich tun?

Du hast es nicht für möglich behalten, doch dann passiert es: Dein Kind haut, kratzt oder beisst dich. 

Wahrscheinlich bist du erst geschockt und dann wütend – richtig wütend. Für eine Millisekunde hast du diesen Horror-Gedanken, dass du am liebsten zurückschlagen möchtest (was du natürlich nicht tust!). Stattdessen schreist du dein Kind an oder schubst es im Affekt weg. Und schon eskaliert die Situation…

Ruhig zu bleiben, wenn dich dein Kind verletzt, ist zugegebenermaßen sehr schwer. Das liegt an unserem Gehirn. „Schmerz sendet sofort Signale an den unteren Gehirnstamm – dorthin, wo unser Ur-Impuls für ‘Kampf oder Flucht‘ beheimatet ist. Dein Kind wird deshalb sofort in die Kategorie ‚Feind‘ eingeordnet“. Dementsprechend reagierst du auch.

Doch, halt! Wie du wahrscheinlich schon ahnst, ist es nicht das Schlaueste, diesem Instinkt zu folgen, wenn es um deinen Schatz geht. Denn wenn du dich schon nicht unter Kontrolle hast, wie soll dann dein Kind Kontrolle über seine Gefühle lernen?

Wenn du aggressiv reagierst, besteht die Gefahr, dass sich dieses Muster festigt – und Streitereien noch mehr und häufiger eskalieren als bisher. Also, was tun?

Es kommt darauf an, wie alt dein Kind ist. Ob es noch ein Kleinkind ist oder schon im Vorschul- oder Grundschulalter.

unsplash / vanessa serpas

Hier der Aktionsplan für Kleinkinder (bis ca. zwei Jahre):

Ein Kleinkind weiß am Anfang nicht, ob Hauen gut oder böse ist. Es haut dich oder ein anderes Kind, um die Reaktion zu testen. Ist die interessant – das Kind weint, du schreist –   wird dein Schatz wieder zuschlagen. Ein Teufelskreis.

So reagierst du am besten:

1. Sage klar und deutlich: „Nein, nicht hauen“.

2. Ansonsten schenke dem Hauen so wenig Aufmerksamkeit wie möglich und mache weiter, was du vorher gemacht hast.

3. Du zeigst deinem Kind eine Alternative: „Schau mal, Klatschen macht viel mehr Spaß.“ Das funktioniert auch mit Streicheln, Händchen halten etc.

4. Dein Kind hat ein anderes Kind geschlagen? Sage auch hier klar und deutlich „Nein“. Dann beschäftige dich mit dem anderen Kind. Dass du dem verletzten Kind deine ganze Aufmerksamkeit schenkst, wird dein Kind davon abhalten, es wieder zu tun.

Das Ergebnis:
Dein Kind verliert das Interesse am Schlagen, da es keine Reaktion bekommt.

Hier der Aktionsplan für ältere Kinder (Kindergarten und älter):

Hier wird es tatsächlich etwas komplizierter, weil dein Kind bereits gelernt hat, dass Hauen böse ist. Es nützt die physische Gewalt, um seiner Wut Ausdruck zu verleihen. Wichtig für dich zu wissen: Unter der Wut steckt immer die Angst vor etwas. Deshalb sollte das Ziel deiner Reaktion sein, der Wut auf den Grund zu gehen – und die Situation durch ein Gespräch zu lösen.

Eine Vierjähriger kann zum Beispiel ausflippen und schreien: „Nein, ich will nicht schlafen, ich gehe nicht ins Bett.“ Seine Angst dahinter: „Ich habe meine Burg noch nicht fertig gebaut, wenn sie Papa morgen anschauen will.“ (Für dich mag das nicht beängstigend sein, für dein Kind aber schon.)

Ein siebenjähriges Kind schlägt um sich, weil es heute nicht zu seinem Freund darf. Die Befürchtung: „Wenn ich nicht mit Emma spiele, mag sie mich nicht mehr/ sucht sie sich eine andere beste Freundin.“

unsplash / hunter johnson

So reagierst du am besten:

1. Du bist selbst furchtbar wütend? Bevor du schreist oder Schlimmeres machst, gehst du aus dem Zimmer, atmest tief durch und zählst bis zehn. Erst wenn du dich wieder beruhigt hast, gehst du ins Zimmer zurück. Schließe dein Kind dabei nicht aus, indem du dich in einem anderen Zimmer einschließt. Im Zweifelsfall musst du es ertragen, dass dein Kind weiter um dich tobt.

Hat dein Kind dich sichtbar verletzt, gehst du ins Bad und sagst ihm, dass du dich zuerst um dich und deine Wunde kümmerst. Erst dann kümmerst du dich wieder um dein Kind.

2. Hast du dich beruhigt, gehst du zurück, äußerst die negativen Gefühle und setzt deinem Kind klare Grenzen: „Du hast mich verletzt. Das hat weh getan. Ich weiß, du bist wütend. Ich akzeptiere es nicht, dass du mich haust. Keiner darf hauen.“

3. Und dein Kind? Antwortet dir ziemlich sicher mit „aber“: „Aber ich will nicht schlafen.“ oder zum Beispiel „Aber ich will zu Emma“. Dein Kind wird in seiner ersten Antwort nicht darauf eingehen, dass es dich geschlagen hat. Dieses Thema kannst du erst sinnvoll besprechen, nachdem du den Grund für den Ausbruch herausgefunden – und gelöst – hast.  Lege deshalb weiterhin ruhig deine Gründe für deine Entscheidung dar. Bis dein Kind dir seine Überlegungen offenlegt: „Aber ich will doch noch spielen“ oder „Emma mag mich doch dann nicht mehr.“ Fließen jetzt Tränen, nimmst du deinen Schatz in den Arm und erklärst ihm, dass du ihn verstehst.

4. Jetzt kennst du den eigentlichen Grund des Konflikts – und bietest eine Lösung an. „Komm, wir bauen die Burg noch schnell zusammen fertig.“ Oder: „Der Papa hilft dir morgen beim Bauen.“ Auch gut: „Wichtiger ist, dass der Ritter oben auf dem Turm steht. Lass ihn uns zusammen hochstellen.“ Bei dem Beispiel mit dem älteren Kind kannst du zum Beispiel anbieten, dass ihr gemeinsam die Freundin anruft, um ihr zu erklären, warum es heute nicht klappt. Oder ein Spielzeug aussuchen, dass ihr ihr morgen zeigt. Jetzt heißt es: So lange dran bleiben, bis ihr eine gute Lösung gefunden habt.

5. So, die Luft ist wieder rein? Dann ist jetzt die Gelegenheit, über das Hauen zu sprechen. Betone noch mal: „Du hast mir weh getan. Ich weiß, du warst sehr wütend, aber Hauen ist nie ok. Nie, verstehst du?“. Ein tiefer Blick in die Augen hilft zusätzlich. Dein Kind wird es verstehen, da du ruhig und mit Überzeugung zu ihm sprichst.

6. Biete deinem Kind Alternativen an, um seine Wut auszudrücken. Eine gute Lösung ist, sich mit Worten Luft zu machen – auch wenn es erstmal laut ist (an der Lautstärke kann man im Laufe der Zeit arbeiten). Du kannst deinem Kind auch erlauben, mit dem Fuß aufzustampfen oder den Raum zu verlassen. Und natürlich funktioniert auch deine Strategie vom Anfang: tief ein- und ausatmen und bis zehn zählen.

Puh, ganz schön anstrengend, oder? Doch es rentiert sich, dran zu bleiben. Hast du ein paar Mal die Situation so gelöst, wird dein Kind NIE mehr hauen.

Und du hast das Problem komplett los.

Tamara Müller

Als süddeutsche Frohnatur liebe ich die Wärme, die Berge und Hamburg! Letzteres brachte mich vor sieben Jahren dazu, die Sonne im Herzen zu speichern und den Weg in Richtung kühleren Norden einzuschlagen. Ich liebe die kleinen Dinge im Leben und das Reisen. Und auch wenn ich selbst noch keine Kinder habe, verbringe ich liebend gerne Zeit mit ihnen.

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